Intelligenz bei Tieren
Intelligente Tiere
Wie schlau sind Tiere? In Anbetracht der Vielfalt von Arten auf der Erde ist das eine schwierige Frage. Wissenschafter sind sich aber einig, dass manche Insekten, Säugetiere und Vögel über Intelligenz verfügen und komplexe Probleme lösen können.
Von Michael Ringelsiep
Ein Hund, der Vokabeln paukt
Der Border Collie "Rico" aus Dortmund erlangte Berühmtheit, weil er 1999 bei der Fernsehsendung "Wetten, dass...?" 77 Wörter den jeweiligen Spielzeugen zuordnen und die Gegenstände auf Kommando aus einem Nebenraum holen konnte.
Die Show sah auch die Forscherin Julia Fischer und testete Rico daraufhin in ihrem Labor. Zunächst gab sie ihm vertraute Objekte. Nannte sie den Namen, brachte er ihr mit einer Trefferquote von 92,5 Prozent den korrekten Gegenstand.
Es folgten Versuche, bei denen sie Rico sieben vertraute Spielzeuge und einen neuen, unbekannten Gegenstand gab. Auf das Kommando "Rico, wo ist...", gefolgt von dem Namen des neuen Spielzeugs, brachte er in sieben von zehn Fällen tatsächlich das ihm unbekannte Objekt heran. Offenbar hatte er gelernt, dass Gegenstände Namen haben – und zwar nur einen – und verknüpfte die neue Lautfolge daher mit dem neuen Objekt.
So lernte er die Namen von mehr als 260 Gegenständen und diese richtig zuzuordnen. Rico hat damit bewiesen, dass Hunde ihr Wissen auch in neuen Situationen anwenden können, über ein hohes Abstraktionsvermögen verfügen und neue Wörter nach einem ähnlichen Prinzip erlernen wie kleine Kinder.
Border Collies sind für ihre Lernbegierde bekannt
Affen, die sprechen?
Ein Star war auch das Gorillaweibchen Koko. Sie wurde 1971 in San Francisco geboren und konnte die amerikanische Gebärdensprache sowohl verstehen als auch aktiv verwenden.
Ihre Lehrerin, die Affenforscherin Penny Patterson, unterrichtete sie seit dem ersten Lebensjahr darin. Später beherrschte Koko 1000 Gesten, die sie auch zu komplexeren Ausdrücken kombinieren konnte. Weitere 2000 gesprochene englische Wörter konnte sie verstehen.
Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Methoden ausprobiert, Affen das Sprechen beizubringen – mal über Gesten, mal über Symboltasten, die mit der Bedeutung von Verben oder Substantiven assoziiert werden. Im Großen und Ganzen kommen Affen jedoch wohl nie über die Sprachfähigkeit von Kleinkindern hinaus. Eine rudimentäre Kommunikation ist jedoch möglich.
Eine Seelöwin, die Symbole erkennt
Nicht ganz so berühmt wie Koko war die Seelöwin Rocky. Sie lebte bis zum ihrem Tod 2004 ebenfalls in Kalifornien – im Institut für Meeressäugetiere an der University of California in Santa Cruz. Sie sprach zwar nicht, aber dafür konnte sie sich 90 grafische Symbole merken.
Die Forscher brachten ihr sogar bei, die Grafiken in Gruppen zu sortieren. Rocky verstand und löste die Aufgabe, obwohl die Piktogramme für sie keinerlei Bedeutung besaßen. Trotzdem begriff Rocky, dass man einen Gegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann, dass der gleiche Ball einmal groß und einmal klein sein kann.
Seelöwen können Symbole erkennen
Ein Papagei, der weiß, wovon er spricht
Der Graupapagei Alex (1976-2007) dagegen konnte sogar sprechen und rechnen. Beigebracht hatte ihm das die Verhaltensforscherin Dr. Irene Pepperberg. Ein kleiner Trick half ihr, den Ehrgeiz des Vogels anzustacheln. Sie überlistete Alex, indem sie so tat, als unterrichtete sie einen Forscherkollegen.
Auf eine Frage folgte immer eine richtige Antwort des Kollegen, und sie lobte ihn dann überschwänglich. Alex durfte bei diesen Stunden dabei sein, wurde aber nicht direkt von ihr angesprochen.
Es dauerte nicht lange, bis der Vogel sich mit dem Rivalen zu messen versuchte und sich selbst mit den richtigen Antworten in Szene setzte. Er mischte sich stets in das Gespräch ein, um selbst gelobt zu werden. Irgendwann konnte Alex über 100 verschiedene Gegenstände benennen. Er unterschied sie nach Form und Farbe.
Seine Leistungen entsprachen in etwa denen eines fünfjährigen Kindes, emotional ähnelte er eher einem Zweijährigen. Wenn Alex keine Lust hatte, war er nämlich kaum zur Mitarbeit zu bewegen.
Doch wenn er etwas sagte, dann wusste er, wovon er sprach. Alex hatte eine klare Vorstellung von der Sache hinter dem Begriff, verfügte über ein sogenanntes Konzept. Unter Konzept verstehen Biopsychologen die abstrakte Vorstellung von einem Gegenstand, zum Beispiel einem Stuhl.
Ein Vogel mit Konzept
Ein Pferd, das die Wissenschaftler narrte
Aber nicht immer ist es der Grips, sondern manchmal sind es auch Tricks, durch die Tiere auf uns intelligent wirken. Anfang des 20. Jahrhunderts sorgte in Berlin ein Pferd für große Aufregung, weil es angeblich das Bruchrechnen beherrschte.
Über die Rechenkünste von "Hans" entbrannte nicht nur ein Gelehrten- und Medienstreit. Das Tier genoss eine Popularität wie heute ein Popstar. Polizisten mussten das Pferd schließlich vor schaulustigem Volk schützen.
Gelehrte dagegen durften sich von Hans’ außergewöhnlichen Fähigkeiten überzeugen: Das Pferd zählte Hüte oder Regenschirme und stampfte stets das korrekte Ergebnis mit dem Vorderhuf auf.
Bruchrechnen konnte das Tier dem Augenschein nach auch, wenn sein Besitzer, ein pensionierter Grundschullehrer, Aufgaben stellte. Erst Experimental-Psychologen fanden heraus, dass Hans gar nicht rechnen konnte.
Das Pferd las vielmehr das richtige Ergebnis an der Mimik und Gestik seines Lehrers ab. Er signalisierte Hans unbewusst, wann das richtige Ergebnis erreicht war und er aufhören musste, mit dem Huf zu scharren. Solche Tricks funktionieren allerdings nur, wenn das dressierte Tier über soziale Intelligenz verfügt. Hans war also doch schlau.
(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 05.08.2020)
Quelle: WDR