Lochkartenmaschine aus dem Dritten Reich

Geschichte des Computers

Hollerith und der Lochkartencomputer

Die Erfindung des Lochkartencomputers geht auf den Sohn deutscher Einwanderer in die USA zurück. Der leidenschaftliche Erfinder Herman Hollerith entwickelte ein einzigartiges System der Informationsverschlüsselung und Datenverarbeitung mit gestanzten Papierstreifen.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Von der Lochzange zum Lochkartensystem

Hermann Hollerith wurde 1860 im Staat New York geboren und zeigte schon früh ein ausgeprägtes Interesse für technische Probleme. Als der gelernte Ingenieur und leidenschaftliche Erfinder 1880 bei der amerikanischen Volkszählungsbehörde mit den logistischen Problemen statistischer Datenverarbeitung konfrontiert wurde, sann er fortan auf Abhilfe.

Ein technisches System musste her, das in der Lage war, Massendaten in kurzer Zeit auszulesen und zu verarbeiten. Im Zug beobachtete Hollerith, wie ein Schaffner mittels einer Lochzange auf der Fahrkarte der Fahrgäste in dafür festgelegten Feldern Geschlecht, Abfahrts- und Ankunftsbahnhof durch Einstanzungen markieren konnte.

Dieses Prinzip übertrug Hollerith im großen Stil. Er erfand eine Methode, auf gelochten Karten anhand der gestanzten Muster Daten zu verschlüsseln, zu speichern und bei Bedarf wieder auszulesen.

Kartenlochgerät zum Stanzen der Hollerith-Lochkarten

Kartenlocher aus den 1950er- und 1960er-Jahren

Elektronische Datenverarbeitung anno dazumal

Eine Lochkarte im Hollerith-Format ist ein Karton in der Größe von 18,7 mal 8,3 Zentimetern. In einem ersten Schritt ließen sich Lochkarten mithilfe eines elektromechanischen Lochers beschreiben und kodieren. Der Locher war eine Apparatur, die sich durch eine Schreibmaschinentastatur bedienen ließ.

Die durch Lochstanzungen verschlüsselten Daten waren dann im jeweiligen Lochmuster der Karte "gespeichert". Wollte man die Daten erneut heranziehen und bearbeiten, musste die Lochkarte ausgelesen werden. Das bewerkstelligte – in einem zweiten Schritt – die Tabelliermaschine. Tabelliermaschinen waren programmgesteuerte Rechenautomaten und bildeten das Herzstück jeder Lochkartenanlage.

Der Einleseprozess erfolgte durch das mechanische Abtasten der Lochkarten mit Hilfe von stiftähnlichen Instrumenten. Die Tabelliermaschine verarbeitete gestanzte Lochkarten gleich stapelweise, sie las die gespeicherten Daten aus und konnte diese zählen, berechnen und drucken.

Hollerith-Zähl- und Tabelliermaschine am Forschungsinstitut für diskrete Mathematik in Bonn, im Hintergrund ein Porträt des Erfinders.

Nachbau der Hollerith'schen Zähl- und Tabelliermaschine

Beginn der Massendatenverarbeitung

Die professionelle Auszählung und Erfassung von per Lochkarten eingegebenen Daten erleichterte und optimierte die Datenverarbeitung in Industrie, Gewerbe und Büro. Hollerith-Maschinen hielten überall in Behörden und Firmen Einzug. Sie wurden bei der Buchhaltung eingesetzt, im Personalwesen, zur Erfassung von Kontobewegungen und spielten bei der statistischen Erfassung (Volkszählungen, Wahlen) eine unverzichtbare Rolle.

Im Nationalsozialismus wurden die Hollerith-Automaten für makabre Zwecke eingesetzt, weil sich mit ihrer Hilfe die rassistischen Kriterien der Nürnberger Rassengesetze erfassen ließen. Lochkarten im Hollerith-Format finden sogar noch im 21. Jahrhundert in US-Wahlautomaten Verwendung. Allerdings geriet deren – für heutige Begriffe – mangelnde Zuverlässigkeit bei den Präsidentschaftswahlen 2000 stark in die Kritik.

Die Tabelliermaschine war das Herzstück jeder Lochkartenanlage.

Tabelliermaschine Dehomag D11 (1936-1960)

(Erstveröffentlichung 2005, letzte Aktualisierung 04.01.2018)

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Quelle: SWR

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