Historische Werbung fuer Ammoniak-Dünger von 1915

Anbaumethoden

Geschichte der Düngemittel

Mit natürlichem Dünger – also Ausscheidungen von Mensch und Tier – wird schon seit Jahrtausenden in der Landwirtschaft die Erntemenge gesteigert. Seit Pferde und Rinder den Pflug über die Felder zogen, sahen die Bauern, dass deren Kot den Boden fruchtbarer machte.

Von Frank Wittig

Natürliche Düngung reicht nicht mehr aus

Pflanzen entziehen dem Boden Nährstoffe und Mineralsalze. Die wichtigsten Elemente sind Stickstoff, Phosphor, Kalium, Schwefel und Calcium. Werden die Pflanzen nicht geerntet und abtransportiert, gelangen diese Stoffe wieder in den Boden. Die Pflanzenreste zerfallen und Bakterien und Kleinlebewesen sorgen dafür, dass daraus wieder fruchtbarer Humus mit verfügbaren Mineralstoffen wird.

Der Feldanbau des Menschen unterbricht diesen Kreislauf. Mit der Ernte werden die Nährstoffe buchstäblich vom Feld getragen. Je nach Nährstoffreichtum des Bodens ist dieser nach wenigen Ernten ausgelaugt. Doch es gibt eine Gegenmaßnahme: die Düngung.

In China wurden schon vor Jahrtausenden menschliche Exkremente gesammelt und auf den Feldern verteilt. Die früheste literarische Erwähnung der Düngung im Abendland ist wohl in der "Odyssee" des griechischen Dichters Homer im 8. Jahrhundert vor Christus zu finden. Im Wirtschaftshof des Odysseus duftete ein Misthaufen vor sich hin, bis die Knechte ihn auf die Felder verteilten.

Die "Gründüngung" mit stickstoffsammelnden Pflanzen, die dann untergepflügt wurden, ist spätestens seit den Römern bekannt. Auch eine Brachlegung – ein Jahr, in dem der Boden nicht genutzt wird – hilft der Anbaufläche, sich zu regenerieren. Durch Verwitterung lösen sich Mineralien im Boden und stehen so dem Ackerbau wieder zur Verfügung. Allerdings nur, wenn überhaupt noch welche da sind.

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit verschärfte sich dieses Problem. Das Wort von der "Altersschwäche des Bodens", das schon der römische Philosoph Seneca (1-65 nach Christus) geprägt hatte, ging um. Katastrophale Missernten und Hungersnöte rückten das Problem in den öffentlichen Fokus.

Spätmittelalterliche Alchemisten begannen zu erforschen, wie man künstlich die Erträge in der Landwirtschaft steigern konnte. In der Neuzeit wurde daraus die wissenschaftliche Disziplin der sogenannten Agrikulturchemie: die Untersuchung der Ernährungsphysiologie der Pflanze und des Nährstoffangebots des Bodens.

Zeichung des Kopfes des römischen Philosophen Seneca.

Seneca erkannte die "Altersschwäche des Bodens"

Künstlicher Dünger: Durchbruch im 19. Jahrhundert

Als Visionär der Agrikulturchemie entpuppte sich der in Darmstadt geborene Chemiker Justus von Liebig. Schon 1840 formulierte er:

"Als Prinzip des Ackerbaus muss angesehen werden, dass der Boden in vollem Maße wiedererhalten muss, was ihm genommen wurde; in welcher Form dies Wiedergeben geschieht, ob in der Form von Exkrementen, oder von Asche oder Knochen, dieses ist wohl ziemlich gleichgültig. Es wird eine Zeit kommen, wo man den Acker, wo man jede Pflanze, die man darauf erzielen will, mit dem ihr zukommenden Dünger versieht, den man in chemischen Fabriken bereitet."

Dieses Credo stammt aus Liebigs epochalem Werk: "Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie". Liebigs entscheidende Leistung bestand darin, dass er im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen anorganische Stoffe als Nährstoffe der Pflanzen erkannte: einfache Salze und Säuren und nicht komplizierte organische Verbindungen. Damit war der Weg frei für die industrielle Herstellung von Düngemittel. Zumindest theoretisch.

Schwarzweiß-Gemälde von Justus von Liebeig, der in einem Lehnstuhl sitzt.

Justus von Liebig schuf die Grundlagen

Weiterentwicklung im 20. Jahrhundert

Doch Liebig unterlief ein gravierender Fehler. Er befürchtete, wasserlösliche Düngemittel würden vom Regenwasser ausgewaschen und in die Tiefe des Bodens transportiert, wo die Wurzeln der Pflanzen nicht hinreichten. Deshalb war sein erster, großtechnisch hergestellter Dünger auf der Basis von Pottasche mit kohlensaurem Kalk fehlerhaft. Eine Verbindung, die sich in kaltem Wasser nicht löste und auf den Feldern praktisch wirkungslos blieb.

Dennoch bereitete Liebigs "Agriculturchemie" in den nächsten Jahrzehnten den Weg für alle wesentlichen Entdeckungen der Düngemittelindustrie. So konnte Adolph Frank das Kalisalz für die Landwirtschaft erschließen. Das im Kalisalz gebundene Kalium ist einer der wichtigsten Nährstoffe für Pflanzen.

Dem Chemiker Wilhelm Ostwald gelang 1900 die Ammoniaksynthese. Allerdings nicht in einem industriell umsetzbaren Verfahren. Bis man Ammoniak, die wichtige Vorstufe für den Stickstoffdünger, in ausreichenden Mengen herstellen konnte, dauerte es noch 13 Jahre. Stickstoffdünger ist noch heute der wichtigste Mineraldünger und macht mehr als die Hälfte des weltweiten verbrauchten Düngemittels aus.

Bioregulatoren: Pflanzendesign durch Chemie

Auf dem Gebiet der klassischen Pflanzennährstoffe, die in der Düngemittelindustrie hergestellt werden, liegen die entscheidenden Entdeckungen schon viele Jahrzehnte zurück. Heute wird in den Labors rund um die Welt an einer neuen Wirkstoffklasse geforscht: an den sogenannten "Bioregulatoren".

Während die klassischen Nährstoffe in der Regel das Wachstum der Pflanze allgemein befördern, wirken Bioregulatoren gezielt auf bestimmte Wachstumsprozesse: etwa auf die Ausbildung der Frucht, das Sprießen der Wurzeln, das Längenwachstum der Halme. Die Pflanze bildet diese Stoffe selbst nur in sehr geringen Konzentrationen.

Der bekannteste Stoff, der schon seit Jahrzehnten flächendeckend eingesetzt wird, ist Chlormequat: der Halmverkürzer. Im Getreideanbau sorgt er dafür, dass das Längenwachstum der Halme begrenzt wird.

Das hat zwei wesentliche Vorteile. Zum einen verschwendet die Pflanze nicht unnötig Energie zum Aufbau von Stroh, zum anderen sind kürzere Halme weniger anfällig gegen Bruch durch Wind und Regen. Angewendet werden auch andere Substanzen, die zum Beispiel die Früchte schneller wachsen oder gleichzeitig reifen lassen und so das Ernten effizienter machen.

Ein Mann im weißen Schutzanzug beim Spritzen auf einem Versuchsfeld.

Forschung und Entwicklung sind längst noch nicht abgeschlossen

Quelle: SWR | Stand: 04.03.2020, 10:29 Uhr

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