Wiener Kongress
Die "Deutsche Frage" – Nationalstaat oder Staatenbund?
Eine der Hauptaufgaben des Wiener Kongresses (1814/15) war es, eine Regelung für die staatliche Neuordnung der Länder in der Mitte Europas zu finden, die zum 1806 untergegangenen deutschen Reich gehört hatten.
Von Cordula Weinzierl
Doch wie sollte eine solche Lösung aussehen? Um dieses Problem, auch "Deutsche Frage" genannt, drehten sich auf dem Wiener Kongress viele Verhandlungen.
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es auf dem deutschsprachigen Gebiet mehrere hundert Staaten und Kleinstaaten – zum Beispiel die Kurfürstentümer Kurmainz, Kurköln oder das Fürstbistum Paderborn. Die Landkarte sah dadurch so bunt aus, dass sie bis heute oft als "Flickenteppich" bezeichnet wird.
Einen großen Teil davon hielt Frankreich jahrelang besetzt, und der französische Kaiser Napoleon hatte viele Grenzen neu gezogen: Das Gebiet wurde 1803 in 36 Fürstentümer und vier Reichsstädte zusammengefasst (Reichsdeputationshauptschluss) und im von Frankreich erzwungenen Rheinbund wurde 1806 ein großer Teil der deutschen Staaten unter "französischen Schutz" (Protektorat) gestellt. Er diente Napoleon als Instrument, die deutschen Rheinbundstaaten politisch und militärisch zu beherrschen.
Der Rheinbund umfasste große Teile des heutigen Deutschlands
1813 wurde Napoleon dann in der Völkerschlacht bei Leipzig besiegt und die französische Besatzung der deutschsprachigen Regionen endete. Doch wie sollte es nun weitergehen? Ein Zurück zur kleinteiligen Vielstaaterei vor Napoleons Herrschaft wollten die Teilnehmer des Wiener Kongresses nicht. Außerdem waren das Nationalgefühl und das Nationalbewusstsein der Deutschen während der napoleonischen Fremdherrschaft deutlich gewachsen.
So wurden die Forderungen unter den Deutschen lauter, alle deutschen Länder zu einem einzigen Deutschland zusammenzufassen – einem Nationalstaat also, in dem alle deutschen Gebiete mitsamt ihren Einwohnern vereint werden sollten.
Doch das hätte gegen die Grundprinzipien des Wiener Kongresses verstoßen. Denn dort hatten sich die Großmächte darauf geeinigt, dass die deutschen Fürstenhäuser ihren Besitz und ihre Unabhängigkeit behalten durften.
Die Staatsmänner verhandelten über die Zukunft der deutschen Staaten
Die Zukunft der deutschen Staaten wurde in Wien in der Kommission "Deutsches Komitee" verhandelt, die aus Vertretern von Preußen, Österreich, Hannover, Bayern und Württemberg bestand. Dort einigten sich die Teilnehmer darauf, einen Staatenbund zu gründen – den so genannten "Deutschen Bund". Das war kein Nationalstaat, sondern ein Gebilde von Einzelstaaten mit dem Zweck, die innere und äußere Sicherheit der Mitglieder zu gewährleisten.
Die ständige Bundesversammlung in Frankfurt wurde das zentrale politische Organ des Bundes. Der Vorsitz in der Bundesversammlung lag bei Österreich. Damit hatte der Wiener Kongress eine Lösung gefunden für die "Deutsche Frage".
(Erstveröffentlichung: 2024. Letzte Aktualisierung 16.02.2024)
UNSERE QUELLEN
- Heinz Duchhardt, "Der Wiener Kongress – Die Neugestaltung Europas 1814/15, Verlag C.H. Beck Wissen, München 2013
- Propyläen Geschichte Europas, E.Weis, Der Durchbruch des Bürgertums, 1776-1847, Verlag Ullstein Buch, 1982
- Bundeszentrale für Politische Bildung: "Aus Politik und Zeitgeschichte. Wiener Kongress" (PDF)
- Die Welt der Habsburger: "Der Deutsche Bund und die Deutsche Frage"
- Bundeszentrale für politische Bildung. "Revolution 1848. Der Wiener Kongress und die Restaurationszeit"
- Katholische Akademie in Bayern: "Was Napoleon Bonaparte uns zweihundert Jahre nach seinem Tod bedeuten kann" (PDF)
Quelle: WDR