Meine Ehe schmeckte nach Blut

Planet Wissen 02.11.2023 02:56 Min. Verfügbar bis 02.11.2028 SWR

Gewalt

Häusliche Gewalt gegen Frauen

Häusliche Gewalt ist in Deutschland weit verbreitet und kein Problem von Randgruppen. Frauen sind meistens die Opfer und Männer die Täter. Spezielle Angebote unterstützen die Täter und die Opfer beim Ausstieg aus dem typischen Gewaltkreislauf.

Von Martina Janning

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet

Häusliche Gewalt kommt in allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus vor. 80 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen. Jede vierte Frau in Deutschland hat schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner erlebt.

Im Jahr 2022 hat die Polizei rund 171.000 Fälle von häuslicher Gewalt an Frauen erfasst. Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher, weil viele Frauen keine Anzeige erstatten. Scham ist ein wichtiger Grund dafür.

Im Schnitt vergehen sieben Jahre, bis Frauen einen gewalttätigen Partner verlassen. Selbst dann sind die Frauen oft nicht sicher. Tötungen durch Ex-Partner sorgen immer wieder für Schlagzeilen.

Häusliche Gewalt ist mehr als körperliche Gewalt

Bei häuslicher Gewalt denken die meisten Menschen zuerst an körperliche Misshandlungen. Aber auch psychische, sexuelle und ökonomische Gewalt zählen dazu. Die Motive der männlichen Täter: Sie wollen Kontrolle und Macht über ihre Partnerinnen ausüben.

Psychische Gewalt beginnt meistens schleichend. Am Anfang steht ein verstärktes Werben um die Frau. Doch die Aufmerksamkeit ist oft schon mit Kontrollverhalten verknüpft, wenn der Mann zum Beispiel ständig anruft oder SMS schickt und genau wissen will, was die Frau gerade macht oder mit wem sie sich trifft.

"Was als liebevolles Interesse gedeutet wird, ist in Wirklichkeit schon ein erstes Warnzeichen", sagt Christine Grundmann von den Interventionsstellen gegen Gewalt in Rheinland-Pfalz. Dazu zählen auch: Eifersucht oder wenn der Mann einfach das Handy seiner Partnerin nimmt und nachschaut, mit wem sie geschrieben oder telefoniert hat.

Häusliche Gewalt ist mehr als Schläge

Planet Wissen 02.11.2023 03:14 Min. Verfügbar bis 02.11.2028 SWR

Intimer Terrorismus und situative Gewalt in Partnerschaften

Fachleute unterscheiden bei partnerschaftlicher Gewalt zwischen "intimate terrorism" und "situativer Gewalt".

Der "intimate terrorism" – übersetzt: intimer Terrorismus – ist durch Macht- und Kontrollmotive des Täters bestimmt. Traditionelle Geschlechterrollen und patriarchal geprägte Vorstellungen spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Es handelt sich um wiederholte und systematische Misshandlungen und Kontrolle. Der Täter nutzt körperliche, sexuelle und/oder psychologische Gewalt, um das Opfer zu kontrollieren und einzuschüchtern. Das Opfer kann sich in einer ständigen Atmosphäre von Angst und Unsicherheit befinden.

Der Begriff wurde vom Soziologen Michael P. Johnson geprägt, um eine bestimmte Form der partnerschaftlichen Gewalt zu beschreiben, die sich von situativer Gewalt unterscheidet.

Von "situativer Gewalt" sprechen die Fachleute, wenn ein sich Konflikt in der Partnerschaft hochschaukelt und durch körperliche Gewalt entlädt. Typisch für "situative Gewalt" ist, dass ein Paar in einen Kreislauf aus Gewalt und Versöhnung gerät, aus dem es allein schwer ausbrechen kann.

Grafik des Gewaltkreislaufs mit seinen typischen Stationen.

Ein typisches Muster von häuslicher Gewalt

Hohe gesellschaftliche Kosten durch häusliche Gewalt

Die Folgen von häuslicher Gewalt werden oft unterschätzt. Dabei kosten sie unsere Gesellschaft sehr viel Geld. In Deutschland betragen die Folgekosten von häuslicher Gewalt an Frauen rund 54 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen. Das sind jeden Tag 148 Millionen Euro.

Darin enthalten sind die Aufwendungen für Polizei, Justiz, Beratungsstellen, Behandlungen und Therapien. Zu Buche schlägt aber auch, wenn eine Frau wegen einer Misshandlung nicht zur Arbeit gehen kann oder ihre Kinder einen schlechteren Schulabschluss machen, weil deren Konzentrationsfähigkeit durch die miterlebte Gewalt an ihrer Mutter leidet.

Grafik mit Schrift: Die gesellschaftlichen Folgekosten von häuslicher Gewalt gegen Frauen.

Immense Kosten durch häusliche Gewalt an Frauen

Kinder sind Opfer von häuslicher Gewalt an ihren Müttern

Eine Folge von häuslicher Gewalt an Frauen wird oft vergessen: Kinder bekommen es immer mit, wenn ihre Mutter geschlagen wird – sogar schon als Babys im Mutterleib. So wachsen die Kinder in einem Milieu auf, wo sie sich nicht sicher fühlen können.

Das weckt Ängste und Unsicherheiten, die sich unterschiedlich auswirken können. Es könne sein, dass Kinder dann eher aggressiv oder überangepasst reagieren, berichtet Christine Grundmann von den Interventionsstellen gegen Gewalt in Rheinland-Pfalz.

Außerdem zeigten viele Untersuchungen, dass Kinder das Muster der häuslichen Gewalt in ihr Erwachsenenleben übernehmen. "Da werden Jungs dann leider oft wieder zum Täter und Mädels zum Opfer", sagt Grundmann.

Ein Mann baut sich vor Frau auf und bedroht sie.

Häusliche Gewalt hat immer Folgen für Kinder

Arbeit mit den Tätern von häuslicher Gewalt

Täterarbeit ist Opferschutz. Deshalb gibt es Beratungsstellen und Trainings für Männer, die aus dem Gewaltkreislauf ausbrechen und ihre Partnerin nicht mehr schlagen wollen. Hierhin kann jeder freiwillig gehen, viele Männer kommen jedoch als Auflage der Justizbehörden.

Im Training mit den Tätern geht es darum, die Gründe für die häusliche Gewalt zu reflektieren und Strategien zu entwickeln, um aus dem Gewaltkreislauf auszusteigen. Es werden unter anderem ein Notfallplan und ein Sicherheitsplan entwickelt.

Der Notfallplan umfasst Deeskalationsstrategien, die der Mann anwenden kann, um eine "heiße" Situation etwas "abzukühlen". "Er könnte zum Beispiel Distanz schaffen, indem er einen Schritt zurückgeht", berichtet Julia Rheinhardt, die die Täterarbeit in Rheinland-Pfalz koordiniert.

Der Sicherheitsplan betrifft die Zeit im Vorfeld von häuslicher Gewalt. Was kann ein Mann präventiv tun, um entspannter zu sein? "Im Grunde weiß jeder um seinen Sicherheitsplan", sagt Reinhardt. "Es ist aber wichtig, sich dessen mal bewusst zu werden und das fokussiert auf Papier zu bringen."

Männer-Seminar gegen häusliche Gewalt

Planet Wissen 02.11.2023 03:04 Min. Verfügbar bis 02.11.2028 SWR

Hilfe für die Opfer von häuslicher Gewalt

Für Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, gibt es das Hilfetelefon. Die Nummer lautet bundesweit 116016. Dorthin können sich betroffene Frauen mit allen Fragen wenden, und wenn sie einen Platz in einem Frauenhaus brauchen.

Damit die Täter bestraft werden können, ist es wichtig, die Spuren der häuslichen Gewalt zu sichern. Dafür stehen Gewaltambulanz, Kliniken und Hausärzte zur Verfügung. Über Anlaufstellen in der Nähe informieren die Mitarbeiterinnen am Hilfetelefon.

Zusätzliche Zeugenaussagen und genaue Notizen über die Vorfälle erhöhen die Chancen einer Verurteilung. Es sei wichtig, auf jeden Fall Strafantrag zu stellen und diesen nicht im Nachhinein zurückzuziehen, sagt Kriminologin Reinhardt. Ansonsten sei es für die Staatsanwaltschaft schwierig, den Täter zu verurteilen oder ihn zu einem Training gegen häusliche Gewalt zu verpflichten.

Grafik mit Schrift: Die Nummer des Hilfetelefons bei Gewalt gegen Frauen ist die 116016.

Das bundeweite Hilfetelefon

Gegen Gewalt, für Gleichberechtigung der Geschlechter

Bei der Prävention von häuslicher Gewalt gegen Frauen ist die ganze Gesellschaft gefordert. Es gehe darum, die "Grundlagen für einen gleichberechtigten und konfliktfreien Umgang von Mann und Frau zu legen", sagt Christine Grundmann von den Interventionsstellen gegen Gewalt in Rheinland-Pfalz.

Um häusliche Gewalt zu verhindern, müsse in allen Bereichen, wo Menschen mit Menschen arbeiten, verstärkt vermittelt werden, wie Gewalt entsteht, fordert Grundmann. Eine Aufgabe, die schon in den Kindertagesstätten beginnen sollte. Damit Jungen und Mädchen von klein auf lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen als selbstverständlich erleben.

Frau hält Hand mit ausgetreckten Fingern vor sich hoch. Auf der Hand steht in Großbuchstaben: Stop.

Häusliche Gewalt gegen Frauen gehört gestoppt!

UNSERE QUELLEN

Quelle: SWR | Stand: 27.10.2023, 13:00 Uhr

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