Standbild aus dem Film "Die Schatzinsel", 1972

Piraten

"Die Schatzinsel" – Klassiker der Weltliteratur

Ein Buch hatte besonders großen Einfluss auf das heutige Bild von Piraten: Seit Erscheinen des Romans "Die Schatzinsel" von Robert Louis Stevenson dürfen einbeinige Piraten, tropische Inseln und Schatzkarten in keiner Piratengeschichte fehlen.

Von Natalie Muntermann

Ein Piratenabenteuer von Weltruhm

Im Alter von 30 Jahren veröffentlichte der britische Schriftsteller Robert Louis Stevenson seinen ersten Roman: "Die Schatzinsel". Eigentlich hatte er seine Abenteuergeschichte vom jungen Jim Hawkins, dem einbeinigen Piraten John Silver und der Schatzkarte als Jugendbuch gedacht.

Doch seit "Die Schatzinsel" im Jahr 1883 erschien, begeistert dieser Abenteuerroman jugendliche und erwachsene Leser gleichermaßen. Die lebendige Bildkraft der Sprache, die stilistische Flexibilität Stevensons, die überzeugende Schilderung der Figuren und die nautischen Details machen die Suche nach dem Schatz des verstorbenen Captain Flint zu einem Stück Weltliteratur.

Deshalb findet man "Die Schatzinsel" sowohl kindgerecht aufbereitet als Nacherzählung und bunt bebildert in der Jugendbuchabteilung als auch in ungekürzter Originalfassung unter den Klassikern der Weltliteratur. Außerdem ist sie vielfach verfilmt worden, erstmals 1912 als Stummfilm.

Historische Fakten und Fantasie

Stevenson war der Erste, der auf der Grundlage von historischen Fakten einen Abenteuerroman im Piratenmilieu schrieb. Zur Geschichte der Piraterie hatte er zuvor ebenso in Sachbüchern recherchiert wie in Prozessakten oder Zeitungs- und Augenzeugenberichten.

"Stevenson war nie einem Piraten begegnet, und doch gelang es ihm, eine Bande abgefeimter, blutrünstiger Figuren zu erschaffen und eine eindringliche, von Betrug und Gewalt geprägte Atmosphäre zu erzeugen", schreibt der Historiker David Cordingly in seinem Buch "Unter schwarzer Flagge".

Eine Szene aus dem Spielfilm 'Die Schatzinsel' von Regisseur Andrew White

"Die Schatzinsel" war ein großer Publikumserfolg

In der erfundenen Figur des mysteriösen einbeinigen Piraten John Silver findet sich das, was echte Piraten ausmachte: Piraten waren oft groß und von kräftiger Statur. Sie waren mal roh und nur auf den eigenen Vorteil bedacht, mal pfiffige Gestalten, die nichts auf ihre Piratengemeinschaft kommen ließen.

Sie setzten aber auch ihre Knochen aufs Spiel und verloren Gliedmaßen, wenn sie bei schwerem Wetter auf Deck arbeiteten oder andere Schiffe angriffen.

Stevensons Bill Gunn, der auf einer einsamen Insel ausgesetzte Pirat, hat auch historische Vorbilder: Matrosen wurden in der Tat von ihren Kameraden ausgesetzt, wenn sie zum Beispiel desertiert waren, feige im Gefecht waren oder gestohlen hatten.

Eines der bekanntesten Piratenelemente – die Schatzkarte mit dem schwarzen Kreuz, das die Stelle markiert, wo der Schatz vergraben ist – ist hingegen vom Autor frei erfunden. In der Schatzinsel vermischt sich Stevensons Fantasie spielerisch mit historisch Belegtem.

Piratenbild für die Ewigkeit

1883 wurde "Die Schatzinsel" veröffentlicht. Der Roman war von Beginn an ein Publikumserfolg. Das kam daher, dass Stevenson einem Bedürfnis seiner Zeit gerecht wurde: In Zeiten der Industrialisierung war das Leben maßgeblich von Fabrikarbeit und städtischer Enge geprägt. Die Menschen waren empfänglich für Abenteuerphantasien vom wilden Leben auf Schiffen und einsamen Inseln.

In der "Schatzinsel" kristallisiert sich wunderbar die Sehnsucht nach Freiheit, Exotik und der Wunsch nach einem Leben ohne Plackerei in der Fabrik. Das macht den nachhaltigen Erfolg dieser Piratengeschichte verständlich.

Seit Stevenson sind Seeräuber mit Schatzkarten, schwarzen Schonern, tropischen Inseln und Holzbeinen verknüpft. Der Piratenmythos vom romantisch verklärten Gesetzlosen wurde maßgeblich von Stevenson beeinflusst und prägt unser Piratenbild bis heute.

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 29.05.2020)

Quelle: WDR

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