Der weite Weg von der Baumwolle bis zum T-Shirt

Planet Wissen 20.07.2022 03:29 Min. UT Verfügbar bis 14.10.2025 WDR Von Lukas Bruns und Eva Schultes

Fairer Handel

Faire Kleidung – was können wir dafür tun?

Dass unsere Kleidung oft in Billiglohnländern unter schlechten Arbeitsbedingungen produziert wird, wissen wir – und tragen diese Kleidung trotzdem. Die meisten von uns kaufen keine oder nur wenig faire Kleidung. Wie geht es besser?

Von Lisa Tüch und Carsten Günther

Hoher Arbeitsdruck, keine Zeit für Toilettenpausen

Damit wir in Deutschland billige T-Shirts, Hosen und andere Kleidung kaufen können, müssen in den Produktionsländern häufig Menschen unter schlechten Arbeitsbedingungen schuften. Der größte Teil der Kleidung, die in Deutschland über den Ladentisch geht, wird in Asien hergestellt, vor allem in China und Bangladesch.

"Es ist weit verbreitet, dass Arbeiter nur wenig trinken, damit sie nicht zur Toilette gehen müssen. Denn das würde Zeit kosten", sagt Maik Pflaum von der "Christlichen Initiative Romero" (CIR), eine der Trägerorganisationen, die sich in der "Kampagne für Saubere Kleidung" zusammengeschlossen haben.

Ein Großteil der weltweit rund 60 Millionen Beschäftigten in der Textilindustrie arbeitet in Entwicklungsländern. "Sie bräuchten eigentlich drei bis vier Mindestlöhne, um den Grundbedarf ihrer Familien zu decken", so Pflaum.

Deswegen würden viele Arbeiter Überstunden machen und bis zu 16 Stunden am Tag arbeiten – und das teilweise an allen sieben Tagen der Woche. Ihr Lohn würde sonst nicht ausreichen, um Miete, Essen und den Schulbesuch der Kinder zu bezahlen. Gewerkschaften sind in diesem System nicht gern gesehen.

Arbeiterinnen mit Mundschutz in einer Textilfabrik in Bangladesch

Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Bangladesch

Der Westen profitiert vom Leid der Arbeiterinnen und Arbeiter

Nicht nur der Lohn ist in der Textilindustrie sehr niedrig, sondern auch die Arbeitsbedingungen sind extrem schlecht: Tausende Feldarbeiter erkranken etwa jährlich, weil im Baumwollanbau Pestizide genutzt werden.

Das Gift soll eigentlich Schädlinge bekämpfen, schadet aber auch den Arbeitern: ihren Augen, der Haut und den Atemwegen. Arbeiter, die per Sandstrahltechnik Jeanshosen einen "used look" verpassen müssen, haben ein erhöhtes Risiko, an einer Staublunge zu erkranken.

Zudem sparen viele Unternehmen am Bau ihrer Fabriken: So können die Gebäude etwa Statikprobleme aufweisen, wenn Etagen ohne Genehmigung gebaut und minderwertige Baustoffe verarbeitet worden sind. Der Feueralarm funktioniert vielerorts nicht und die Notausgänge sind selten feuersicher.

In der Vergangenheit führten solche Probleme bereits zu schweren Unfällen mit zahlreichen Toten: 2013 stürzte in Bangladesch zum Beispiel die Textilfabrik Rana Plaza ein. Mehr als 1000 Menschen starben, mehr als 2000 wurden verletzt. Sie hatten vor allem für europäische Ketten wie Primark, Mango oder Kik Kleidung hergestellt. Seitdem gelten zumindest in Bangladesch schärfere Sicherheits- und Gesundheitsstandards, doch oft sind sie trotzdem noch ungenügend.

Maik Pflaum kritisiert: "Die großen Bekleidungsunternehmen nehmen es sehenden Auges hin, dass Menschen und Arbeitsrechte verletzt werden. Sie wollen den maximalen Gewinn rausholen."

Viele Menschen sind um die eingestürzte Textilfabrik Rana Plaza versammelt, Archivbild

Die eingestürzte Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch

Imagepflege mit fairer Kleidung?

Es gibt aber auch Lichtblicke: Unternehmen wie C&A, Otto oder Tchibo bemühen sich, ihre Lieferketten offenzulegen. Bei der Produktion eines Kleidungsstückes sind oft bis zu 100 Arbeitsschritte nötig, vom Pflücken der Baumwolle bis zum fertigen Produkt. Dabei können Produktionsstätten überall auf der Erde beteiligt sein.

Nachhaltigkeitsmanager, zum Beispiel von Otto, reisen mehrfach im Jahr um die Welt, um die Arbeitsbedingungen vor Ort zu kontrollieren. Sie prüfen nicht nur, ob die Arbeiterinnen und Arbeiter ausreichend bezahlt werden, sondern auch, ob es genug Ruhepausen gibt und die Fabriken mit genügend Fluchtwegen und Brandschutzvorrichtungen ausgestattet sind.

Inzwischen haben auch andere Unternehmen erkannt, dass es wichtig für das Image ist, mit fair produzierten Produkten zu werben. Kritiker bezweifeln bei manchen, dass es ihnen wirklich um die Sache geht, sondern dass sie eher ein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgeben wollen.

T-Shirts mit der Aufschrift "Certified Responsibility" hängen auf Kleiderbügeln

Auch einige große Modehäuser verkaufen fair gehandelte Kleidung

Kleine Labels achten oft auf faire Kleidung

In den vergangenen Jahren sind viele kleinere Unternehmen entstanden, die sich auf fair produzierte Mode konzentrieren. Wie das Label "Native Souls" in Essen: "Wenn ich Billigsachen aus Sweatshops kaufen würde, könnte ich es viel billiger haben", sagt Geschäftsinhaber Daniel Schmitz. Mit Sweatshops meint er Ausbeutungsbetriebe in der Textilindustrie.

Native Souls legt seinen kompletten Produktionsweg offen: Das Inhaberehepaar fliegt alle vier bis fünf Monate zur Spinnerei und Näherei nach Sri Lanka, um sicherzugehen, dass die Bedingungen nach wie vor fair sind. Sie achten auch darauf, dass die Unternehmen Toiletten, Umkleide- und Pausenräume, kostenloses Trinkwasser und warmes Mittagessen bereitstellen.

Ähnlich agiert "Hessnatur" aus Butzbach in Hessen. Die Modemarke produziert und vertreibt Kleidung aus Naturstoffen und wurde im Jahr 2005 als erstes deutsches Unternehmen Mitglied der "Fair Wear Foundation". Hessnatur ist an mehreren ökologischen und sozialen Projekten beteiligt, zum Beispiel beim Anbau von Bio- und Fairtrade-Baumwolle in Burkina Faso.

Auch das Modelabel "Armedangels" aus Köln, das Kleidung aus biologischen oder recycelten Materialien produziert, ist seit 2015 Mitglied der "Fair Wear Foundation".

Fair gehandelte Mode im "Green and Fair"-Laden in Münster

Viele kleine Bekleidungsläden bieten fair gehandelte Mode an

Siegel für faire Kleidung

Für faire Produktionsbedingungen bei Kleidung können die Konsumenten auf mehrere Siegel achten:

Das Textilsiegel Global Organic Textile Standard (GOTS) sichert vor allem ökologische Standards wie die Einhaltung von Umweltkriterien. Außerdem müssen soziale Kriterien erfüllt werden. Auch Native Souls, Armedangels und Hessnatur sind GOTS-zertifiziert.

Grundlage für diese sind die Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Diese umfassen unter anderem sichere und hygienische Arbeitsbedingungen, Vereinigungsfreiheit und das Verbot von Kinderarbeit.

Das Siegel "Fairtrade cotton" garantiert ebenfalls faire Arbeitsbedingungen und fördert den Umstieg auf biologischen Anbau. Das Siegel überprüft aber nur faire Arbeitsbedingungen in der Baumwollproduktion. Das Siegel "Fairtrade Textile Production" hingegen kennzeichnet Produkte, bei denen die gesamte Produktionskette kontrolliert wird.

An einem Faden hängen zwei Schildchen: GOTS und fair produziert

Kleidung mit dem GOTS-Siegel wurde fair hergestellt

"Grüner Knopf" – ein staatliches Textilsiegel

Im September 2019 startete das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das Siegel "Grüner Knopf". Dieses soll nachweisen, dass Firmen die Menschenrechte bei den Produzenten schützen und Umwelt- und Sozialstandards einhalten.

Doch es gibt auch Kritik: Die "Kampagne für saubere Kleidung" bemängelt, dass nicht klar ist, wie die Kriterien und die Nachweisführung in der Praxis umgesetzt werden. Denn der "Grüne Knopf" bezieht sich zum größten Teil auf Siegel und Labels, die sich die Firmen selbst gegeben haben. Einem staatlichen Siegel sollten aber unabhängige Kontrollen zugrunde liegen.

Außerdem gilt der "Grüne Knopf" automatisch für Produkte, die in der Europäischen Union (EU) hergestellt werden, obwohl in Bulgarien und Rumänien die Arbeiter oft schlecht bezahlt werden.

Durch die Maßnahmen in Folge der Corona-Pandemie gerieten auch die Zulieferer der Textil- und Bekleidungsindustrie in eine tiefe Krise. Manche Bekleidungsunternehmen wie C&A stornierten bereits getätigte Aufträge in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro und erklärten sich erst nach massivem öffentlichem Druck bereit, für diese Aufträge dann doch zu bezahlen.

Siegel "Grüner Knopf" auf einem Kleidungsstück

Der "Grüne Knopf" soll ein unabhängiges staatliches Siegel für fair gehandelte Kleidung sein

(Erstveröffentlichung 2016. Letzte Aktualisierung 09.12.2020)

Quelle: WDR

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