Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch

Kunst

Expressionismus

Der Expressionismus ist eine Stilrichtung in der Kunst. Er soll nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern vor allem die Gefühle und persönlichen Erfahrungen der Künstler. Als Hochphase des deutschen Expressionismus gilt die Zeit von 1905 bis 1925.

Von Josiane Speckenwirth

Der Begriff Expressionismus kommt vom lateinischen Wort "expressio", zu Deutsch "Ausdruck". Das beschreibt das Ziel der Expressionisten: Sie wollten ihre eigenen Gefühle ausdrücken. Innere Empfindungen statt tatsächlicher Wirklichkeit – das war ein großer Gegensatz zu anderen damals bekannten Kunstrichtungen, in denen die Welt möglichst naturgetreu abgebildet werden sollte. Eines der berühmtesten expressionistischen Gemälde ist Edward Munchs "Der Schrei".

Zu den bekanntesten Künstlern des Expressionismus zählen in der Literatur die Schriftsteller Georg Heym und Gottfried Benn, in der Musik die Komponisten Béla Bartók und Arnold Schönberg sowie in der Kunst die Maler Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Franz Marc und August Macke.

Gemälde "Turm der Blauen Pferde" (1913) von Franz Marc

Gemälde "Turm der Blauen Pferde" von Franz Marc

Im Vergleich zu anderen Epochen schrieb der Expressionismus keine bestimmten Regeln vor: So probierten sich die Künstler in neuen Techniken aus und experimentierten mit zahlreichen Elementen, um ihre intensiven Gefühle zu vermitteln.

Der Expressionismus fand sich neben Literatur, Kunst und Musik auch in anderen Lebensbereichen wieder: in Theaterstücken, Architektur und auch in Film und Fotografie.

Die ersten expressionistischen Arbeiten entstanden ungefähr ab 1890 in Frankreich, dann kam der Expressionismus auch nach Deutschland, wo diese Kunstrichtung von 1905 bis 1925 ihre Hochphase hatte.

Es war eine Zeit der großen Veränderungen. 1871 war das Deutsche Reich gegründet worden und die Industrielle Revolution hatte dafür gesorgt, dass viel mehr Menschen als früher in Großstädten lebten – und oft auch in Armut.

Gemälde "Leipziger Straße mit elektrischer Bahn”" von Ernst Ludwig Kirchner (1914)

Expressionistisches Gemälde "Leipziger Straße mit elektrischer Bahn" (1914)

Viele expressionistische Künstler kamen aus eher wohlhabenden Familien, doch sie waren mit deren Art zu leben und ihren Ansichten und Werten nicht mehr einverstanden. Sie fanden, dass die Kunstwerke ihrer Zeit die Gefühle der Menschen nicht ausreichend darstellten. Also zeigten sie in ihren Werken alles, was sie beschäftigte – und vor allem das, was ihnen Angst machte: Orientierungslosigkeit, der Weltuntergang, Krankheiten, Tod und Krieg.

Ein häufiges Thema war auch die Großstadt. Viele Menschen zogen vom Land in die Stadt, um Arbeit zu finden. Städte wuchsen zu kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Zentren an. Damit veränderte sich das Leben vieler Menschen. Sie hatten das Gefühl, weder ihre Nachbarn richtig zu kennen noch sich selbst.

Allein und anonym in der Großstadt – dazu kamen jede Menge Lärm, Schmutz, Hektik und Chaos. Viele Menschen fühlten sich auch überfordert vom technischen Fortschritt. Der expressionistische Schriftsteller Georg Heym beschrieb das Leben in der Großstadt in seinem Gedicht "Die Stadt" von 1911 zum Beispiel so:

Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt,
Unzählig Menschen schwemmen aus und ein.
Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein
Eintönig kommt heraus in Stille matt.

Georg Heym, Dichter (Geburtstag 30.10.1887)

WDR ZeitZeichen 30.10.2012 14:00 Min. Verfügbar bis 28.10.2092 WDR 5


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1914 begann dann der Erste Weltkrieg. Zunächst waren viele Expressionisten noch begeistert, denn sie erhofften sich vom Krieg einen Neustart – eine Chance, um als Gemeinschaft wieder zusammenzuwachsen. Einige Künstler meldeten sich sogar freiwillig für den Kriegsdienst. Andere lehnten den Krieg von Anfang an ab. Darunter waren die Schriftstellerin Hedwig Dohm und die Künstlerin Käthe Kollwitz.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs folgte die Weimarer Republik. Sie brachte eine Zeit des Aufschwungs in Wirtschaft und Kultur: die so genannten Goldenen Zwanzigerjahre. Für kurze Zeit drückten auch die expressionistischen Werke wieder mehr Hoffnung aus.

Doch 1933 kamen Adolf Hitler und die Nationalsozialisten an die Macht. Sie verboten die Werke von expressionistischen Künstlern und bezeichneten sie als "Entartete Kunst". Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde das Verbot wieder aufgehoben. Heute widmen sich viele Ausstellungen der expressionistischen Kunst. Das ehemalige Wohnhaus von August Macke in Bonn ist mittlerweile ein Museum.

Bild "Tanz um das Goldene Kalb" von Emil Nolde

"Tanz um das Goldene Kalb" von Emil Nolde – einem der bekanntesten Expressionisten

(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 29.04.2024)

UNSERE QUELLEN

  • Eigenes Interview mit Christina Danick, Kuratorin im Museum Ostwall im "Dortmunder U", 05.03.2024
  • Thomas Anz: "Literatur des Expressionismus", Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2010
  • Ashley Bassie: Expressionismus, Parkstone International, New York, 2012
  • Sabina Becker: "Kreuzzug des Geists zur Rettung des Menschen: Die Expressionisten und der Erste Weltkrieg", KulturPoetik, 2016, Bd. 16, H. 2 (2016), pp. 205-226, Published by: Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG)
  • Frank Krause: "Literarischer Expressionismus", V&R Academic, 2015.
  • Lebendiges Musem Online (LeMO): "Erster Weltkrieg. Kunst und Kultur". Abgerufen am 05.03.2024.

Quelle: WDR

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