Nationalsozialistische Rassenlehre
"Entartete Kunst"
1937 begann in München die nationalsozialistische Propaganda-Ausstellung "Entartete Kunst". Sie stellte Kunst an den Pranger, die den Nazis nicht ins Konzept passte. Die betroffenen Künstlerinnen und Künstler wurden systematisch ausgegrenzt und verfolgt.
Von Ulrich Baringhorst
Dabei hatte das Nazi-Regime selbst nicht mit diesem enormen Besucherandrang für die Ausstellung "Entartete Kunst" gerechnet: Mehr als drei Millionen Menschen sahen die verleumderische Propagandaschau.
Nach der Ausstellungseröffnung in München war die Schau in den folgenden drei Jahren in mehreren großen deutschen Städten zu sehen. Sie umfasste mehr als 650 Gemälde, Skulpturen und Grafiken der bedeutendsten deutschen Künstler der klassischen Moderne.
Die Inszenierung der Ausstellung "Entartete Kunst" enthüllt das ganze Spießertum der Nationalsozialisten. Sie offenbart eine tiefe Angst und den Hass auf jede Form von Individualismus und Lebensfreude.
Das Konzept war einfach und wirkungsvoll: Zeitgleich mit der Ausstellung "Entartete Kunst" wurde die "Große Deutsche Kunstausstellung" eröffnet. Diese Ansammlung von unsäglichem Nazikitsch wurde dem Publikum als "rassisch wertbeständige deutsche Kunst" angepriesen.
"Volksgenosse bilde dir selbst dein Urteil", hieß das Motto. Hier die "kranke" Kunst der "Systemzeit", womit man die Weimarer Republik meinte, dort die "gesunde" deutsche Kunst des Nationalsozialismus.
Hitler als Ritter in Rüstung auf dem Pferd – diese Art Kunst war erwünscht
Man sprach vom "gesunden Volksempfinden" und traf damit ins Zentrum der deutschen Spießerseele. Um die Schau- und Sensationslust des Publikums anzustacheln, wurden "Schreckenskabinette" und "Gruselkammern" eingerichtet.
Jugendlichen war der Besuch der Ausstellung "Entartete Kunst" in der Regel verboten, etwa in Karlsruhe mit Hinweis auf die Einrichtung eines "erotischen Kabinetts" mit "obszönen Zeichnungen".
Alles was vor 1933 an moderner Kunst in Deutschland existierte, wurde von den Nationalsozialisten vehement abgelehnt, zensiert oder vernichtet.
Ob abstrakt oder gegenständlich, die Landschaften und Porträts August Mackes, die expressionistischen Gemälde der populären Künstlergruppe "Die Brücke"; ob Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff, ob Käthe Kollwitz' Grafiken gegen soziale Ungerechtigkeit, ob die beißende Sozialkritik von Max Beckmann, Otto Dix oder George Grosz: Sie alle wurden in der gleichen Weise diffamiert.
"Möge man leiser reden, es ist ein Sterbender im Zimmer. Die sterbende deutsche Kultur, sie hat im Innern Deutschlands nicht einmal mehr Katakomben zur Verfügung. Nur noch Schreckenskammern, worin sie dem Gespött des Pöbels preisgeben werden soll; ein Konzentrationslager mit Publikumsbesuch. Das wird toll und immer toller."
Mit diesen düster-bitteren Worten kommentierte der vor den Nazis in die USA geflohene deutsche Philosoph Ernst Bloch die Eröffnung der Ausstellung "Entartete Kunst" in München.
Auch bestimmte Arten von Musik galten als "entartet"
(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 04.06.2020)
Quelle: WDR