Heute leben in Südtirols Hauptstadt rund 100.000 Menschen, etwa ein Viertel sind deutsche Muttersprachler und drei Viertel Italiener. Der ladinisch sprechende Anteil der Einwohner liegt unter einem Prozent.
Anfang der 1990er Jahre galt Bozen noch als Stadt, in der gleich nach dem Abendessen "die Bürgersteige hochgeklappt" wurden. Inzwischen kommen dort auch Nachtmenschen mit einer Vorliebe fürs "Bar-Hopping" auf ihre Kosten.
Handelszentrum, Touristenmagnet, Kulturenmix – Bozen gestern und heute
"Bei heiterem Sonnenschein kam ich nach Bozen", beschreibt Goethe in seiner "Italienischen Reise" 1786 seine Ankunft in der Stadt. "Die vielen Kaufmannsgesichter freuten mich beisammen. (…) Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Körben..."
Goethe reiste damals vom Brenner an und noch heute hat man von dort aus einen schönen Blick auf die Altstadt und die Gipfel des Rosengartens, ein Bergmassiv der Südtiroler Dolomiten.
Die Besucher, die sich Bozen vom Eisacktal, von Meran oder vom Süden aus nähern, erleben die Stadt dagegen erstmal von ihrer weniger attraktiven Seite: Sie fahren durch ein tristes Gemisch aus Industrieanlagen, Eisenbahnschienen und heruntergekommenen Wohnblocks.
Aber die Weiterfahrt lohnt sich: Bozen ist heute nach Jahren des Dornröschenschlafes wieder das, was es schon zu Goethes Zeiten war: eine pulsierende Handelsstadt mit mediterranem Flair, in der Nord und Süd aufeinandertreffen.
Schon im 19. Jahrhundert macht sich Bozen als Luftkurort einen Namen und zieht Besucher aus ganz Europa an, was die Stadt zum einen ihrer einmaligen Lage im Herzen der Alpen, zum anderen dem Ausbau des Eisenbahnnetzes zu verdanken hat.
Der Faschismus ist auch aus städtebaulicher Sicht ein tiefer Einschnitt: Die Industriezone wächst, neue Stadtteile mit breiten Straßen und monumentalen Gebäuden entstehen, die im krassen Gegensatz zur Altstadt mit ihren verwinkelten Gässchen stehen. Der italienische Diktator Benito Mussolini (1883 bis 1945) lockt damals Tausende von italienischsprachigen Arbeitskräften nach Bozen.
Obwohl die deutsch- und italienischstämmigen Einwohner heute in der Regel gut miteinander auskommen und arbeiten, ist es wohl eher ein friedliches Nebeneinander als eine echte Gemeinschaft. Was sich nicht zuletzt an den Stadtteilen festmachen lässt: Die Altstadt diesseits der Talfer ist immer noch fest in der Hand deutscher Muttersprachler. Jenseits der Talfer in den neuen Stadtteilen wohnen fast ausschließlich Italiener.
In der Altstadt leben mehr deutsche Südtiroler
Bozen auf dem Weg zur "Stadt von Welt"
Die gemütliche Altstadt, der legendäre Obstmarkt oder die Lauben, eine Einkaufsmeile mit eleganten Geschäften unter alten Rundbögen – diese Highlights in Bozen wissen nicht nur die Touristen, sondern auch die Einheimischen zu schätzen.
Dass in der Stadt aber seit den 1990er Jahren wieder neues Leben pulsiert, dass das kulturelle Angebot wächst und sie mehr und mehr zum internationalen Treffpunkt wird, dazu dürfte vor allem die 1997 gegründete Freie Universität Bozen beigetragen haben. Unterrichtet wird dort auf Deutsch, Italienisch und Englisch. Spätestens mit den Studenten ist wohl auch Bozens lange Zeit brachliegendes Nachtleben wieder in Schwung gekommen.
Relativ neu ist auch das "Messegelände Bozen" im Süden. 1998 eröffnet, zieht die Messe Unternehmer aus den Alpenländern und von weiter her an.
Dass Bozen inzwischen auch weltweit bei Wissenschaftlern und Archäologen als lohnendes Reiseziel bekannt ist, hat es einem Mann zu verdanken, der vermutlich im Jahr 3340 vor Christus eines unnatürlichen Todes starb: Ötzi, der Mann aus dem Eis, bei Engländern und Amerikanern unter dem Namen "Frozen Fritz" bekannt.
Die am besten erhaltene Mumie ihrer Zeit, die ein deutsches Ehepaar am Tisener Joch auf 3210 Metern Höhe gefunden hatte, ruht seit 1998 gut gekühlt im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen und lockt jährlich viele tausend Besucher an.
Ötzi lockt Besucher aus der ganzen Welt nach Bozen
(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 29.09.2020)
Quelle: WDR