Südosteuropa

Albanien

Diskriminierung, Armut und Korruption – Albanien hat mit vielen Problemen zu kämpfen. Doch politische Reformen sorgen langsam für eine positive Entwicklung. Seit 2014 ist das Land offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union.

Von Katharina Bueß

Geschichte Albaniens

Die ersten freien Wahlen in Albanien fanden 1991 statt. Seitdem sind in dem Staat auf der Balkanhalbinsel grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien in der Verfassung verankert. Zum Beispiel parlamentarische Demokratie, Gewaltenteilung und Grundrechte. Mehr als 40 Jahre lang hatte zuvor die kommunistische "Partei der Arbeit Albaniens" unter Enver Hoxha geherrscht.

Zunächst war Albanien in enger Beziehung zur Sowjetunion, seit 1961 Partner der Volksrepublik China, darauf folgte eine lange Phase in außenpolitischer Isolation. Nach dem Tod Hoxhas im Jahr 1985 dauerte es weitere fünf Jahre, bis das kommunistische Regime gestürzt wurde und eine Öffnung des Landes folgte.

Die parlamentarische Republik in ihrer heutigen Form beruht auf der Verfassung von 1998. Seit 2013 wird Albanien von Ministerpräsident Edi Rama (Sozialistische Partei) regiert.

Heute ist Albanien Mitglied der NATO und der Vereinten Nationen. Es gehört nach wie vor zu den ärmsten Ländern Europas. Das albanische Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt liegt mit 5.261 US-Dollar ganze 40 Prozent unter dem EU-Durchschnitt. Der monatliche Durchschnittslohn beträgt um die 400 Euro brutto. Die Arbeitslosenquote lag 2018 offiziell bei 13,7 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit deutlich darüber, bei rund 30 Prozent.

Geplanter EU-Beitritt

Seit dem 24. Juni 2014 ist Albanien offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union (EU). Im März 2020 entschieden die Europaminister der 27 EU-Staaten, konkrete Beitrittsverhandlungen mit dem Land aufzunehmen.

2009 hatte Albanien den Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Nach jahrzehntelanger Isolation strebt das Land schon seit Längerem eine Integration in die EU an; neben Deutschland gelten Griechenland und Italien als enge Partner Albaniens.

Albanien auf dem Weg in die EU | Bildquelle: SWR

Mangelnde Reformen und innenpolitische Probleme galten jedoch lange als Hürden. Die organisierte Kriminalität müsse effektiver bekämpft werden, meinten Kritiker. Korruption ist an der Tagesordnung, zum Beispiel an staatlichen Schulen und Universitäten.

Das schlechte Niveau in den Bildungseinrichtungen führt dazu, dass zunehmend private Schulen gegründet werden, die sich die Mehrheit der Bürger jedoch nicht leisten kann.

Mangelnde Reformen und Korruption

Im Länderranking zum Korruptionsindex von der Organisation "Transparency International" lag Albanien 2019 auf Platz 106 von 180 untersuchten Ländern – hinter Ländern wie China, Äthiopien oder der Türkei.

Neben der Beseitigung der Korruption lautet eine weitere Forderung für einen zukünftigen EU-Beitritt, die Infrastruktur zu verbessern. So sind viele Straßen nur mit Geländewagen passierbar.

Eine in Aussicht gestellte EU-Mitgliedschaft für die Balkanländer Albanien, Mazedonien, Serbien und Montenegro soll unter anderem verhindern, dass es in der Region wieder zu Konflikten kommt. Der Frieden seit den Jugoslawienkriegen der 1990er-Jahre ist noch relativ jung.

Albanien war nicht an den Konflikten beteiligt und galt als Stabilitätsfaktor, lag jedoch als Nachbarland in unmittelbarer Nähe. Es nahm während des Kosovokriegs eine große Zahl von Flüchtlingen auf.

Viele Straßen Albaniens sind nur schwer zu befahren | Bildquelle: SWR

Bevölkerung und Religion

Rund 2,8 Millionen Menschen leben in Albanien. Etwa 57 Prozent von ihnen bezeichnen sich als Muslime; rund 17 Prozent als orthodoxe und katholische Christen. Im Kommunismus war die Religionsausübung verboten, erst nach der Wende 1990 wurde das Verbot aufgehoben.

Laut Schätzungen leben bis zu 100.000 Griechen in Albanien, insbesondere im Süden des Landes nahe der griechischen Grenze. Ebenfalls im südlichen Albanien leben um die 50.000 Aromunen, die überwiegend aromunisch sprechen, eine auf dem südlichen Balkan weit verbreitete romanische Sprache.

Die größte Minderheit sind mit geschätzt bis zu 150.000 Einwohnern die Roma.

Sinti und Roma werden in Albanien stark diskriminiert | Bildquelle: SWR

Armut und Antiziganismus

Die Mehrheit der Roma hat ein geringes Bildungsniveau und lebt in Armut und sehr schlechten Wohnverhältnissen. Roma leben häufig vom Handel mit Abfallstoffen.

Den Grund für die sozio-ökonomische Benachteiligung der Roma auf dem West-Balkan sieht der Zentralrat deutscher Sinti und Roma in dem weit verbreiteten Antiziganismus sowie der daraus resultierenden Diskriminierung.

Auf weitere innenpolitische Probleme weist die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" hin. Sie rügt Polizeigewalt, organisierte Kriminalität und familiäre Gewalt, die sich meist gegen Frauen richtet.

Zwischen Adria und Mazedonien

Die Fläche Albaniens entspricht etwa der Belgiens. Das Land liegt an der Adria und dem Ionischen Meer, grenzt im Norden an Montenegro, im Osten an Kosovo und Mazedonien und im Süden an Griechenland.

An der Mittelmeerküste wachsen Palmen und Zitrusfrüchte, Pinien und Olivenbäume. Hier befinden sich zahlreiche Strände, Lagunen und beliebte Urlaubsorte, das Klima ist mediterran mit warmen Sommern und milden Wintern.

Das Innere des Landes und der Norden sind bergig mit kontinentalem Klima und kalten bis sehr kalten Wintern. Die Hälfte des Landes liegt mehr als 600 Meter über dem Meeresspiegel.

Küstenabschnitt an der albanischen Riviera | Bildquelle: SWR

Hohe Berge, wachsende Städte

In den Bergen und 14 Nationalparks leben seltene Tierarten wie Luchse, Wölfe und sogar Braunbären. Durch Jagd, Fischerei, Umweltverschmutzung und die Zerstörung des Lebensraums der Tiere ist die Artenvielfalt jedoch rückläufig.

Höchster Berg Albaniens ist mit fast 2.800 Metern der Maja e Korabit, er liegt an der östlichen Grenze zu Mazedonien. Besiedelt sind überwiegend die Täler, in den höheren Regionen leben nur wenige Menschen.

Die Städte wachsen stark, während kleine Dörfer und ländliche Regionen Einwohner verlieren und zunehmend veröden. Die Einwohnerzahl der Hauptstadt Tirana ist seit 1990 gestiegen und beträgt etwa 625.000 Menschen.

Erdbeben von 2019

Rund 30 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Tirana kam es im November 2019 zu einem Erdbeben der Stärke 6,4. Dabei starben 51 Menschen, bis zu 3.000 wurden verletzt. Zahlreiche Gebäude wurden beschädigt oder zerstört. Das stärkste Erdbeben in der Region seit Jahrzehnten verursachte einen Sachschaden von fast einer Milliarde Euro.

Notunterkunft nach dem Erdbeben in Tirana | Bildquelle: Imago