Nahaufnahme der iranischen Flagge

Naher und Mittlerer Osten

Iran

Die iranische Geschichte der vergangenen hundert Jahre ist einerseits geprägt von dem Wunsch, sich der westlichen Moderne zu öffnen, andererseits von dem Bedürfnis, religiöse Traditionen zu bewahren.

Von Sabine Kaufmann und Martina Frietsch

Die Dynastie der Pahlavi

Schah Mohammed Reza Pahlavi wollte sein Land zwangsverwestlichen. Seine Nachfolger – die religiösen Fundamentalisten unter Ruhollah Khomeini – versuchten das Rad in Sachen Religion und Gesetz wieder zurückzudrehen.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Persien von den europäischen Großmächten England und Russland dominiert. Die konstitutionelle Monarchie, die 1905 die bis dahin absolutistisch regierende Dynastie der Kadscharen abgelöst hatte, blieb schwach.

Reza Chan, ein Oberst der Kosakenbrigade, machte sich durch den Staatsstreich von 1921 zuerst zum Kriegsminister und zwei Jahre später zum Premier. Durch die Reorganisierung der Streitkräfte und die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht wurde das Militär zu seiner Machtbasis.

1925 ließ sich Reza Chan zum Schah krönen und wählte Pahlavi als Namen für seine Dynastie (Reza Schah Pahlavi).

Reza Schah Pahlavi, der Schah von Iran, in Galauniform (1937)

Gründer der Pahlavi-Dynastie: Reza Schah Pahlavi

Sein Ziel war es, den Iran von einem agrarisch geprägten Land in eine Gesellschaft nach westlichem Vorbild umzubauen. In kurzer Zeit setzte er vielfältige Reformen durch, zu denen die Entwicklung der Industrie, die Säkularisierung des Rechts- und Bildungswesens und die Sesshaftmachung der Nomaden gehörten.

Tiefgreifender Einschnitt in das Leben der einfachen Leute war die Zwangsverwestlichung. Frauen wurde es 1936 verboten, einen Schleier zu tragen. Der bis dahin einflussreiche Klerus sollte sich auf rein religiöse Themen und Tätigkeiten beschränken. Ab 1935 hieß das Land nicht mehr Persien, sondern Iran – "Land der Arier" – benannt nach den Vorfahren, die es ursprünglich besiedelt hatten.

Außenpolitisch wurde der Iran lange Zeit von den beiden Großmächten Großbritannien und Russland beherrscht, die sich erstens durch die Ausbeutung des Öls ökonomisch am Iran bereichern und zweitens ihren politischen Einflussbereich im Mittleren Osten ausweiten wollten. 1907 hatten sie den Iran in drei Zonen aufgeteilt, die ihren Interessenssphären entsprachen. Die nördliche Zone war russisch, die südliche britisch beherrscht. Dazwischen gab es eine neutrale Pufferzone.

Schah Reza Pahlavi scheiterte an dem Versuch, die Dominanz Großbritanniens und der Sowjetunion zu brechen und während des Zweiten Weltkrieges die Neutralität des Landes zu bewahren. 1941 marschieren die zwei Großmächte in den Iran ein. Sie zwangen Reza Chan zur Abdankung und machten seinen Sohn Mohammed Reza zum Herrscher über den Iran.

Schah Mohammed Reza Pahlavi

Der neue Schah, der die Unterstützung der Westmächte hatte, besonders der USA und Großbritanniens, geriet Anfang der 1950er-Jahre in Konflikt mit dem frei gewählten Premier des Landes, Mohammad Mosaddegh. Der iranische Premierminister führte eine nationalliberale Koalition an mit dem Ziel, die anglo-iranische Ölgesellschaft zu verstaatlichen, die unter der Vorherrschaft der Briten stand.

Dieser Versuch endete mit dem Boykott Irans durch fast alle namhaften Ölgesellschaften. Der Iran konnte kein Öl mehr fördern und geriet in finanzielle Not.

In dieser Krise floh der Schah ins Ausland, kehrte aber 1953 wieder in den Iran zurück, nachdem Mosaddegh mit Unterstützung der USA durch das iranische Militär abgesetzt worden war. Die Abhängigkeit vom Westen stieg weiter.

Schah Mohammed Reza Pahlavi und seine Frau Soraya werden vor dem Weißen Haus vom US-Präsidenten Eisenhower und seiner Frau Mamie begrüßt (1954)

Der Schah mit seiner Frau Soraya bei einem Staatsbesuch in den USA

Während des Kalten Kriegs ging es den USA darum, den Iran als Außenposten gegen den Kommunismus in die westliche Hemisphäre einzubinden. Gestützt auf den Ölreichtum und die Petrodollars des Landes vergrößerte und modernisierte der Schah mithilfe der USA seine Streitkräfte und förderte die Industrialisierung des Landes.

Innenpolitisch setzte der Schah auf die Gleichberechtigung der Geschlechter, führte das Frauenwahlrecht und ein liberaleres Scheidungsrecht ein. Die Verwestlichung des Landes ging zunehmend zu Lasten des Klerus. Die öffentliche Religiosität im Land wurde zurückgedrängt, was immer mehr gläubige Iraner und den Klerus brüskierte.

Mohammed Reza Pahlavi entfernte sich immer weiter von der eigenen iranischen Bevölkerung und den Verhältnissen im Land. Zusammen mit einem Hofstaat lebte er in einer Luxuswelt, die märchenhafte Züge annahm. Der Ölreichtum des Landes und der wirtschaftliche Aufschwung kamen nur wenigen Iranern zugute.

Sitzstreik vor dem Rathaus Berlin-Schöneberg 1967 gegen den Staatsbesuch des persischen Schahs

Der Staatsbesuch des Schahs sorgte 1967 in Deutschland für Massenproteste

Auch hatte der Schah jegliche demokratische Mitbestimmung und Meinungsäußerung in Iran verhindert, sodass sich sogar die westlich gesinnten Iraner gegen ihn stellten. Religiöse Opposition blieb die einzige Form von Widerstand, die in Iran möglich war. Der Sturz des Schahs war unausweichlich.

Am 16. Januar 1979 musste der Schah fluchtartig das Land verlassen. Der einst im Ausland hoch angesehene Monarch fand zunächst kein Land, das ihm und seiner Familie Zuflucht gewährte. Ägypten erklärte sich schließlich bereit, die Pahlavis aufzunehmen.

Ayatollah Khomeini

Am 1. Februar 1979 kehrte Ruhollah Musawi Khomeini aus seinem Pariser Exil in den Iran zurück. Begeistert wurde er von den Massen am Flughafen von Teheran empfangen. Als religiöse Autorität (Ayatollah) führte er die islamische Revolution an, die den Iran fundamental veränderte.

Ayatollah Khomeini war der Sohn kleiner Landeigentümer. Er hatte im geistlichen Zentrum Ghom studiert und gelehrt. Unter der Herrschaft von Mohammed Reza Pahlavi hatte man ihn ins Exil gezwungen.

Bereits in den 1960er-Jahren hatte er die Absetzung des Schahs gefordert. Durch die Rückbesinnung auf den Islam, die eine mächtige Waffe im Kampf gegen den Schah war, und durch die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit konnte er schließlich die Massen hinter sich vereinen.

Innerhalb von zehn Jahren baute Ayatollah Khomeini ein repressives System in Iran auf. Zur Rückbesinnung auf den Islam gehörte auch, dass sich vor allem die Situation der Frauen extrem verschlechterte. Das islamische Gesetz (Scharia) wurde eingeführt. Das Tragen des schwarzen Ganzkörper-Schleiers (Tschador) wurde zur Pflicht, die Frau wurde gegenüber dem Mann rechtlich stark benachteiligt.

8.3.1979: Tausende Iranerinnen gegen den Schleierzwang

WDR Zeitzeichen 08.03.2024 14:43 Min. Verfügbar bis 09.03.2099 WDR 5


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Ayatollah Khomeini gelang es, die linke und liberale Opposition, die die Herrschaft der Geistlichen ablehnte, auszuschalten. In den 1980er-Jahren wurden viele Oppositionelle erschossen. Außenpolitisch war der Iran isoliert. Gerade auch in der arabischen Welt hatte der Iran viele Feinde.

Die Ursachen hierfür waren – und sind bis heute – vielfältig. Oftmals handelte es sich um alte Nachbarschaftskonflikte; für Konflikte sorgten auch die Unterstützung extremistischer islamischer Gruppen und entsprechend religiöse Unterschiede der verschiedenen islamischen Richtungen. Der Iran beanspruchte zudem die Vorherrschaft in der Golfregion und kündigte an, die Revolution "exportieren zu wollen".

Ayatollah Khomeini bei einem Gebet im Exil in Pontchartrain (1978).

Ayatollah Khomeini betet im Exil in Pontchartrain (1978)

Der Erste Golfkrieg

Eines der einschneidenden Ereignisse unter der Herrschaft Ayatollah Khomeinis war der Erste Golfkrieg. Im September 1980 überfiel der Irak den Iran. Den Angreifern ging es um die Vorherrschaft am Persischen Golf und letztlich um die Besetzung der iranischen Ölfelder im Süden des Landes.

Unterstützt wurde der Irak mit Waffenlieferungen aus dem Westen. Dennoch konnte der Iran die irakischen Truppen bald zurückdrängen, das Regime lehnte aber ein Friedensangebot ab. Die Kämpfe wurden brutal weitergeführt.

Nach acht Jahren endete der erste Golfkrieg mit einem Waffenstillstand. Einen Sieger gab es nicht. Die Bilanz des Krieges war erschreckend: Insgesamt eine Million Tote war auf beiden Seiten zu beklagen. Im Inneren nahmen während des Krieges die staatlichen Repressionen gegen das eigene Volk zu. Es kam zu einer erheblichen Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wissenschaft und Kultur bluteten aus. Viele, gerade intellektuelle Iraner emigrierten.

SW-Foto: Ein iranischer Soldat steht auf einem Gebetsteppich neben einem Kampfpanzer.

Der Erste Golfkrieg war einer der längsten und zerstörerischsten Kriege im 20. Jahrhundert

Der Iran nach Ayatollah Khomeini

1989 starb der große geistige Führer des Irans, Ayatollah Khomeini. Nach verschiedenen inneren Machtkämpfen trat Ali Chamenei als neuer religiöser Führer (Ayatollah) in die Fußstapfen seines Vorgängers.

Ali Chamenei bei einer Fernsehansprache zum 31. Todestags von Ayatollah Khomeini.

Ayatollah Chamenei ist seit 1989 das politische und religiöse Oberhaupt im Iran

Mehrere, eher gemäßigte Präsidenten (Akbar Haschemi Rafsandschani, Mohammad Chatami und Hassan Rouhani), nur dazwischen der Radikal-Konservative Mahmud Ahmadinedschad, gaben immer wieder den Anlass zur Hoffnung, die Macht der Mullahs könne zurückgedrängt werden.

Doch jegliche Reformen scheiterten an den Konservativen und der Macht der Mullahs. Immer wieder kam es seither zu Protestbewegungen, die allerdings bis heute nur leichte Lockerungen des strengen fundamentalistischen Regimes erreichen konnten. Die wahre Macht liegt im Iran nach wie vor in den Händen des obersten religiösen Führers.

Quelle: SWR | Stand: 29.06.2020, 15:00 Uhr

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