Als Haschisch und Cannabis noch legal waren
Im 19. Jahrhundert galten Haschisch, Cannabis und Alkohol in den USA als völlig legale Genussmittel. In den 1860er-Jahren gehörte Konfekt mit Ahornsirup und Haschisch zu den beliebtesten Süßigkeiten des Landes. Cannabis-Extrakte waren in allen Apotheken zu haben. Sie wurden auch Kindern verschrieben, obwohl die Rauschwirkung bestens bekannt war. In den 1880er-Jahren gab es zahlreiche Rauchsalons, die mit Hasch-Pfeifen um Konsumenten warben.
Doch ein Jahrhundert später war die allseits beliebte Hanfpflanze als Rauschmittel verdrängt, verdammt und verboten worden. Allein im Jahr 1990 wurden in den USA 390.000 Menschen wegen Marihuana-Besitz festgenommen. Was war passiert?
Im Januar 1920 begann in den USA die so genannte Prohibition: Der Konsum und Handel von Alkohol war nun per Gesetz verboten. Wer genug Geld hatte, konnte sich trotzdem Alkohol leisten – denn der wurde weiterhin verkauft, nur illegal. Die ärmere Bevölkerung dagegen stieg auf Marihuana um, wenn sie sich einen Rausch verschaffen wollte.

Von 1920 bis 1933 war Alkohol in den USA illegal
Anslingers Kampf gegen Cannabis
1933 dann wurden die Gesetze geändert: Cannabis war nun verboten, der Alkohol dagegen wieder erlaubt. Etwa 8000 Arbeitskräfte, Polizisten und Kontrollbeamte waren bisher für die Überwachung des Alkohol-Verbots zuständig gewesen und standen nun ohne Arbeit da. Das eigens eingerichtete Drogendezernat "Federal Bureau of Narcotics" widmete sich nun dem beginnenden Kampf gegen den Hanf.
Der Chef des Dezernats, Harry Anslinger, begann eine große Werbekampagne und Razzien gegen Cannabis. Tausende Amerikaner wurden wegen Cannabis-Beistz und Cannabis-Konsum zu hohen Geldstrafen und Gefängnisstrafen verurteilt.
Beim Kampf gegen Cannabis Kampf ging es von Anfang an um weit mehr als um die Gesundheit der Bevölkerung. Eine große Rolle spielten auch Geltungssucht, Misstrauen und Rassismus. Denn viele schwarze Amerikaner gehörten damals zu den Armen der Gesellschaft und konsumierten eher Cannabis als den teuren, zeitweise illegalen Alkohol.
Harry Anslinger vertrat zudem öffentlich die Meinung, dass es einen direkten Zusammenhang gebe zwischen krimineller Energie, Gräueltaten und Cannabis.

Harry Anslinger führte einen jahrzehntelangen Kampf gegen Cannabis
Seine Kampagne gegen Cannabis wurde staatlich geduldet, da sie eine Form der Kontrolle über solche Bevölkerungsgruppen ermöglichte, die als rebellisch und gefährlich eingeschätzt wurden. Dazu zählte zum Beispiel die amerikanische Jazz- und Swingszene, die den konservativen US-Politikern schon länger ein Dorn im Auge war. Ihre Musiker und Fans waren hauptsächlich schwarze Amerikaner.
Das "Cannabis-Problem" wurde von führenden Industriellen begierig aufgegriffen, da auf diese Weise der unliebsame Rohstoffkonkurrent Hanf bequem aus dem Wege geräumt werden konnte.
Besonders der Chemie-Konzern DuPont und der Waldbesitzer und Zeitungsmagnat Hearst förderten und finanzierten das "Bureau of Narcotics" in seinem großen Feldzug gegen den Hanf. Und das mit Erfolg: Im Jahr 1937 setzte der "Marihuana Tax Act" dem Hanfanbau in den USA schlagartig ein Ende.
Gesetzliche Auswirkungen bis heute
Der Feldzug gegen Cannabis war für Anslinger nur der Aufhänger zu einer weitaus größeren Aktion gegen das "heruntergekommene Amerika": Anslinger plante, in einer einzigen Nacht einen Großteil der afroamerikanischen Jazz- und Swingmusiker zu verhaften.
Zwischen 1943 und 1948 ließ er umfangreiche Dossiers über unzählige Musiker anlegen. Ihnen allen gemeinsam: Sie waren schwarz, sie spielten Jazz, sie rauchten Marihuana. Zu dieser umfassenden Verhaftungsaktion Anslingers kam es nie.
Weil Anslinger seine Ermittlungen geradezu fanatisch betrieb, wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Vereinten Nationen versetzt. Dort setzte er seine Anti-Cannabis-Kampagne fort. Seine Arbeit führte dazu, dass 1964 das internationale Abkommen "Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel ("Single Convention on Narcotic Drugs") in Kraft trat. Es ist noch immer gültig und klassifiziert Cannabis als eine der gefährlichsten Drogen der Menschheit.
Bis zum heutigen Tag ist das irrationale Element der mit extremer Härte geführten Anti-Hanf-Kampagne im US-amerikanischen und europäischen Denken spürbar. Aus dieser Geschichte der Hanf-Diffamierung lässt sich auch die Protestkultur der 68er-Bewegung erklären, die durch den Konsum von Cannabis ihrer Haltung gegen bestehende politische Verhältnisse Ausdruck verleihen wollte.

Cover einer "Anti-Marihuana"-Veröffentlichung
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 08.05.2020)
Quelle: SWR