Portrait der Widerstandskämpferin Annedore Leber

20. Juli 1944 – Attentat auf Hitler

Annedore Leber – eine deutsche Widerstandskämpferin

Sie war Schneiderin und Journalistin, Verlegerin und Politikerin. Ihr Mann Julius Leber kam als SPD-Politiker und Gegner Hitlers bereits 1933 in Haft. Annedore Leber kämpfte nicht nur für seine Freilassung, sondern war selbst im Widerstand aktiv.

Von Ana Rios

Eine Tochter aus gutem Hause

Annedore Leber wurde 1904 in Lübeck geboren und wuchs dort sehr behütet auf. Ihr Vater, ein Oberstudiendirektor, übernahm die Ausbildung seiner Tochter selbst, eine öffentliche Schule besuchte sie nie. "Alles wurde mir aus dem Weg geräumt", schrieb Annedore später im Rückblick auf ihre Kindheit.

Nach einem Jurastudium entschied sie sich für einen handwerklichen Beruf und wurde Schneidermeisterin. Diese Entscheidung war für ihre konservativen Eltern schwer zu verdauen.

Noch härter traf sie der Entschluss ihrer Tochter, Julius Leber zu heiraten, einen Sozialdemokraten und unehelichen Sohn einer Bäuerin aus dem Elsass. Später brachten sie ihrem Schwiegersohn wegen seiner ungebrochenen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten allerdings großen Respekt entgegen.

Der Kampf gegen Hitler

Dr. Julius Leber war Chefredakteur des "Lübecker Volksboten" und seit 1924 sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter. 1927 heiratete er Annedore, im selben Jahr trat sie in die SPD ein. Schon vor 1933 war Julius Leber ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten. Bereits im Februar 1933, kurz nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, wurde er von den Nationalsozialisten festgenommen und verbrachte vier Jahre in Haft.

Annedore versorgte die beiden gemeinsamen Kinder und arbeitete als Schneidermeisterin für den Unterhalt der Familie. Unermüdlich kämpfte sie für die Freilassung ihres Mannes und erreichte tatsächlich ihr Ziel: Julius Leber kam frei.

Nach seiner Entlassung konnte Julius Leber nicht mehr als Journalist und Politiker arbeiten. Er betrieb von da an eine Kohlenhandlung in Berlin-Schöneberg, die sich als Treffpunkt für Widerstandskämpfer anbot.

Annedore Leber war nicht nur über die Widerstandsarbeit ihres Mannes informiert, sie war auch an der Organisation und den Treffen mit Gegnern des Nationalsozialismus aktiv beteiligt. "Ich stand im Mittelpunkt des Geschehens", schrieb sie nach dem Krieg.

Der Widerstandskämpfer Julius Leber vor dem Volksgerichtshof

Der Widerstandskämpfer Julius Leber vor dem Volksgerichtshof

Kontakte zum Widerstandskreis des 20. Juli 1944

Auch zur Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 hatten die Lebers Kontakt. Der Kreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg plante das Attentat auf Hitler und den militärischen Umsturz. Julius Leber war in ihren Plänen für die Zeit nach der NS-Diktatur als Innenminister vorgesehen.

Um ein breites politisches Bündnis aufzubauen, suchte Leber mit weiteren Sozialdemokraten auch Kontakt zu kommunistischen Widerstandsgruppen. Dieses Vorgehen war unter den Widerstandskämpfern umstritten, weil bekannt war, dass die Treffen der Kommunisten von Spitzeln der Gestapo unterwandert waren.

Tatsächlich wurde Julius Leber ein solches Treffen zum Verhängnis: Von einem Spitzel verraten, wurde er Anfang Juli verhaftet – einige Wochen vor dem Attentat vom 20. Juli 1944. Nach dem gescheiterten Attentat kamen Hunderte von Menschen in Haft. Auch Annedore war mit ihren Kindern für mehrere Wochen in Sippenhaft, kam jedoch frei. Julius Leber wurde am 3. Januar 1945 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Außenaufnahme der Justizvollzugsanstalt Plötzensee

Im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee wurden viele Widerstandskämpfer hingerichtet

Kampf um das Erbe des deutschen Widerstands

Um sich und ihre Kinder ernähren zu können, verkaufte Annedore unmittelbar nach dem Krieg Kohlen. Doch bald arbeitete sie als Journalistin und gründete einen Verlag in der Kohlehandlung, die als Treffpunkt des Widerstands gedient hatte. Dort entstand ihre Zeitschrift "Mosaik" (1947-1949), die neben Kochrezepten und Modestrecken auch politische Artikel beinhaltete.

Annedore Leber wollte aufklären und ihre Leserinnen zum Mitwirken am Aufbau der Demokratie bewegen. Zusammen mit dem SPD-Politiker Willy Brandt brachte sie 1954 ein Buch heraus, das dem deutschen Widerstand ein Denkmal setzen sollte: "Das Gewissen steht auf. 64 Bilder aus dem deutschen Widerstand 1933-1945". Es folgten weitere Publikationen.

Über ihre Motivation schrieb sie 1953: "Es ist der Wert unserer abendländischen Kultur, dass der Einzelne aus der Reihe tritt, um für das Recht, Leben und die Seele des Mitmenschen einzustehen." Dazu unterstützte Annedore Angehörige ermordeter Widerstandskämpfer, die nach dem Krieg häufig mittellos waren. Leistungen staatlicher Wiedergutmachung erhielten die Hinterbliebenen nur mit Verzögerung oder gar nicht.

In Berlin wurde Annedore Leber zu einer geachteten Politikerin. Von 1963 bis 1967 war sie für die SPD Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Sie starb am 28. Oktober 1968.

Cover der Zeitschrift "Mosaik"

Cover von Annedore Lebers Zeitschrift "Mosaik"

Quelle: SWR | Stand: 03.12.2019, 17:40 Uhr

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