Sophie Scholl sitzt, Christoph Probst steht ihr gegenüber und notiert etwas auf einem Block. Beide schauen ernst. Im Hintergrund sind Bäume zu sehen.

Nationalsozialismus

Weiße Rose

Die wohl bekannteste Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime ist die "Weiße Rose", zu der auch die Geschwister Sophie und Hans Scholl gehörten. Ab 1942 rief die Gruppe in Flugblättern zum Widerstand auf. 1943 wurden die Mitglieder für ihre Aktionen hingerichtet.

Von Sabine Kaufmann und Meike Meyer

Die Entstehung der "Weißen Rose"

Die Weiße Rose war eher ein Freundeskreis als eine Organisation. Christoph Probst und Alexander Schmorell waren seit ihrer Schulzeit befreundet. Sie lernten Willi Graf und Hans Scholl während ihres Medizinstudiums 1941/42 an der Münchner Universität kennen. 1942 begann auch Sophie Scholl ihr Philosophie- und Biologiestudium und kam mit den Freunden ihres Bruders in Kontakt.

Sie trafen sich zu Lese- und Diskussionsabenden. Gemeinsam besuchten sie auch die Vorlesungen des Philosophie-Professors Kurt Huber, der schon mit den Nazis in Konflikt geraten war und der später ebenfalls ein aktives Mitglied der Gruppe werden sollte.

Anfänglich waren zumindest die Geschwister Scholl vom Nationalsozialismus durchaus noch angetan gewesen. Es waren die gemeinsamen Fahrten der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädels, das Gemeinschaftserlebnis und die Vorstellungen von Vaterland, die die jungen Leute ansprachen. Doch ihre frühe Begeisterung wich schnell grundsätzlicher Kritik.

Grundlage ihrer Aktionen waren christliche und humanistische Wertvorstellungen. Sie beschäftigten sich mit den Kirchenlehrern Augustinus und Thomas von Aquin sowie der Existenzphilosophie des dänischen Denkers Kierkegaard.

Hans Scholl ging es darum, ein "sichtbares Zeichen des Widerstandes von Christen zu setzen". Er wollte am Ende des Krieges nicht "mit leeren Händen vor der Frage stehen, was habt ihr getan".

Hans und Sophie Scholl sitzen auf einer Bergwiese. Sophie liest in einem Buch.

Geschwister Scholl: Liebe zu Natur und Literatur

Beginn des Widerstands

Im Juni 1942, nach dem großen Luftangriff auf Köln, schreiben und verteilen Hans Scholl und Alexander Schmorell die ersten Flugblätter. In literarischer Sprache rufen sie darin zu passivem Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft auf und beklagen die Mitschuld der Deutschen an den Verbrechen der Nazis.

Die Mitglieder der Weißen Rose wollen ihre Landsleute über den wahren Charakter des Regimes aufklären. Abgesehen von den geistigen Werten sind es die zunehmende Radikalisierung des Hitler-Regimes und die Brutalität des Krieges, die ihre Ablehnung des braunen Terrorregimes begründen.

An der Ostfront beobachten die jungen Männer der Weißen Rose im Sommer 1942, wie ausgezehrte jüdische Frauen zur Zwangsarbeit getrieben werden. Und sie hören von Massenhinrichtungen vieler unschuldiger Menschen.

Das bestärkt sie darin, nach ihrer Rückkehr im November weiter Widerstand zu leisten, indem sie die Bevölkerung aufklären, vor allem andere Jugendliche. Zu Hause in München erfährt Sophie Scholl von einer Freundin, dass geistig behinderte Kinder einer Heilanstalt von SS-Männern abgeholt wurden und auf immer verschwunden seien.

In den weiteren Flugblättern der Weißen Rose werden die Verbrechen des Regimes angeprangert, so die Ermordung von 300.000 polnischen Juden. Die Weiße Rose knüpft Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen. Ihr fünftes Flugblatt erscheint in einer Auflage von 6000 bis 9000 Exemplaren und wird in mehreren süddeutschen und österreichischen Städten verteilt.

"Mit mathematischer Sicherheit führt Hitler das deutsche Volk in den Abgrund", schreiben Hans Scholl und Alexander Schmorell mit Blick auf die Kriegslage im Januar 1943. Erstmals rufen sie ihre Landsleute dazu auf, den NS-Staat aktiv zu bekämpfen und fragen sie: "Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder dasselbe Schicksal erleiden, das den Juden widerfahren ist? (…) Sollen wir auf ewig das von aller Welt gehaßte und ausgestoßene Volk sein?"

Dunkel gekleidete Männer mit Kapuzen gehen durch eine winterliche Landschaft mit Hausruinen und verbranntem Holz im Hintergrund.

Überlebende deutsche Soldaten verlassen Stalingrad

"Es wird Zeit, dass jemand dagegen fällt"

Ab Februar 1943 tritt die Gruppe auch durch nächtliche Aktionen an die Öffentlichkeit. Sie malen auf Münchner Hausfassaden Anti-Nazi-Parolen wie "Nieder mit Hitler", "Hitler Massenmörder" oder "Freiheit".

Das sechste Flugblatt wird der Gruppe zum Verhängnis. Geschrieben von ihrem Mentor Kurt Huber, einem Professor für Philosophie und Musikwissenschaften, geißelt es die Kriegspolitik Hitlers, welcher in Stalingrad allein auf deutscher Seite 300.000 Soldaten zum Opfer gefallen sind.

Ein Hausmeister erwischt die Geschwister Scholl, als sie die Flugblätter im Lichthof der Universität verteilen, hält sie fest und übergibt sie der Gestapo. Vier Tage später, am 22. Februar, werden sie vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und noch am selben Tag mit dem Fallbeil hingerichtet.

Geschwister Scholl werden hingerichtet (am 22.02.1943)

WDR ZeitZeichen 22.02.2018 14:58 Min. Verfügbar bis 20.02.2028 WDR 5


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Mit ihnen stirbt Christoph Probst. Um den jungen Familienvater zu schützen, hat die Gruppe ihn zuletzt weitgehend aus ihren Aktivitäten herausgehalten. Das einzige Beweismittel gegen ihn ist ein handschriftlicher Entwurf zu einem Flugblatt, den Hans Scholl bei sich trug, als er verhaftet wurde.

Im April wird 14 weiteren Mitgliedern der Weißen Rose der Prozess gemacht. Alexander Schmorell, Professor Kurt Huber und Willi Graf werden ebenfalls zum Tode verurteilt, die anderen zu Haftstrafen. In den folgenden Monaten verhaftet die Gestapo weiterhin Freunde und Unterstützer der Weißen Rose, und der Volksgerichtshof verhängt Todes- und hohe Freiheitsstrafen.

Noch zwei Tage vor ihrer Verhaftung sagte Sophie Scholl: "Es fallen so viele Menschen für dieses Regime. Es wird Zeit, dass jemand dagegen fällt". Während ihres Verhörs wollte der Gestapobeamte ihr eine Möglichkeit geben, die Todesstrafe zu umgehen: Sie sollte sich von ihrem Bruder distanzieren und erklären, dass seine und ihre Handlungen und Überzeugungen verurteilenswert seien.

Darauf antwortete Sophie Scholl laut Vernehmungsprotokoll: "Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen, die mir aus meiner Handlungsweise erwachsen, auf mich nehmen."

Roland Freisler eröffnet zwischen zwei anderen Männern stehend ein Verfahren des Volksgerichtshofes. Alle drei haben die Hand zum Hitlergruß erhoben, hinter ihnen hängt Flagge mit dem Hakenkreuz und steht eine Hitler-Büste.

Der Volksgerichtshof

Das Erbe der Weißen Rose

Nachdem der innerste Kreis der Weißen Rose ermordet worden war, wurde ihre Arbeit zunächst noch fortgeführt und ihr Gedankengut weitergetragen. So vervielfältigte der Münchner Chemiestudent Hans Leipelt gemeinsam mit gleichgesinnten Freunden das letzte Flugblatt und verteilte es, versehen mit dem Zusatz "Und ihr Geist lebt trotzdem weiter", in Hamburg.

Außerdem organisierte er eine Spendensammlung für die Witwe Kurt Hubers. Diese Aktivitäten wurden verraten, Hans Leipelt, seine Freundin Marie-Luise Jahn und andere Unterstützer im Herbst 1943 verhaftet. Leipelt wurde am 29. Januar 1945 hingerichtet, Marie-Luise Jahn wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Die Medizinstudentin Traute Lafrenz hatte bereits im November 1942 Flugblätter von München nach Hamburg mitgebracht. Ihr Freund Heinz Kucharski, ein Student der Philosophie und Orientalistik, verteilte sie dort mit Hilfe anderer oppositioneller Studenten.

Ende 1944 kam die Gestapo auch Mitgliedern der Hamburger Gruppe auf die Spur. Am 17. April 1945, kurz vor Kriegsende, wurden auch sie vom Volksgerichtshof verurteilt. Heinz Kucharski konnte auf dem Weg zur Hinrichtung fliehen. Die anderen starben während der Haft.

Über den Hamburger Zweig war das letzte Flugblatt der Weißen Rose ins Ausland gelangt und im Dezember 1943 von britischen Bombern über Deutschland abgeworfen worden. Thomas Mann sprach in einer nach Deutschland ausgestrahlten Rede in der BBC über die Mitglieder der Weißen Rose als Vertreter eines besseren, anderen Deutschlands, so klein ihre Zahl auch gewesen sei, und versicherte: "Ihr sollt nicht umsonst gestorben sein, sollt nicht vergessen sein."

Gedenken an die "Weiße Rose"

Planet Wissen 07.05.2021 04:18 Min. UT Verfügbar bis 07.05.2026 WDR

Quelle: SWR / WDR | Stand: 03.12.2019, 17:00 Uhr

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