Burschenschafter mit Mütze und Band

Studentenverbindungen

Studentenverbindungen und ihre Rituale

Manche fechten mit scharfen Waffen, viele tragen Uniformen, die meisten feiern gerne: Verbindungsstudenten leben mit einer Vielzahl von Ritualen, die genau vorgeschrieben und überwacht werden und ihren Ursprung meist im 19. Jahrhundert haben.

Von Ingo Neumayer

Der Comment schreibt die Regeln vor

Ein Korporierter soll in seiner Verbindung ein besonderes Gemeinschaftsgefühl erleben. Ältere Bundesbrüder helfen ihm, sein Studium schnell und gut abzuschließen und geben Hilfe beim Einstieg ins Berufsleben und in Notlagen.

Ziel aller Verbindungen ist es, die Persönlichkeit ihrer Mitglieder zu entwickeln und zu stärken. Dafür haben sich im 19. Jahrhundert diverse Verhaltensweisen und Vorschriften entwickelt, die das Zusammenleben im Verbindungshaus regeln und zum Großteil bis heute nicht grundlegend verändert wurden. Diese Rituale sind durch den Comment (französisch für Regelwerk) festgelegt, der Verhalten und Abläufe bei bestimmten Anlässen genau regelt.

Es gibt einen allgemeinen Comment, der die generellen Umgangsformen und Verhaltensweisen regelt, einen Comment für festliche Veranstaltungen und Feiern (Kneipcomment oder Biercomment), einen Fechtcomment (auch Paukcomment genannt) und einen Couleurcomment, der Anweisungen für das Tragen von verbindungsspezifischen Kleidungsstücken und Accessoires gibt.

Schlagende Verbindungen greifen zur Waffe

Studenten hatten wegen ihrer vielen Reisen bereits im Mittelalter als eine der wenigen Bevölkerungsgruppen das Recht, Waffen zu tragen. Dadurch besaßen sie einen besonderen gesellschaftlichen Status und ein großes Stolz- und Ehrgefühl, das verteidigt werden musste. Es kam immer wieder zu Duellen, die oft tödlich endeten. Das Prinzip dieser Ehrenhändel hielt sich bis Mitte des 19. Jahrhunderts.

Ab dieser Zeit bildete sich das Prinzip der Bestimmungsmensur heraus, das bis heute gilt. Man sucht sich seinen Gegner nicht selbst, sondern dieser wird aus einer anderen Verbindung ausgewählt. Die Mensur (lateinisch "mensura" für Maß, Abmessung – gemeint ist der Abstand zwischen den Fechtern) wird von ihren Verfechtern als charakterbildend angesehen und soll als Auswahlprinzip zeigen, wer bereit ist, für seine Verbindung den Kopf hinzuhalten.

Viele noch heute gebräuchliche Redewendungen haben ihren Ursprung im studentischen Fechten: eine Abfuhr erteilen, einen Anschiss kassieren, Zitterpartie, auf Anhieb, pauken.

Eine Verbindung, die das Fechten praktiziert, nennt man schlagend. Es gibt pflichtschlagende Verbindungen, die ihren Mitgliedern eine bestimmte Anzahl von Pflichtpartien vorschreiben, und fakultativ schlagende. In diesen wird zwar das Fechten trainiert; ob man eine Mensur bestreitet, ist einem jedoch freigestellt.

Nichtschlagende Verbindungen verzichten meist aus religiösen Gründen auf das Fechten und werden deshalb oft von schlagenden Korporationen nicht für voll genommen.

Drei Studenten einer schlagenden Verbindung posieren mit ihren Waffen

Studentisches Fechten soll den Charakter stärken

Ablauf der Mensur

Obwohl mit scharfen Waffen gekämpft wird, ist die Gefahr, auf Mensur schwer verletzt zu werden, relativ gering. Die Gegner (Paukanten) sind vom Knie bis zum Kinn sowie an Fechtarm, Augen, Nase und Ohren geschützt, mögliche Trefferfläche sind Wangen und Kopf.

Sekundanten überwachen, dass keine unerlaubten Schläge ausgeführt werden, zudem ist immer ein Arzt anwesend. Eine Mensur ist kein sportlicher Wettkampf, bei dem ein Sieger ermittelt wird. Stattdessen wird danach festgestellt, ob sich der Paukant commentgemäß verhalten hat.

Wer Angst zeigt, zurückweicht oder bei einem Treffer Schmerzenslaute ausstößt, riskiert, dass seine Mensur nicht "zieht", das heißt für nicht bestanden erklärt wird. Das kann verschiedene Bestrafungen nach sich ziehen. Nach einem Treffer im Gesicht bleibt manchmal eine Narbe zurück, der sogenannte Schmiss. Dieser galt bis in die 1930er-Jahre als Statussymbol, hat seitdem aber an Bedeutung verloren.

Mensuren zu schlagen ist laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes erlaubt, wenn dabei folgende Kriterien erfüllt sind: Sie dürfen nicht gefochten werden, wenn sie Duellcharakter haben und beispielsweise auf einer Ehrenverletzung beruhen. Außerdem müssen alle erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, um schwere Verletzungen zu vermeiden.

Archivbild: Verbindungsstudent nach dem Fechtkampf mit Gesichtsmaske und Verletzungen.

Verletzungen bei der Mensur sind selten, aber möglich

Feiern und Trinkrituale

Auch die Feiern sind in Verbindungen genau geregelt. Eine sogenannte Kneipe, während der Reden gehalten und Lieder gesungen werden, folgt bestimmten Abläufen. Sitz- und Kleiderordnung sind festgelegt, genauso wie das Verhalten der Beteiligten: Man darf während des offiziellen Teils den Raum nicht verlassen und sich nur zu bestimmten Zeiten unterhalten. Eine besonders feierliche Kneipe ist der Kommers, der meist ein Jubiläum oder die Ehrung einer bestimmten Person oder eines Ereignisses zum Anlass hat.

In Anlehnung an den Fechtcomment bildete sich im 19. Jahrhundert der Biercomment. Anfangs als Parodie gedacht, wurde er schnell zum bestimmenden Regelwerk beim Konsum von Alkohol, meist Bier, das sehr akribisch beachtet wird.

Der Biercomment legt fest, wie Trinkrituale und Trinkspiele auf Kneipen abzulaufen haben. Beliebt ist beispielsweise der "Bierjunge", ein Trinkduell, das derjenige gewinnt, der schneller als der Gegner eine vorher festgelegte Anzahl Gläser leert.

Ein Schiedsrichter (Biergericht) entscheidet, ob der Comment eingehalten wurde. Wer dagegen verstößt, landet im "Bierverschiss". Er wird von der Kneiptafel verwiesen und muss bestimmte Aufgaben erfüllen, um sich aus seinem Exil "herauszupauken".

Verbindungsstudenten trinken gemeinsam Bier

Selbst die Feiern sind straff organisiert und reglementiert

(Erstveröffentlichung: 2008. Letzte Aktualisierung: 17.12.2019)

Quelle: WDR

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