Die Pointe wirft alles über den Haufen
Lachen und Humor gehören zusammen, sind aber nicht das Gleiche. Ersteres ist eine Reaktion unseres Körpers, die wir nicht steuern können. Reflexartig läuft ein standardisiertes Muster ab. In der Humorforschung ist das Lachen über einen Witz, den wir hören, am besten untersucht.
Nachdem das Sprachzentrum seine Arbeit getan hat, kommen die Hirnareale ins Spiel, die etwas mit unseren Erwartungen an die Welt und unserem Wissen über die Welt zu tun haben. Denn das Typische an einem Witz ist, dass er uns zunächst einmal auf eine falsche Fährte führt. Wir bilden dann eine Hypothese, stellen also eine Vermutung auf, was jetzt wohl als nächstes passieren wird.
Dann kommt die Pointe und wirft unsere Hypothese komplett über den Haufen. Das ist nun der Moment, in dem wir bestenfalls die Kurve kriegen und kapieren, was da tatsächlich gemeint ist. Dieses Begreifen der Pointe läuft an der Außenseite des linken Stirnhirns ab.
Gefällt uns diese unerwartete Wendung, die die Pointe offenbart, werden Teile des limbischen Systems aktiv. Der Bereich des Gehirns, der Emotionen verarbeitet. Die so genannten Mandelkerne beispielsweise vermitteln uns dann die Emotion der Erheiterung.
Winkt dann schließlich noch die Kontrollregion im Gehirn, die normalerweise Gefühlsausbrüche blockiert, die Emotion der Erheiterung durch, kommen Stimmbänder, Zwerchfell und Gesichtsmuskulatur zum Einsatz. Und es darf gelacht werden. Alles das passiert in Bruchteilen von Millisekunden.
Humor ist Charaktersache
Anders als der motorische Vorgang des Lachens ist Humor eine Charaktereigenschaft. Eine innere Haltung oder Einstellung, die man zum Leben hat. Von Mensch zu Mensch unterschiedlich, sagt sie etwas über die Art und Weise aus, wie wir mit Ereignissen in unserer Umgebung umgehen. Frustrieren uns Situationen, in denen es mal schlechter läuft, oder können wir sie mit einer gewissen Gelassenheit betrachten und im Nachhinein vielleicht sogar darüber schmunzeln?
Humor hat außerdem damit zu tun, wie wir anderen Menschen begegnen und mit ihnen kommunizieren. Schaffen wir es, unser Gegenüber hin und wieder in positive Stimmung zu versetzen oder gar zum Lachen zu bringen? Selbst wenn es bei manchen Zeitgenossen auf den ersten Blick vielleicht nicht so scheint: Jeder Mensch hat Humor – wenn auch nicht den gleichen.
Humor ist eine Charaktereigenschaft
In der Humorforschung spricht man von vier unterschiedlichen Humorarten: verbindend, selbststärkend, aggressiv und selbstentwertend. Wer sich des verbindenden Humors bedient, möchte den Umgang mit anderen Menschen möglichst angenehm und entspannt gestalten. Es handelt sich also um einen positiven Humorstil. Dazu zählt auch die selbststärkende Variante. Sie hilft, in stressigen Momenten nicht die Nerven zu verlieren, sondern der Situation humorvoll zu begegnen und so den Überblick zu behalten.
Jemand, der gerne Witze auf Kosten anderer macht, sie dadurch bloßstellt, um sich selber zu erhöhen, hat einen aggressiven Humor. Diese Spielart wird ebenso dem negativen Humorstil zugerechnet wie der selbstentwertende Humor. Hier allerdings ist das Ziel der Verspottung die eigene Person. Mit Scherzen über persönliche Unzulänglichkeiten oder Schwächen will man in der Gunst der Mitmenschen steigen.
Humor kann man trainieren
Die positive Wirkung von Humor auf die Genesung von Patienten ist mittlerweile bekannt. Seit mehr als 20 Jahren sind in Deutschland Clowns in Krankenhäusern unterwegs und bringen körperlich kranke Menschen zum Lachen. Aber auch Psychiater und Psychotherapeuten haben erkannt, dass sie Humor zur Behandlung von seelischen Erkrankungen einsetzen können.
Depressive Patienten sind in der Regel niedergeschlagen und lachen kaum. Sie empfinden wenig bis keine Freude. Dabei ist es jedoch nicht so, dass Menschen, die unter einer Depression leiden, einen Witz nicht als Witz erkennen. Man könnte eher sagen, dass sie vorübergehend ihren Humor verloren haben. Dementsprechend kommt ihr Sinn für Humor zurück, wenn die Depression nachlässt. Ein Humortraining kann sie dabei unterstützen.
Denn Humor kann man trainieren, sagt die Humorforscherin Prof. Barbara Wild. Die Patienten überlegen sich etwa, worüber sie vorher gerne gelacht haben und mit wem. Auch über das Gegenteil machen sie sich Gedanken. Außerdem stehen verschiedene Übungen auf dem Programm, zum Beispiel aus dem Improvisationstheater. Hier trainieren die Teilnehmer dann, spontan zu sein. Dabei stehen sie im Kreis und müssen eine Geschichte erzählen.
Humor hilft gegen seelische Erkrankungen
Jeder darf allerdings immer nur ein Wort dazu beitragen, dann ist der nächste dran. Vorbereiten kann man sich darauf nicht, denn schließlich weiß niemand, welchen Begriff der Nachbar nennen wird, bis er ihn gesagt hat. Es geht darum, sich im Assoziieren zu üben und einfach das zu sagen, was einem in den Kopf kommt.
Von 2014 bis 2016 lief im Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart eine Pilotstudie zum Thema Humortraining mit Herzpatienten. Die Psychiaterin und Neurologin Prof. Barbara Wild untersuchte zusammen mit Dr. Eckart von Hirschhausen, ob Stress, den die Testpersonen in bestimmten Alltagssituationen erleben, durch Humor sinken kann.
Dazu übten die Patienten in einem siebenwöchigen Humortraining, ihren Ärger mit Humor zu verarbeiten, anstatt wie gewohnt mit Wut oder anderen negativen Emotionen. Vor und nach der Studie wurden ausführliche Stressfragebögen ausgefüllt sowie das Stresshormon Cortisol bestimmt.
Das Ergebnis: "Es war faszinierend zu beobachten, wie sich die Menschen im Laufe der Sitzungen weiterentwickelten", sagt Prof. Barbara Wild. Denn das Humortraining scheint bei kardiologischen Patienten zu funktionieren. Sie sind danach weniger depressiv und leichter erheiterbar, zeigte die Studie. Das belegten auch die kardiologischen Messwerte.
Quelle: SWR | Stand: 25.08.2020, 09:15 Uhr