Zwei Frauen gehen an einem Werbeplakat vorbei

Medien

Werbung

Tausende Werbespots prasseln täglich auf uns ein: im Fernsehen, im Radio und Internet, auf Plakaten, in Zeitschriften und Sozialen Medien. Der Dauerbeschuss hat einen Grund: Es ist schwierig, die Kunden überhaupt zu erreichen.

Von Götz Bolten

Die Macht der Werbung

Werbung, so behauptet die Werbe-Industrie, sei der Motor unserer sozialen Marktwirtschaft. Die Werbung reguliere die Preise, führe zu ständiger Verbesserung der Produkte und informiere den Verbraucher. Kurz: Werbung schaffe Transparenz und damit eine größere Entscheidungsvielfalt.

Vielmehr ist es aber so, dass die Werbung den Kräften der Marktwirtschaft unterliegt, mit den Bewegungen des Marktes interagiert und so zu einem Gradmesser für die wirtschaftliche Situation in einem Land wird. Denn nur wenn die Unternehmen gut verdienen, haben sie Geld für Werbung.

Die Werbung ist ein Zweig der Wirtschaft und damit von der wirtschaftlichen Lage abhängig. Von den Werbeeinnahmen wiederum sind andere Wirtschaftszweige abhängig, wie beispielsweise die Fernsehbranche oder die Tageszeitungen und Zeitschriften.

Ein paar Sekunden Aufmerksamkeit

Wie jeder andere Wirtschaftszweig funktioniert die Werbung nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage. Das Angebot ist in diesem Fall jedoch nur schwer zu verkaufen: Es ist eine Werbung für ein Produkt – und Werbung ist in der Meinung vieler Menschen immer noch negativ besetzt.

Das wissen auch die Werbeschaffenden. Sie müssen die Werbung attraktiv gestalten, so dass sie unterhält, erschreckt oder neugierig macht. Das oberste Ziel der Werbung ist es, Aufmerksamkeit zu wecken. Ein paar Sekunden Aufmerksamkeit – das ist der maximale Preis, den ein Zuschauer bereit ist, für eine gute Werbung zu zahlen.

Die Hersteller des beworbenen Produktes wollen, dass ihr Produkt wahrgenommen und für ein paar Sekunden in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Verbrauchers gerückt wird. Genau hier liegt das Problem beziehungsweise die Herausforderung für die gesamte Werbeindustrie, denn diesen Moment Aufmerksamkeit beansprucht jedes beworbene Produkt für sich und wo viele schreien, werden nur wenige gehört.

Die Werbetreibenden wissen spätestens seit der Einführung des Privatfernsehens Mitte der 1980er-Jahre: Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, das mit der steigenden Zahl der Medien noch knapper wird.

Vor Pissoirs in einer Herrentoilette hängen Werbeplakate

Manchmal gibt es vor der Werbung kein Entrinnen

Der Kannibalismus in der Werbeindustrie

Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Zuschauers führt dazu, dass sich die Werbeschaffenden ständig etwas Neues einfallen lassen müssen, damit ihr Produkt unter den Tausenden Spots und Anzeigen überhaupt wahrgenommen wird.

Dadurch wird Werbung zunehmend extremer. Mit fast allen Mitteln versuchen die Werber die Verkaufszahlen des beworbenen Produktes in die Höhe zu treiben. Sie nutzen sexuelle Anspielungen (Duschgel, Körperlotion, Bier), brechen Tabus (ein sterbender Aids-Kranker als Werbung für Kleidung) oder schaffen humorvolle Werbungen ("Ich bin doch nicht blöd" als Slogan für eine Elektrokette) – Hauptsache, der Zuschauer bleibt am Ball.

Da der Konsument sich mit der Zeit an die Werbekampagnen gewöhnt und dann wiederum etwas Neues her muss, sind die Werber regelmäßig gezwungen, neue Kampagnen noch auffälliger und extremer zu gestalten. Der Werbeslogan "Geiz ist geil" von 2002 verdeutlichte diese Entwicklung: Der Slogan wurde nicht gesprochen, sondern von einer jungen Frau gebrüllt.

Der Untergang des Werbelandes

Solch provozierende Werbung zieht gemischte Reaktionen nach sich: Einerseits schaffte es der Slogan damals mit einer knappen Botschaft, die Aufmerksamkeit eines ganzen Landes auf einen Elektromarkt zu ziehen. Andererseits sägt die Werbebranche mit solchen Slogans möglicherweise an dem Ast, auf dem sie sitzt.

Denn die gesamte Branche lebt davon, dass sie die Aufmerksamkeit, die sie mit ihren Werbespots schafft, von Kampagne zu Kampagne steigern kann.

Doch wenn eine Kampagne so aggressiv, plump und laut ist, kann man die Aufmerksamkeit des Konsumenten danach nur mit noch aggressiveren, plumperen und lauteren Kampagnen erreichen, sagen manche Werber. Dies führe auf Dauer zu einem Niveauverlust in der Werbung und damit als Folge auch zu einer schwindenden Akzeptanz beim Konsumenten.

Menschen mit Plastiuktüten, auf denen "Geiz ist geil" steht

Prägnant oder plump: die "Geiz ist geil"-Kampagne

Wirkt Werbung?

Ob der Ruf der Werbung vom Konsumenten gehört wird und ob er dessen Kaufverhalten tatsächlich ändert – damit beschäftigen sich seit den 1930er-Jahren Generationen von Wissenschaftlern. Durch eigene Studien, Befragungen, theoretische Anleihen bei der Psychologie und der Verhaltensforschung versuchen sie, die optimale Werbeformel zu finden.

Dies geschieht natürlich nicht allein aus wissenschaftlichem Forschungsdrang: Besonders die Wirtschaft will wissen, ob das Vermögen gut investiert ist, das Jahr für Jahr in die Werbung fließt. Könnte man nachweisen, welche Werbung wirkt und welche nicht, würde die Wirtschaft die Werber nach ihrem Erfolg bezahlen und so etliche Milliarden sparen. Werbung ist jedoch – und das ist das Einzige, worin sich die Forscher bislang einig sind – zu komplex, um sie auf eine simple Wirkungsformel zu bringen.

Selbst der direkte Vergleich von Werbeaktion und Anstieg der Verkaufszahlen gibt keine verlässliche Auskunft über die genaue Wirkung der Werbung. Zu viele Faktoren sind im Spiel: Trotz definierter Zielgruppen sind die individuellen Unterschiede zwischen den Konsumenten groß. Jeder, der eine Werbung sieht, reagiert aufgrund seiner persönlichen Einstellungen und Erfahrungen anders. Ganz zu schweigen davon, dass Werbebotschaften nicht nur von Land zu Land, sondern sogar schon von Region zu Region anders wahrgenommen werden können.

Die Fassade eines Gebäudes in Griechenland ist mit Werbetafeln zugepflastert

Hier wird es schwierig, eine Wirkung zu erzielen

Kontrolle und Selbstkontrolle

Werbungen überschreiten nicht nur regionale und soziale Grenzen, sondern häufig auch die des guten Geschmacks und des Gesetzes. Jeder Bürger, der sich durch eine Werbung beleidigt fühlt, hat in Deutschland das Recht, sich zu beschweren.

Vor diesen Beschwerden fürchten sich die Werbetreibenden, denn sie rufen den Gesetzgeber auf den Plan. Der könnte die Werbegesetze verschärfen und damit die Möglichkeiten der Werbebranche einschränken.

Um dies zu verhindern, hat die deutsche Werbeindustrie ein eigenes Kontrollgremium gegründet, um beanstandete Werbungen selbst zu prüfen: Der Deutsche Werberat kann zwar einzelnen Firmen ihre Werbeaktionen nicht verbieten, er kann jedoch die Empfehlung aussprechen, die Werbung nicht mehr zu senden beziehungsweise zu drucken.

Häufig hören die Zeitungsverleger und Fernsehanstalten auf diese Empfehlung. Im Jahr 2017 kamen aus der Bevölkerung 1389 Beschwerden über Werbungen, die sich auf 787 Beschwerdefälle verteilten. In 257 Fällen wies der Werberat die Beschwerden als unbegründet zurück.

In 135 Fällen wurde der Werberat tätig und teilte die Bedenken der Beschwerdeführer. 90 Prozent der Unternehmen folgten daraufhin der Empfehlung des Rates und stellte die Werbung ein. In nur 14 Fällen sprach der Werberat eine Rüge aus.

Logo des Deutschen Werberates

Der Deutsche Werberat kontrolliert die Werbebranche

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 05.12.2018)

Quelle: WDR

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