Luftbild von Mexiko-Stadt

Metropolen

Mexiko-Stadt

Mehr als 20 Millionen Menschen, kaum Trinkwasser, sumpfiger Boden und dauernde Erdbebengefahr: Mexiko-Stadt hat viele geografische Nachteile und ist eine Stadt voller Kontraste.

Von Christine Buth

Wachstumsschmerzen

Bis 1950 war Mexiko-Stadt einfach eine sehr große Stadt. Mit reicher Geschichte und stolzer Architektur – der einstige Mittelpunkt des Aztekenreiches und die ehemalige Hauptstadt der spanischen Kolonialherren in Lateinamerika. Dann kam die Industrialisierung – und die Bevölkerungszahl explodierte.

Das wirtschaftliche Wachstum zog Millionen Menschen an. Aber es konnte nicht alle ernähren. Und die Stadt konnte nicht alle fassen. Um das Zentrum herum entstanden Slums aus selbst gezimmerten Elendshütten, ohne Wasser, ohne Strom.

Die Stadt wuchs weiter: unbeeindruckt und unkontrolliert. Im Kern wurde es hektisch, laut, schmutzig, gefährlich – zumindest für die, die mehr hatten als andere. In den 1970er-Jahren verließ eine Million Menschen die Innenstadt.

Zu den strukturellen Problemen kam eine Naturkatastrophe: Am 19. September 1985 wurde Mexiko-Stadt von einem Erdbeben der Stärke 8 geschüttelt. Mindestens 10.000 Menschen starben, mehr als 95.000 Wohnungen in der Innenstadt wurden zerstört.

Aus dem historischen Zentrum der Stadt wurde die "ciudade perdida", die "verlorene Stadt". Erst viel später und mit viel Geld wurde die Innenstadt wieder hergerichtet. Heute ist das Centro Histórico wieder das Herz der Stadt: schick, schön und sicher.

Mexiko-Stadt ist eine Stadt voller Kontraste: Beverly Hills mit angeschlossenem Slum. Die erste und die dritte Welt liegen hier sehr dicht beisammen. Wer es sich leisten kann, lebt heute im Süden und Westen der Stadt – hinter hohen Zäunen, festen Mauern, umgeben von Wachpersonal.

Luftaufnahme: Menschenmassen auf einem riesigen Platz

Der Zócalo ist einer der größten Plätze der Welt

Die Stadt im See

Mexiko-Stadt ist von drei Seiten von Bergen umgeben und wurde inmitten eines Sees gebaut. Als die Azteken die Stadt im 14. Jahrhundert unter dem Namen Tenochtitlán gründeten, hatte diese Lage einen großen Vorteil: Es machte sie nahezu unangreifbar.

Heute jedoch bringt sie viele Herausforderungen mit sich. Damit die Stadt wachsen konnte, wurde der See trockengelegt. Das führt heute zu einem Mangel an Trinkwasser.

Die heftige Drainage hat außerdem Verwerfungen zur Folge: Im Stadtzentrum kann man Kirchen und Gebäude sehen, die bis zu 8,50 Meter tief im Boden versunken sind. Auch die Grundversorgung ist betroffen: Durch die Senkung gibt es Brüche in den Wasser- und den Abwasserleitungen. Dadurch wird das Wasser verunreinigt und es kommt zu kleineren Überschwemmungen.

Tanklaster in Mexiko-Stadt

Ein alltäglicher Anblick: Tanklaster versorgen die Bevölkerung mit Wasser

Metropole im Smog

Die hohen Berge, die Mexiko-Stadt umgeben, sind toll anzuschauen – wenn man sie denn sieht. Jahrzehntelang war das eher selten der Fall. Die Stadt war gefangen unter einer undurchsichtigen Glocke aus Smog. Die Luftqualität war so katastrophal, dass es lange hieß, Mexiko-Stadt sei die schmutzigste Stadt der Welt.

Die Kessellage verhinderte einen schnellen Luftaustausch und hielt die riesigen Mengen Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid in der Stadt. An manchen Tagen drohte den Bewohnern von Mexiko-Stadt tatsächlich die Luft auszugehen.

Dabei fällt das Atmen wegen der extremen Höhenlage der Stadt auf 2308 Metern ohnehin schon schwer. Die Luft enthält etwa 23 Prozent weniger Sauerstoff, als auf Höhe des Meeresspiegels. Um genug Sauerstoff zu bekommen, müssen die Stadtbewohner also noch mehr verschmutzte Luft einatmen. Ein Risiko für die Gesundheit: Allergien und Atemwegserkrankungen sind häufig.

Auch heute gibt es noch Tage, an denen Mexiko im Dunst verschwindet. Und es werden immer noch hohe Konzentrationen krebserregender Stoffe in der Luft gemessen.

Aber die ganz schlimmen Tage gibt es nicht mehr. Die Politik hat hier viel tun können: Eine große Ölraffinerie wurde geschlossen. Es wird weniger Müll verbrannt. Benzin enthält kein Blei mehr und die Autos haben Katalysatoren.

Ein Opfer der Schadstoffkontrollen ist übrigens der VW-Käfer. Das Auto war lange ein Markenzeichen der Stadt: als grün-weiß gestrichenes Taxi. Aber die Autos sind alt und pusten große Schadstoffmengen in die Luft.

Die Politik war sogar bereit, Prämien an die Taxifahrer zu zahlen, die ihren Käfer in Rente schickten – allerdings ohne großen Erfolg. Die meisten Taxifahrer wollten den zuverlässigen Wagen lieber behalten. 2012 verbannte die Regierung endgültig den Käfer als Taxi – offiziell aus Sicherheitsgründen, da er keine vier Türen hatte. Heute fahren nur noch ein paar inoffizielle Käfer-Taxis in den ärmeren Vierteln der Stadt.

Das stark vernebelte Foto der Skyline der Stadt

Die Stadt liegt häufig unter einer Dunstglocke

Grenzen des Wachstums

2007 war ein Wendepunkt: Zum ersten Mal lebten weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land. In den kommenden Jahrzehnten wird sich dieser Trend noch verstärken, erwarten die Experten. Weltweit werden die Städte wachsen: am schnellsten jene in Entwicklungsländern. Mumbai, Delhi, Jakarta: Alle haben 2020 Mexiko-Stadt in puncto Einwohnerzahl überholt, da die Stadt heute nur noch langsam wächst.

Dezentralisierungsversuche, wie die Auslagerung von Industrien, waren erfolgreich. Und die Demografie verändert sich. In den 1970er-Jahren sponsorte die Regierung eine kontrollierte Familienplanung. Das macht sich heute bemerkbar: Die Geburtenrate ist deutlich gesunken. Seit den 1980er-Jahren hat Mexiko-Stadt ein geringeres Bevölkerungswachstum als der Rest des Staates.

Auf vier Spuren herrscht Stau in Mexico City.

Kein Platz für noch mehr Autos

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 25.06.2021)

Quelle: WDR

Darstellung: