Macht der Musik

Heavy Metal ist keine Männersache – Interview mit Sängerin Britta Görtz

Mehr als ein Jahrzehnt stand sie mit ihrer Band Cripper auf internationalen Bühnen, seit 2016 growlt sie bei der Death Metal-Band Critical Mess, seit 2021 zusätzlich bei der Melodic Death Metal-Band Hiraes. Neben Konzerten, Tourneen und Videoproduktionen ist die Hannoveranerin als Dozentin auf wissenschaftlichen Heavy-Metal-Tagungen unterwegs. Und sie unterrichtet Metal-Gesang.

Von Angelika Wörthmüller

Planet Wissen: Ihre Stimme ist untrennbar mit Ihrer Karriere verknüpft. Wie pflegen Sie Ihre Stimme?

Britta Görtz: Besonders vor Konzerten oder Proben wärme ich meine Stimme auf. Natürlich nicht mit Screamen (lacht). Ich sag immer zu meinen Schülern: Jemand, der Stabhochsprung macht, der macht sich auch nicht mit Stabhochsprung warm, sondern er läuft erstmal um den Block.

Und das mache ich auch – im übertragenen Sinn. Und was auch ganz wichtig ist, dass man immer wieder ausgleichende Übungen macht, die den Stimmapparat auf eine andere Weise fordern. Um somit nicht zu einseitig zu trainieren.

Haben Sie das alles schon gewusst, als Sie vor 17 Jahren begonnen haben – wahrscheinlich nicht, oder?

Als ich angefangen hab, gab es noch gar keinen Gesangsunterricht für Metal-Sänger. Ich hab ein Mikrofon in die Hand genommen und da reingeschrien. Und dann macht man Fehler. Zum Bespiel hab ich zu einseitig trainiert und verlor so an Elastizität – so würde ich es jetzt mal bezeichnen.

Die Stimme springt in verschiedene Modi rein, ohne sanfte Übergänge machen zu können. Es ist so, als ob man eine Art Stufeneinstellung hätte. Es dauert dann lange, bis man das wieder wegtrainiert hat.

Aber wie sagt man so schön: Dann irrt man sich nach oben. Und das hab ich gemacht. Wie alle anderen damals auch.

Ihre Schüler heute haben es da schon leichter. Seit Anfang 2020 unterrichten Sie hauptberuflich Metal-Gesang – sind Sie froh, dass Sie den Schritt gewagt haben?

Das Unterrichten ist eine schöne Sache. Es hat ein verbindendes Element, wenn man mit zehn bis 15 Leuten im Raum steht und sich einfach ne Runde anschreit. (lacht)

Kurz vor der Pandemie habe ich mich selbstständig gemacht. Ich war mit vielen Workshops in ganz Deutschland total ausgebucht, das ging dann natürlich nicht mehr.

Seitdem unterrichte ich online. Das funktioniert auch, aber es braucht viel mehr Kommunikation und Erklären. Einzel-Coachings funktionieren besser.

Ich habe neben vielen Schülern aus Deutschland auch eine Schülerin in Australien, einen Schüler im Iran, zwei in den USA. Die Nachfrage ist groß: Fast jeden Tag hab ich Anfragen, ob es noch freie Plätze gibt.

Britta Görtz am singen. | Bildquelle: SWR

In einem Interview haben Sie mal gesagt: Ich würde sogar rappen, wenn es der Song erfordert. Das heißt, Sie gehen eher analytisch und weniger emotional an einen neuen Song heran?

Es ist nicht so analytisch, dass ich den Song am Reißbrett entwerfe. Ich versuche "Song dienlich" zu sein. Das heißt, ich stelle nicht mein Ego in den Vordergrund, sondern ich versuche dem Song zu dienen und zu spüren, was will der Song eigentlich sein. Das muss in sich stimmig sein.

Ich vergleiche das immer mit verschiedenen Charakteren in einem Film. Da gibt es zum Beispiel den Schurken, der setzt sich ja auch nicht hin und holt aus seinem Nähkästchen das Stopfgarn heraus. Es darf sich nicht fremd anfühlen. Deswegen gehe ich so vor, dass – wenn der Song fast fertig ist – mache ich ihn laut im Proberaum an, nehme mein Mikro in die Hand und lasse mich von dem Song leiten.

Verarbeiten Sie auch Persönliches in Ihren Songs?

Ich sehe die Musik als Vehikel, mich auszudrücken. Das Texten ist meine eigentliche Kunst. Es geht nicht immer um mich, ich reflektiere viel, was mir so im Alltag begegnet, lasse mich inspirieren. Ein Song ist richtig gut gelungen, wenn die Menschen nach dem Konzert zu mir kommen und ganz verschiedene Sachen darin erkannt haben.

Als Metal-Sängerin bekommen Sie doch bestimmt auch immer mal wieder den Satz zu hören: "Klingt wie ein Mann." Nervt Sie das?

Also sauer werde ich nicht, auch wenn sich dieser Satz einfach abnutzt. Der Mensch sagt das zum ersten Mal. Ich höre es zum millionsten Mal. Das ist die Diskrepanz.

Es kommt immer drauf an, wer es ist. Wenn es jemand ist, der noch nie solche Musik gehört hat, für den ist das einfach neu. Da denke ich: Okay, das sind Hörgewohnheiten. Der meint nicht, ich klinge wie ein Mann, sondern eigentlich meint derjenige, so eine Stimme habe ich bisher nur von einem Mann gehört.

Ich würde es mal als exotisches Staunen bezeichnen. Von daher freue ich mich, wenn es jemandem gefällt, aber ich kann mich auf die Diskussionen darüber nicht mehr einlassen.

Portraitaufnahme von Britta Görtz. | Bildquelle: SWR

Haben Sie auch viel über das Thema "Frau im Heavy Metal" diskutieren müssen oder wollen?

Ich hab mich viel mit dem Thema auseinandergesetzt und hab es dann irgendwann gelassen. Ich dachte mir: Boah, ich bin keine Frau im Metal, ich bin Britta im Metal. Und das Geschlecht ist doch eigentlich total egal. Es macht einen wahnsinnig. Man kann nicht für alle Frauen stehen.

Aber es muss sich in 17 Jahren Gesangskarriere doch auch sicher etwas verändert haben, oder?

Die Sichtbarkeit von Frauen in der Metal-Szene ist stark gestiegen, vor allem bei den Sängerinnen. Im Instrumentalen gibt es weniger Frauen, aber vielleicht haben die einfach keinen Bock darauf. Ich glaube eigentlich nicht, dass sie sich nicht trauen. Es gibt Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Und ich finde es nicht immer passend, das alles aufzulösen; Gleichberechtigung auf jeden Fall, Gleichmachen aber nicht.