Wer waren die Germanen eigentlich?
Die Germanen waren nie ein einheitliches Volk. Der Name "Germanen" ist ein Oberbegriff für bestimmte Volksstämme, die im Gebiet zwischen Rhein, Donau und Weichsel lebten. Es gab keinen gemeinsamen "germanischen" Staat. Vielmehr bekämpften sich die Stämme immer wieder untereinander.
Zum ersten Mal taucht der Begriff "Germanen" um das Jahr 80 vor Christus beim griechischen Geschichtsschreiber Poseidonios auf. Den Begriff verbreitet hat der römische Feldherr Gaius Julius Cäsar (100 bis 44 vor Christus) in seinem Werk "De bello gallico".
Seit dieser Zeit hatten die Römer einige Kontakte zu den germanischen Stämmen und Völkern. Der Begriff "Germanen" stammt also nicht von den Menschen selbst, die damit bezeichnet wurden, sondern von den Römern.
Weil unter der Bezeichnung so viele Stämme zusammengefast wurden, sind die Germanen also die Vorfahren vieler europäischer Völker – und eben auch der Deutschen. Einige Germanenstämme sind sogar bis auf den Balkan, auf die Iberische Halbinsel und nach Nordafrika gewandert.
Wie der Kult um die Germanen entstand
Lange Zeit war Deutschland nicht eine Nation, sondern es gab auf dem deutschsprachigen Gebiet mehrere hundert Staaten und Kleinstaaten. Viele Dichter und Denker fühlten sich dazu verpflichtet, ihren Teil zur Geburt einer deutschen Nation beizutragen. Die Werke von Johann Gottfried Herder (1744-1803) stellen den Höhepunkt des politisierten Germanengedankens dar.
Auf der Suche nach einer moralischen und politischen Identität berief man sich nun nicht mehr auf die Schriften der alten Griechen, sondern orientierte sich an nordischen Sagen und Überlieferungen. Die Dichter sahen in den Dichtern und Sängern der Kelten ihre Vorbilder und eigneten sich deren Überlieferungen an.
Bezeichnend ist dabei, dass selbst erfundene Überlieferungen größte Wirkung erzielten. Wie ein Schwamm nahm das deutsche Bürgertum alles auf, was zur Konstruktion einer nationalen Identität geeignet schien. Dabei wurden selbstverständlich auch die Sagen der Germanen mit einbezogen.
Schnell erfuhr der Cheruskerfürst Arminius neue Ehren und wurde zum Nationalhelden hochgejubelt. So glaubte man, dass er sich als Ur-Deutscher dem römischen Imperium widersetzt habe und in der Schlacht im Teutoburger Wald bewies, was in den Deutschen stecke.
Dies legte die Grundlage für weitere Strömungen in Deutschland, die die Germanen für sich beanspruchen wollten. Im Jahr 1875 wurde in Hiddesen bei Detmold das Hermannsdenkmal errichtet. Noch heute gilt Arminius in rechten und konservativ-nationalen Kreisen als deutscher Nationalheld.
In den 1930er-Jahren dann klaubten die Nationalsozialisten alles zusammen, was sie für nützlich hielten, und konstruierten für ihre Rassentheorie mit Hilfe von Symbolen und Mythen verschiedener Kulturen ein künstliches Bild der angeblichen deutschen Volksgeschichte.
(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 09.06.2020)