Die Sozialversicherung

02:00 Min. UT Verfügbar bis 20.12.2027 Von Anja von Kampen/VisionX


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Otto von Bismarck

Die Sozialgesetze

1871 wurde das Deutsche Reich gegründet. Mehrere Reformen führten zu einer Liberalisierung und Sozialisierung der Arbeitswelt.

Von Alfried Schmitz

Der Kaiser schaltet sich ein

Einen bedeutenden Anstoß gab der deutsche Kaiser Wilhelm I. selbst, als er am 17. September 1881 in der sogenannten "Kaiserlichen Botschaft" vor dem Reichstag die Einführung einer Sozialversicherung verlangte:

"Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, dass die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen ist...

In diesem Sinne wird zunächst der von den verbündeten Regierungen in der vorigen Session vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Versicherung der Arbeiter gegen Betriebsunfälle mit Rücksicht auf die im Reichstage stattgehabten Verhandlungen über denselben einer Umarbeitung unterzogen, um die erneute Berathung desselben vorzubereiten.

Ergänzend wird ihm eine Vorlage zur Seite treten, welche sich eine gleichmäßige Organisation des gewerblichen Krankenkassenwesens zur Aufgabe stellt. Aber auch diejenigen, welche durch Alter und Invalidität erwerbsunfähig werden, haben der Gesammtheit gegenüber einen begründeten Anspruch auf ein höheres Maß staatlicher Fürsorge, als ihnen bisher hat zutheil werden können."

Kaiser Wilhelm I. kündigt Sozialgesetzgebung an (am 17.11.1881)

WDR ZeitZeichen 17.11.2016 13:29 Min. Verfügbar bis 15.11.2096 WDR 5


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Unfallversicherung für Arbeiter

Wie der Kaiser war auch Reichskanzler Otto von Bismarck davon überzeugt, dass eine gut organisierte Unfallversicherung die einzige Lösung für das soziale Problem der Arbeiter sei. Allerdings trieb ihn auch die Sorge vor einer neuen Revolution, die durch unzufriedene Arbeiter entfacht werden konnte.

Unabhängig vom Verschulden oder Nichtverschulden sollte der Betroffene bei einem Unfall eine Entschädigung erhalten. Nach Bismarcks Willen sollte diese Art der Versicherung durch das Reich und durch Beiträge der Unternehmer finanziert werden.

Für die Unterstützung seines Planes konnte er auch einige namhafte Industrielle gewinnen, darunter den Bochumer Stahlfabrikanten Louis Baare. Dieser vertrat in einer veröffentlichten Denkschrift die Ansicht, dass eine wachsende Industriegesellschaft eine gesunde und zufriedene Arbeiterschaft brauchte.

Viele Gleichgesinnte fand dieser Gedanke allerdings nicht unter den Industriellen. Sie fürchteten die hohen Kosten, die eine solche Versicherung für sie zur Folge haben könnte. Und so wurde das Unfallversicherungsgesetz denn auch erst im dritten Anlauf und erst 1884 vom Reichstag verabschiedet.

Schwarz-weiß-Zeichnung: Arbeiter in einer Glashütte

Das Unfallversicherungsgesetz wurde 1884 verabschiedet

Versicherungsbeiträge zahlen allein die Unternehmen

Die Beiträge waren alleine von den Unternehmern zu zahlen, die dadurch allerdings von ihrer persönlichen Haftpflicht befreit wurden. Um eine Beitragsgerechtigkeit bemüht, teilte man die einzelnen Betriebsarten in sogenannte Gefahrenklassen ein.

Branchen, die weniger unfallträchtig waren, mussten dementsprechend weniger Beitragszahlungen in die Versicherungs-Kasse leisten. Dadurch wollte man die Betriebe anregen, in den Arbeitsschutz zu investieren. Ein wichtiger Schritt hin zum Sozialstaat heutiger Prägung war damit getan.

1863 hatte der Sozialist Ferdinand Lassalle den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" gegründet. 1869 war die Sozialdemokratische Arbeiterpartei entstanden. 1875 kam es zur Vereinigung beider Bewegungen.

"Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein" gegründet (am 23.05.1863)

WDR ZeitZeichen 23.05.2013 14:37 Min. Verfügbar bis 21.05.2053 WDR 5


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Diese erstarkte Arbeiterbewegung drängte auf einen Umsturz der bestehenden Ordnung in Staat und Gesellschaft. Lassalle wollte diesen Umsturz mit friedlichen Mitteln herbeiführen. Ganz im Gegensatz zu Marx und Engels, die an eine radikale Lösung dachten.

Schon 1871 wurde die 1869 im Norddeutschen Bund eingeführte Gewerbeordnung für das gesamte Deutsche Reich übernommen. Diese Gewerbeordnung enthielt bestimmte Paragraphen, die den Schutz von arbeitenden Kindern und Jugendlichen regelte. Sie enthielt aber auch eine Passage, die "zu thunlichster Sicherung der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind".

Kinderarbeit in einer englischen Weberei des 19. Jahrhunderts.

Arbeitende Kinder sollten durch die Gesetze besser geschützt werden

Bessere Absicherung der Arbeitnehmer

1878 wurde diese Gewerbeordnung auf massiven Druck der Arbeiterbewegung zu Gunsten der Arbeiter reformiert und verbessert. Inhalt der Reform war ein erster Mutterschutz, das Verbot der Beschäftigung von Kindern unter zwölf Jahren und eine reichsweite Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen durch Fabrikinspektoren.

1871 wurde das Haftpflichtgesetz eingeführt. Ab sofort waren die Betreiber von Bergwerken und Fabriken bei Unglückfällen sowohl für eigenes als auch für das Verschulden der Arbeiter haftbar und zum Schadensersatz verpflichtet. Das Rechtsstatut des sogenannten Betriebsunfalls war damit geschaffen.

Allerdings war es für die Arbeiter sehr schwer, wenn nicht unmöglich, ihre Rechtsansprüche auch wirklich gegen den mächtigen Unternehmer durchzusetzen. Und so gerieten immer noch unzählige Menschen durch Arbeitsunfähigkeit in Armut. Eine Gesetzesreform war dringend notwendig.

Was sind Sozialversicherungen?

Planet Wissen 05.06.2023 02:09 Min. Verfügbar bis 05.06.2028 WDR

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 06.04.2020)

Quelle: WDR

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