Alkohol

Alkoholismus

Wenn das Trinken zur Sucht wird, dreht sich alles Denken und Handeln nur noch um Alkohol. Schließlich geraten ganze Existenzen in Gefahr. Es ist ein Abstieg auf allen Ebenen: sozial, psychisch und körperlich.

Von Andrea Wengel

Anzeichen für eine Abhängigkeit

Alkoholiker leiden unter einer seelischen und körperlichen Abhängigkeit von der Droge Alkohol. Wann sich die Kriterien einer Sucht einstellen, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine Abhängigkeit gegeben, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind.

Kriterien für Suchtverhalten

  • Starker Wunsch/Zwang, Alkohol zu konsumieren
  • Reduzierte Kontrollfähigkeit
  • Alkoholkonsum, um Entzugssymptome zu vermeiden
  • Körperliches Entzugssyndrom
  • Toleranzentwicklung (der Betroffene erhöht kontinuierlich die Dosis)
  • Eingeengtes Verhaltensmuster
  • Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen
  • Der Betroffene trinkt trotz negativer Auswirkungen auf Körper, Psyche und Umfeld

Therapie und Entzug

Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker – an dieser Aussage ist leider etwas Wahres. Wer einmal abhängig war, wird immer einen Hang zum Trinken haben. Dennoch ist es möglich, von der Sucht loszukommen: mit der entsprechenden Hilfe wie Psychotherapie, Verhaltenstherapie, mit Medikamenten und Selbsthilfegruppen.

Grundvoraussetzung für jede Therapie ist aber die Mithilfe des Betroffenen selbst. Alkoholkranke müssen ihre Sucht erkennen und aktiv dagegen ankämpfen – und zwar für immer.

Das Leben ohne Alkohol bleibt für viele Betroffene eine ewige Gratwanderung. Denn selbst nach vielen Jahren ist ein Rückfall möglich.

Der körperliche Entzug, also die Entgiftung, erfolgt stationär oder ambulant. Hierbei geht es um die Behandlung der Entzugssymptome unter medizinischer Aufsicht. Sie reichen von Stimmungsschwankungen, Ruhelosigkeit und Übelkeit bis zu leichtem Zittern (Tremor).

Es gibt aber auch stärkere Symptome wie Erbrechen, Sehstörungen, Krämpfe bis hin zu epileptischen Anfällen und Delirien wie Halluzinationen oder Desorientierung.

An den körperlichen Entzug schließt sich eine psychologische und sozialtherapeutische Behandlung zur Entwöhnung an. Sie kann ambulant, teilstationär oder stationär durchgeführt werden. Ziel ist vor allem die Abstinenz. Zudem soll dem Betroffenen geholfen werden, sich wieder im sozialen und beruflichen Umfeld zurechtzufinden.

Die Therapiemaßnahmen werden individuell festgelegt. Hier gibt es verschiedene Ansätze wie Verhaltens-, Gesprächs-, Gestalt- oder Individualtherapie.

Ein Mann liegt auf einem roten Sofa und hat einen Arm über das Gesicht gelegt. In der anderen Hand hält er ein leeres Weinglas. Am Boden liegt eine Weinflasche.

Der Verzicht auf Alkohol kann sehr schwer fallen

Sicherung der Abstinenz

In aller Regel wird bereits während der Entwöhnung ein Langzeitprogramm erarbeitet, um Rückfälle zu vermeiden. Der Betroffene muss sich stets bewusst sein, dass er immer Alkoholiker bleiben wird – auch dann, wenn er "trocken" ist, also nicht mehr trinkt.

Dieses Bewusstsein sollte er in regelmäßigen Gesprächen auffrischen. Selbsthilfegruppen leisten hier einen wichtigen Dienst.

Hilfreich kann auch der Besuch bei einem Psychologen sein. Bei einigen Therapien wird zusätzlich mit Medikamenten gearbeitet. Diese sogenannten Anti-Craving-Substanzen werden über einen begrenzten Zeitraum eingenommen und sollen den Zwang zu trinken eindämmen.

Stationäre Therapie

Eine stationäre Therapie ist nur bei wenigen Alkoholkranken erforderlich. Sie eignet sich in erster Linie für Patienten, bei denen sehr schwere körperliche Entzugsymptome zu erwarten sind, aber auch solche, die bereits einen oder mehrere Entzüge hinter sich gebracht haben.

Es ist wissenschaftlich belegt, dass wiederholte Entzüge zu immer gravierenderen Schädigungen führen.

Eine wichtige Rolle spielt der psychische Abhängigkeitsmechanismus. Wenn er so groß ist, dass eine konsequente Mitarbeit der Betroffenen nicht zu erwarten ist, ist der Patient in einer stationären Therapie besser aufgehoben.

Es gibt auch Situationen, in denen dem Alkoholkranken eine ambulante Behandlung nicht zumutbar ist, weil er in einem sehr problematischen Milieu lebt. Den Patienten fällt es dann leichter, im geschützten Rahmen der Krankenhausstation trocken zu bleiben.

Die Therapie besteht aus einer umfassenden medizinischen Betreuung sowie psychotherapeutischen Einzel- und Gruppenmaßnahmen. Dazu kommen die Ergotherapie, Beratungstermine durch Sozialarbeiter, Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen.

An die stationäre Entgiftungstherapie, die im Schnitt sieben bis zehn Tage dauert, schließt sich im günstigen Fall eine psychotherapeutische Nachbehandlung über drei bis vier Wochen an.

Damit es der Patient dann auch schafft, in seinem normalen Lebensumfeld abstinent zu bleiben, können in dieser Zeit eine begleitende Psychotherapie mit festgelegten Terminen und der regelmäßige Besuch von Selbsthilfegruppen eine wichtige Rolle spielen.

Ambulante Therapie

Wenn es der körperliche Gesundheitszustand zulässt, kann eine Entgiftung auch ambulant durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Patient sozial integriert und motiviert ist. Außerdem sollten alle Anlaufstellen in der Nähe des Wohnortes liegen.

In den ersten ein bis zwei Wochen muss der Patient täglich zum Arzt, der den körperlichen Entzug überwacht und gegebenenfalls die Entzugssymptome behandelt. Eine vollständige ambulante Behandlung umfasst alle erforderlichen medizinischen, psycho- und sozialtherapeutischen Maßnahmen.

Die Behandlung der Akutphase ist meistens nach sieben bis zehn Tagen abgeschlossen. Wenn ein weiterführendes ambulantes Therapieprogramm hinzukommt, kann sich dieser Zeitraum je nach Therapieform auf sechs Monate verlängern.

Um eine solche ambulante Therapie zu ermöglichen, arbeiten niedergelassene Ärzte, Ambulanzen und Beratungsstellen zusammen.

Ein sehr wichtiger Faktor für viele Betroffene ist zudem, dass ambulante Einrichtungen anonym über Alkoholabhängigkeit und die möglichen Wege aus der Sucht informieren.

Dazu gehören auch die Diagnose und ein Behandlungskonzept, das auf den Einzelnen zugeschnitten ist. In den ambulanten Einrichtungen wird auf jeden Fall individuell auf den Patienten eingegangen.

Eine Frau sitzt mit vor das Gesicht geschlagenen Händen da. Ein Mann im Hintergrund redet auf sie ein.

Gespräche helfen beim Entzug

Qualifizierter Entzug

In einigen Kliniken wird der sogenannte qualifizierte Entzug durchgeführt. Am Beginn steht ein längerer stationärer Entzug von einigen Wochen. Danach folgt eine Langzeittherapie mit Hilfe von Netzwerken wie Selbsthilfegruppen und Einzeltherapien.

Wichtiger Bestandteil der Therapie sind Gespräche mit anderen Patienten, Psychotherapeuten und Ärzten. Mit ihrer Hilfe versuchen die Abhängigen, den Ursachen ihrer Sucht auf die Spur zu kommen, um dann gemeinsam Strategien zu entwickeln, Alkohol künftig zu meiden.

Während der Therapie dürfen die Patienten zwischenzeitlich nach Hause. Dabei sind sie vielen Versuchungen ausgesetzt. Doch diese Situationen werden vorher mit den Therapeuten besprochen. Die Alkoholkranken werden sowohl psychotherapeutisch als auch medikamentös behandelt.

Quelle: SWR | Stand: 08.05.2020, 17:40 Uhr

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