Hongkong
Hongkong unter britischer Herrschaft
Hongkong liegt an der südchinesischen Küste, gehörte aber rund 150 Jahre lang offiziell zum britischen Königreich: Sie war 1842 an die Briten gefallen, nachdem die sich im Opiumkrieg gegen China durchgesetzt hatten. 1997 bekam China Hongkong zurück.
Von Tobias Aufmkolk
1839: Opium – der Stein des Anstoßes
1839 eskaliert in der Stadt Kanton der Streit zwischen Briten und Chinesen. Seit einigen Jahren kommt es immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen, doch nun will der kaiserliche Hofbeamte Lin Zexu aufräumen. Der florierende Opiumhandel der Briten soll endgültig unterbunden werden.
Chinesische Soldaten umstellen das britische Handelskontor, verhaften einige Kaufleute und beschlagnahmen mehr als 20.000 Kisten Opium, die anschließend im Meer versenkt werden.
In einem durchaus freundlich gemeinten Brief an die britische Königin Viktoria bittet Lin Zexu um deren Unterstützung im Kampf gegen den Opiumhandel. Die britische Regierung, für die der Handel mit dem Rauschgift äußerst lukrativ ist, deutet diesen Brief dagegen als Kriegserklärung Chinas.
Die Stadt Kanton besitzt zu diesem Zeitpunkt eine Ausnahmestellung in China. Als einzige Stadt im gesamten Kaiserreich darf sie uneingeschränkten Handel mit Ausländern treiben. Der Handel verläuft jedoch lange Zeit nur einseitig. Chinesische Waren wie Tee, Gewürze, Porzellan und Seide sind in Europa sehr begehrt. Das Reich der Mitte hat dagegen nur wenig Interesse an europäischen Waren.
Der chinesische Kaiser lässt sich seine Waren in Silber bezahlen, was nach einiger Zeit empfindliche Löcher in den Kassen der Briten hinterlässt. So suchen sie nach einem Handelsgut, das auch bei vielen Chinesen sehr begehrt ist und finden es im Rauschgift Opium.
In Nordindien lassen sie es großflächig produzieren und verkaufen es in Kanton – ebenfalls gegen das Zahlungsmittel Silber. Die Folge: Mehr und mehr Chinesen verfallen dem stark abhängig machenden Rauschgift, das in China auch als "fremder Dreck" bezeichnet wird. Der Kaiser muss eingreifen.
Opium wird aus den Kapseln des Schlafmohns hergestellt
1842: Hongkong Island wird britisch
Die Briten unter ihrem Kommandeur Charles Elliott widersetzen sich indes den Forderungen der Chinesen, kein Opium mehr nach China einzuführen. Sie flüchten vor der chinesischen Armee in den kleinen Naturhafen von Hongkong.
Der britische Außenminister Lord Palmerston fordert währenddessen im fernen Großbritannien von China Ersatz für das vernichtete Opium, freien Handel für britische Kaufleute in China sowie die Abtretung von Hongkong und einiger weiterer Inseln an die britische Regierung.
Um diesen Forderungen den nötigen Nachdruck zu verleihen, schickt er gleichzeitig ein britisches Heer nach Kanton. Da die Chinesen der modernen und gut ausgerüsteten britischen Armee technisch unterlegen sind, lassen sie sich von Beginn an auf Verhandlungen ein.
Lord Palmerston setzt die Chinesen unter Druck
Doch schon während dieser ersten Verhandlungen landet auf Geheiß von Charles Elliott eine britische Marineabteilung in Hongkong und hisst dort eigenmächtig die britische Flagge. Die formelle Landnahme folgt erst einen Tag später.
Lord Palmerston ist sehr erregt über die eigenmächtige Handlung von Charles Elliott. Nicht nur dessen Vorgehen missbilligt er, auch über die Wahl Hongkongs als britischen Handelsposten ist er aufgebracht. So ist Hongkong gegenüber einigen anderen Küstengegenden Chinas eher unbedeutend und besitzt keinerlei Infrastruktur. Elliott wird nach London abberufen und durch Henry Pottinger ersetzt.
Pottinger setzt durch weitere Angriffe und Blockaden China so unter Druck, dass das Reich der Mitte im Sommer 1842 bereitwillig den "Vertrag von Nanking" unterschreibt. In diesem tritt der chinesische Kaiser Hongkong Island "auf immer und ewig" an Großbritannien ab. Ein Jahr später wird Hongkong offiziell britische Kronkolonie, Pottinger wird der erste Gouverneur.
Der "Vertrag von Nanking" besiegelt Hongkongs Schicksal
1860er: Die Kolonie wächst
Einen hohen Stellenwert misst man dem Außenposten des britischen Empire allerdings nicht bei. Einzig und allein zur Sicherung des Handels soll er gut sein, sonst bestehe er ja nur "aus einem kahlen Fels mit kaum einer Hütte darauf", wie Palmerston 1841 feststellt. Doch Hongkong entwickelt sich in der Folgezeit ganz anders als zunächst vermutet.
In den Anfangstagen der Kolonie wollen die Chinesen ihre Niederlage nicht akzeptieren. Immer wieder kommt es zu kleineren Scharmützeln mit den Briten. Streitpunkt ist nach wie vor der Opiumhandel.
Erst die sogenannte "Konvention von Beijing" beendet 1860 die Auseinandersetzungen. China muss in einem weiteren Vertrag auch die Hongkong gegenüberliegende Halbinsel Kowloon an Großbritannien abtreten.
In den folgenden Jahrzehnten findet in der Stadt ein ungeahnter wirtschaftlicher Aufschwung statt. Befestigungsanlagen werden gebaut, Polizei und Militär stationiert sowie zahlreiche Landaufschüttungen zur Gewinnung von Wohnraum vorgenommen.
Wegen der geringen Steuern und Zölle verlegen viele in China tätige britische Unternehmen ihren Sitz nach Hongkong. 1865 wird mit der "Hong Kong & Shanghai Banking Corporation Ltd." die erste Bank der Stadt gegründet.
Immer mehr Menschen zieht es in die aufstrebende Wirtschaftsmetropole. Leben 1842 noch knapp 7500 Menschen in Hongkong, so sind es um 1900 bereits über 260.000.
Aus diesem Grund erwacht in Hongkong der Wunsch nach territorialer Erweiterung. Einerseits, um die Kolonie entsprechend vor Überfällen zu sichern. Andererseits, um dem Bevölkerungszuwachs Herr zu werden.
1898 kommt dann der historische Pachtvertrag zwischen Großbritannien und China zustande. Die britische Regierung pachtet für 99 Jahre die "New Territories", das an die Halbinsel Kowloon grenzende Umland sowie mehr als 230 kleinere Inseln. Der Pachtzins dafür beträgt jährlich 5000 Hongkong-Dollar.
Hongkong mausert sich zur Metropole
1941: Japanisches Intermezzo
Immer mehr Menschen fühlen sich im 20. Jahrhundert von der britischen Kronkolonie angezogen. Während der Erste Weltkrieg noch relativ spurlos an Hongkong vorüberzieht, bringt die Zeit zwischen den Kriegen gravierende Veränderungen mit sich.
Viele Chinesen flüchten vor Unruhen im ehemaligen Kaiserreich in die britische Kolonie. Zwischen 1921 und 1941 steigt die Bevölkerungszahl von knapp über 600.000 auf mehr als 1,6 Millionen Einwohner.
Doch nicht nur die Bevölkerungszahl nimmt in diesen Zeiten zu, auch der Hafen Hongkongs entwickelt sich zu einem der bedeutendsten Warenumschlagplätze der Welt. Erst die japanische Besetzung im Jahre 1941 stoppt diese Entwicklung kurzfristig. Die meisten Ausländer flüchten nach Macau, ein Großteil der Chinesen wird von den Japanern nach China deportiert.
Kurz nach dem Abwurf der ersten Atombombe über Hiroshima am 6. August 1945 kapitulieren die japanischen Truppen in Hongkong. Die Flüchtlinge kehren in die wirtschaftlich ausgeblutete Stadt zurück.
Viele Flüchtlinge wohnen auf Hausbooten
"Made in Hongkong"
Die Startbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg sind ausgesprochen ungünstig. Neben den zurückgekehrten Flüchtlingen muss Hongkong viele Menschen aufnehmen, die aus Angst vor Mao Zedongs roten Brigaden aus China fliehen. Zusätzlich trifft der während des Koreakrieges (1950-1953) verhängte Handelsboykott mit China die Stadt schwer.
Doch zugleich treffen weitere chinesische Flüchtlinge ein, die neben ihrem Privatvermögen auch industrielle Produktionsanlagen vor den Kommunisten im Mutterland retten können.
Diese chinesischen Unternehmer legen damit den Grundstein für einen rapiden wirtschaftlichen Aufschwung. Zunächst macht sich Hongkong einen Namen als Produktionsregion von billigen Massenwaren. Später spezialisiert sich die Wirtschaft auf die Fertigung von qualitativ hochwertigen Hightech-Produkten.
Spielzeug "Made in Hongkong" überschwemmt Europa
Ein Land, zwei Systeme
Der Stadt geht es wirtschaftlich hervorragend, als in den 1970er-Jahren erste Stimmen aus China über Rückgabe-Verhandlungen der gepachteten Gebiete laut werden. Die britische Regierung möchte nur über das gesamte Territorium verhandeln, da Hongkong Island und die Halbinsel Kowloon alleine nicht überlebensfähig seien. Die chinesische Regierung lehnt eine Verlängerung der Pacht dagegen strikt ab.
Premierministerin Margaret Thatcher gibt am 26. September 1984 klein bei. Sie unterzeichnet das "Chinesisch-britische Hongkong-Abkommen", das eine Rückgabe aller Gebiete an China vereinbart.
Im Gegenzug gesteht der chinesische Staatschef Deng Xiaoping unter dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" Hongkong für weitere 50 Jahre wirtschaftliche, innenpolitische, soziale und kulturelle Souveränität zu.
Am 1. Juli 1997 übergeben die Briten schließlich feierlich das gesamte Territorium dem chinesischen Staat. 155 Jahre britischer Herrschaft in Hongkong gehören der Vergangenheit an.
(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 31.08.2021)
Quelle: WDR