Die drei Tenöre Placido Domingo, Jose Carreras und Luciano Pavarotti

Musik

Singstimme

Die menschliche Stimme benutzen wir ständig und ohne über sie nachzudenken: Sie ist einfach da. Schon mit dem ersten Schrei benutzen wir sie im Reflex. Später lernen wir zu sprechen, Worte zu formulieren und uns mit unserer Stimme mitzuteilen.

Von Cordula Weinzierl

Der Stimmapparat

Die Stimme ist ein Instrument, dem unglaublich viele Töne und Klänge entlockt werden können. Mit ihr können wir verführen oder abschrecken, schreien oder flüstern, jubeln oder weinen – und wir können mit ihr singen. Zugleich ist die Stimme Ausdruck und Spiegelbild unserer Seele.

Die Stimme ist kein Organ des Menschen, sie existiert nicht physisch. Erst wenn wir Töne erzeugen, erklingt sie. Beim Erzeugen der Töne müssen verschiedene Muskeln und Körperteile des Menschen zusammenspielen. Das Atmen – genauer gesagt das Ausatmen – ist der Ursprung eines jeden Tons.

Soll ein Ton entstehen, muss zunächst Luft eingeatmet und dann wieder über den Kehlkopf hinausgepresst werden. Am Kehlkopf sitzen die Stimmlippen. Wenn nun die eingeatmete Luft wieder aus den Lungen gepresst wird, stößt sie auf einen Widerstand – auf die Stimmlippen. Die Luft drückt nun die elastischen Stimmlippen auseinander.

Durch die Geschwindigkeit, mit der der Luftstrom durch die enge Luftröhre strömt, entsteht nun an den geöffneten Stimmlippen ein Unterdruck, der dafür sorgt, dass diese durch den Sog wieder zusammengepresst werden. Dieses Wechselspiel von Öffnen und Schließen der Stimmlippen erzeugt den (Primär-)Ton, der auch Kehlkopfklang genannt wird.

Die Resonanzräume

Der Ton an den Stimmlippen gleicht eher einem Geräusch. Damit er für das menschliche Ohr hörbar wird, also Volumen bekommt, muss er in unserem Körper verstärkt werden. Diese Funktion erfüllen die Resonanzräume unseres Kopfes.

Resonanzräume sind die Mund- und Nasenhöhlen und der Rachenraum. Sie übernehmen die Aufgabe von Lautsprechern. Schreien, sprechen oder singen wir sehr laut, kommt unser ganzer Körper als Resonanzraum zum Einsatz. Aber die Resonanzräume verstärken nicht nur die Töne, sie geben ihnen auch ihren individuellen Klang.

Vom Klang der Stimme

Die Klangfarbe – also das unverwechselbare Timbre – einer menschlichen Stimme bildet sich auch durch die Anatomie der Resonanzräume, unter anderem der Beschaffenheit des Rachenraums, der Mund- und Nasenhöhle. Auch die Zahnstellung, Zungengröße und Lippenform spielen bei der Klangfarbe eine Rolle.

Darstellen lässt sich die individuelle Klangfarbe zum Beispiel an einem Musikstück, das zwei unterschiedliche Sänger vortragen. Auch wenn beide die gleichen Töne singen – der Klang ist individuell.

Hohe Stimmen, tiefe Stimmen

Stimmen haben aber nicht nur einen individuellen Klang. Sie sind unterschiedlich hoch oder tief. Darüber entscheidet die Anatomie des Kehlkopfes und der Stimmlippen. Grundsätzlich gilt: Je kürzer die Stimmlippen und je schmaler, desto höher die Stimme und umgekehrt.

So sind zum Beispiel die Stimmlippen eines Neugeborenen nur etwa sechs Millimeter lang. Bei einer erwachsenen Frau mit einer Sopranstimme haben die Stimmlippen eine Länge von rund 15 Millimetern. Bei einem erwachsenen Mann, der eine sehr tiefe Bassstimme hat, kann man rund 25 Millimeter messen.

Die Seele in der Stimme

Auch wenn jeder Mensch ein unverwechselbares Timbre hat, ist seine Stimme nicht jeden Tag gleich. An ihr erkennen wir, ob Menschen traurig, depressiv, wütend, beleidigt oder euphorisch sind. Je nach Gemütszustand benutzen wir Funktionen unseres Stimmapparats ganz unterschiedlich.

Sind wir depressiv, ist unsere Stimme langsam, schwach und ohne großen Elan. Unserem Körper fehlt Spannung – auch den Stimmlippen. Die Stimmlippen schließen sich langsamer und mit wenig Spannkraft, sodass unsere Stimme tiefer und gehaucht und dadurch undeutlicher und wenig präsent klingt.

Ganz anders, wenn wir guter Laune und voller Tatendrang sind. Der Körper ist angespannt, wir atmen tief ein und aus, sodass viel Druck auf den sich verkürzenden Stimmlippen ist: Die Stimme klingt höher, die Töne sind deutlich, klar und lauter. Wenn die Stimmlippen also heftig schwingen, dann erzeugen sie einen hohen Ton. Schwingen sie eher langsamer, dann ist der Ton tiefer.

Die Stimme als Musikinstrument

Was für das Sprechen gilt, gilt auch für das Singen. Wer singt, braucht dazu auch Lunge, Kehlkopf, Stimmlippen und Resonanzräume. Beim Singen werden die Töne länger gehalten und die Vokale mehr gedehnt. Eine besondere Bedeutung nehmen hierbei das Atmen und die Atemtechnik ein.

Die richtige Atemtechnik erlaubt die Steuerung des Atemdrucks und schafft den Raum im Körper, in dem die Stimme Volumen und Klang entfalten kann. Atmet man in den Brustkorb ein, füllt sich nur der obere Bereich der Lungenflügel und bläht den Brustkorb damit auf. Der untere Teil der Lunge ist wie abgeschnürt und bleibt ungenutzt. Versucht man so einen Ton hervorzubringen, klingt dieser verspannt und gepresst.

Das Geheimnis der richtigen Atemtechnik eines Sängers liegt im Bauch – genauer gesagt beim Zwerchfell. Atmet man in den Bauch, zieht die Bauchmuskulatur das Zwerchfell nach unten.

Ein Mädchen reißt den Mund auf.

Die richtige Atemtechnik ist wichtig

Das Zwerchfell – als Bindeglied zwischen Lunge und Bauchraum – zieht wiederum die Lungenflügel nach unten. So kann sich die einströmende Luft gleichmäßig in den Lungen verteilen, der Brustkorb bleibt entspannt.

Diese Atemtechnik ist der erste Schritt zum richtigen Stützen der Stimme. Beim trainierten Sänger führt das Atmen in den Bauch zu einer Stärkung der Rückenmuskulatur bis hinauf in die Schultern und bis in den Nacken. Diese Körperhaltung wirkt auch auf den Kehlkopf und damit auf die Stimmlippen. So wird die Stimme kontrollierbar.

Beherrscht der Sänger diese Atemtechnik, wird sein Körper zu einem großen Klangraum, wie der Körper eines Instruments. Es kommt zu einer vollständigen Umwandlung der Stimmenergie des Atems in Klangenergie.

Dieser Ausgleich zwischen Atemdruck und Stimmlippenspannung führt zum gestützten Ton. Dieses Phänomen kann man gut an einem Experiment demonstrieren: Hält man sich beim Singen eine Kerze vor den Mund, darf diese nicht flackern. Bei einer optimalen Tonproduktion wird also die gesamte Strömungsenergie des Atems in Klang verwandelt.

Quelle: SWR | Stand: 08.06.2020, 10:10 Uhr

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