Kanadabiber sitzt am Ufer eines Teichs in Manitoba (Kanada)

Kanada

Biber in Kanada

Der Biber ist das kanadische Nationaltier. Doch seine Beliebtheit wurde ihm früher oft zum Verhängnis – denn begehrt war vor allem sein Fell.

Von Katrin Lankers

Genialer Baumeister

Glooscap, ein Gott der Micmac-Indianer, soll einst den Riesenbiber versteinert und seine Nachkommen zu kleinerer Gestalt verdammt haben. So lautet eine Legende.

Wahr ist: In Nordamerika lebten einmal solche Riesenbiber, jüngste Funde sind etwa 10.000 Jahre alt. Bis zu 2,50 Meter groß wurden diese XXL-Biber.

Ihre heutigen Artgenossen in Kanada bringen es nur auf knapp die Hälfte. Trotzdem: So ein Biber ist ein ganz schöner Brocken mit bis zu 40 Kilogramm Körpergewicht – und ausgesprochen kräftigen Zähnen.

Bäume mit einer Stärke von bis zu 50 Zentimetern fällt er ohne große Anstrengung in nur einer Nacht. Die Stämme braucht das Säugetier als Baumaterial. "Vierbeinige Ingenieure" werden die Nager auch genannt, denn ihre Burg-, Damm- und Kanalbauten sind beeindruckende Konstruktionen.

Der Eingang zu ihren sogenannten Wohnkesseln liegt stets unter der Wasseroberfläche von flachen Flüssen oder Seen, der eigentliche Wohnbereich hingegen über dem Wasser.

Teils entstehen geräumige Burgen aus Ästen, Schilf und Schlamm mit ein bis zwei Wohnkammern. Muss der Biber das Baumaterial oder seine Nahrung – am liebsten frisst er Kräuter, Pflanzen und weiche Hölzer – über weite Strecken transportieren, baut er sich dazu Kanäle.

Um den Wasserstand in "seinem" Gewässer zu regulieren – den Eingang zu seiner Behausung möchte der Biber stets unter Wasser haben – konstruiert er Dammanlagen, die sogar Stauseen und Kraftwerke in Schwierigkeiten bringen können. Es gibt Dämme von bis zu 100 Metern Länge, die mehrere Biberfamilien gebaut haben.

Der kanadische Biber war ursprünglich in fast ganz Nordamerika heimisch – bis zu 100 Millionen Biber sollen dort zur Zeit der Eroberung durch die Europäer gelebt haben.

Begehrter Felllieferant

Der Pelzhandel war zunächst ein zufälliges Nebenprodukt auf der Suche nach der sagenhaften Nordwestpassage. Als der französische Seefahrer Jacques Cartier 1535 den St. Lorenz-Strom entdeckte, glaubte er, die mythische Wasserstraße gefunden zu haben, die ihn zum Pazifik bringen und ihm ein Vermögen durch den Chinahandel bescheren sollte.

Doch kurz hinter der Stelle, wo heute Montreal liegt, war der Traum ausgeträumt: Riesige Stromschnellen blockierten den St. Lorenz.

Cartier und seine Männer besuchten ein Indianerdorf in der Nähe. Die Ureinwohner ließen sich wohl sofort auf den Handel mit den Europäern ein – und waren so begeistert von den französischen Messern und Kesseln, dass sie ihnen ihre ganze Habe anboten, sogar die Biberpelze, die sie am Körper trugen.

In Europa rissen die Hutmacher Cartier die Biberpelze aus den Händen, denn sie eigneten sich hervorragend zur Herstellung von Filz. Die Nachfrage war bald so groß, dass französische Händler in der Neuen Welt ganze Indianerstämme als Berufsjäger beschäftigten.

Jacques Cartier vor einem hohen Holzkreuz zu Ehren des französischen Königs. Vor ihm stehen und knien einige Ureinwohner

Cartier brachte das Fell nach Europa

Im Laufe der Zeit nahmen die Europäer den Pelzhandel fest in ihre eigene Hand. Der Kapitän Samuel de Champlain traf bereits Anfang des 17. Jahrhunderts mit der erklärten Absicht in Neufrankreich ein, dort Pelzhandel zu betreiben.

Seine Idee: die Ware abzuholen statt auf die Lieferungen der Indianer zu warten. Die Frage war nur: Wie? Champlain kam auf den klugen Einfall, mutige Männer in Indianerkanus zu setzen und sie die traditionellen Wasserstraßen der Indianer hinaufzuschicken.

"Voyageurs" wurden diese Männer genannt – Reisende. Die Methode brachte ordentlich Gewinn und schon bald erkundeten die Franzosen die großen Seen, um den Handel auszuweiten.

Gejagt und geschützt

Die Briten hatten derweil ein Gewässer entdeckt, das noch weiter nach Westen reichte als die großen Seen: die Hudson Bay. Die "Hudson's Bay Company" wurde gegründet und leistete sich ab sofort erbitterte Konkurrenzkämpfe mit den Franzosen.

Als im Pariser Frieden 1763 Frankreich seine Provinzen in Nordamerika an Großbritannien abtrat, sahen die Inhaber der Hudson's Bay Company goldene Zeiten kommen.

Doch sie hatten sich getäuscht. Denn nun traten schottische Händler auf den Plan. Die "North West Company" oder auch die "Nor'Westers", wie sich die Schotten nannten, hängte die Briten beim Rennen um das Gebiet mit dem größten Pelzbestand des Kontinents ab: das arktische Stromgebiet. Nicht nur Biber lebten dort, auch Marder, Fischotter, Nerze, Wiesel, Füchse, Luchse und Wölfe erlegten die Pelzjäger in großen Mengen.

Zwei Biber schwimmen hintereinander zwischen Steinen, der eine schaut aus dem Wasser hoch.

Beliebt wegen ihres dichten Fells

Ende des 18. Jahrhunderts erlebte der Pelzhandel seine Blütezeit, beide Handelshäuser konnten große Gewinne einstreichen. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ging der Handel mit Biberpelzen zurück – nicht nur, weil das Material aus der Mode gekommen war, sondern auch, weil die Zahl der in Kanada lebenden Tiere stark abgenommen hatte.

In einigen Regionen Nordamerikas war der Biber zu dieser Zeit ausgerottet. Als Folge davon wurde die Biberjagd stark reglementiert, seitdem steigt die Population wieder an und hat sich stabilisiert.

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 19.06.2019)

Quelle: WDR

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