Hallighaus auf Warft, im Vordergrund Wasser.

Nordsee

Halligen

Die Halligen sind winzige Inseln an der nordfriesischen Küste. Sie sind nicht durch Deiche geschützt, sondern werden immer wieder vom Salzwasser überspült. Ihre Bewohner leben mit den Gezeiten und haben stets Vorräte im Haus, falls sie vom Festland abgeschnitten werden.

Von Christina Lüdeke

Die Nordsee nimmt – die Nordsee gibt

Die Halligen liegen nordwestlich von Husum in der Nordsee. So wie wir sie heute kennen, sind die Eilande zwischen drei und 960 Hektar groß und bilden in etwa einen Kreis um die Insel Pellworm. Teils sind sie Reste des Festlandes oder von Inseln, teils sind sie durch den Wechsel von Ebbe und Flut als Aufschwemmungen entstanden.

Touristen schätzen die Halligen wegen ihrer Ursprünglichkeit. Zahlreiche Küstenvögel sind auf den unberührten Landflecken heimisch, Scharen von Zugvögeln halten hier Rast auf dem Weg in ihr Winterquartier.

Als Geburtsstunde der Halligen gilt die "Große Mandränke", eine verheerende Sturmflut am 16. Januar 1362. Sie überspülte ein riesiges Landstück, die sogenannten Uthlande, und riss große Teile des Bodens mit sich fort. Übrig blieben die ersten Halligen.

Weitere schwere Sturmfluten in den folgenden Jahrhunderten setzten das Werk der Zerstörung fort. So zerschlug die Buchardiflut 1634 die hufeisenförmige Großinsel Alt-Nordstrand. Übrig blieben die Insel Pellworm und die Halligen Nordstrand und Nordstrandischmoor.

Auch kleinere Fluten veränderten stetig die Halliglandschaft. Gleichzeitig schufen die Gezeiten immer wieder neues Land. Bei jeder Tide spülten sie Sinkstoffe – vor allem Ton und Lehm – mit an, sodass sich nach und nach neue Halligen bildeten.

Zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert sollen über 100 Halligen existiert haben und wieder verschwunden sein. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelang es, die zehn verbliebenen Halligen zu sichern. Die gefährdeten Ufer werden inzwischen durch Steinkanten gegen Erosion geschützt. Die größte der Halligen ist Langeneß, die kleinste die Hallig Habel.

Die Karte zeigt die zehn Halligen. Sie liegen nordwestlich von Husum rund um die Insel Pellworm.

Die zehn Halligen in Nordfriesland

Hartes Halligleben

Die Halligen Hooge, Langeneß, Oland, Gröde und Nordstrandischmoor sind bewohnt. Gut 300 Menschen leben hier, viele Familien seit Generationen. Die Hallighäuser sind auf sogenannten Warften gebaut, auf von den Bewohnern aufgeworfenen Erdhügeln. Sie bilden – außer einigen Sommerdeichen – den wesentlichen Schutz gegen gefährliche Fluten.

Bei "Land unter" ragen nur noch diese kleinen Erdhügel aus dem Wasser. Seit den umfangreichen Küstenschutzmaßnahmen in den 1960er-Jahren erhielten außerdem fast alle Hallighäuser im oberen Stockwerk einen Schutzraum auf Stahlbetonpfeilern.

Besonders in früheren Zeiten war das Halligleben sehr hart. Die landwirtschaftlichen Erträge waren gering, ständig mussten die Bewohner mit einer Überflutung rechnen. Ackerbau wurde daher kaum betrieben. Stattdessen hielten die Bauern Schafe und Rinder.

Da es auf den Halligen keinerlei Frischwasserquellen gab, dienten allein mühsam aufgefangene Niederschläge als Wasserversorgung für Mensch und Tier.

Kühe, die durchs Watt von Nordstrandischmoor zum Festland getrieben werden.

Landwirtschaft ist nur noch ein Nebenerwerb

Eine zusätzliche Einnahmequelle bildete die Seefahrt: Vor allem im 17. und 18. Jahrhundert waren viele der männlichen Halligbewohner im Walfang oder in der Handelsschifffahrt tätig.

Wie alle Nordfriesen hatten sie einen guten Ruf in der Seefahrt; man sagte ihnen profunde Kenntnisse in Navigationslehre und Mathematik nach. Allerdings war besonders der Walfang sehr gefährlich, viele Seeleute ließen im Kampf mit den riesigen Tieren ihr Leben.

Als die Zahl der Wale in den küstennahen Buchten zurückging, mussten sie im offenen Meer gefangen werden, was noch gefährlicher war. Im Jahr 1777 wurden 27 Walfangschiffe vor Grönland vom Eis eingeschlossen, rund 300 Seeleute starben.

Nach dieser als "Totenreise" in die Seefahrtsgeschichte eingegangenen Fahrt sind im Walfang keine Kommandeure von den Halligen mehr verzeichnet.

Die Touristen kommen

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Gäste auf die Halligen. Einen solchen sommerlichen Ausflug nach Süderoog beschreibt zum Beispiel der Dichter Theodor Storm in seiner Novelle "Eine Halligfahrt" aus dem Jahr 1871.

Bis heute ist der Tourismus eine der wesentlichen Einnahmequellen auf den Halligen. "Früher galten die Nordfriesen als stur", sagt Otto Dell Missier, lange Zeit Bürgermeister auf der Hallig Hooge. "Mit dem Fremdenverkehr hat sich das geändert. Jetzt sind das alles freundliche Leute."

Tagesausflügler setzen mit dem Schiff von Schlüttsiel aus über – die Fahrt zur Hallig Hooge dauert gut 60 bis 70 Minuten. Besonders auf dieser Hallig, die tideunabhängig mit dem Schiff zu erreichen ist, ist der große Strom der Tagestouristen allerdings nicht nur Segen: Hooge hat nur knapp 100 Einwohner, während der Saison kommen jedoch zwischen 500 und 1000 Touristen pro Tag.

Große Mengen Abfall und Abwasser müssen entsorgt werden, viele Gäste betrachten die Bewohner und ihre reetgedeckten Häuser als eine Art großes Freilichtmuseum. Die Ruhe und Beschaulichkeit, die das Halligleben eigentlich ausmachen, kehren erst wieder ein, wenn die Ausflügler mit ihren Schiffen wieder abgelegt haben.

Für das Festland bilden die vorgelagerten Halligen einen natürlichen Küstenschutz. Um sie zu erhalten, muss allerdings ständig gearbeitet werden. So werden die Warften stetig erhöht, auch die Steinkanten, die die Halligen umgeben, müssen immer wieder ausgebessert werden.

Entsprechend sind viele Halligbewohner heute im Küstenschutz tätig, den Land und Bund gemeinsam finanzieren. Die Landwirtschaft als Erwerbsquelle hat nur noch einen relativ geringen Stellenwert.

Luftbild der Hallig Oland mit Warft und Steinbefestigung der Hallig zur Küste hin.

Die Befestigung der Hallig Oland aus der Luft

Natur pur – die unbewohnten Halligen

Riesige Scharen von Zugvögeln, heimische Küstenvögel, Muscheln, Kleingetier – die Halligen sind ein wahres Naturparadies. Seit dem 3. Februar 2005 gehört das Wattenmeer an der Westküste Schleswig-Holsteins zum "Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Halligen". So haben sich die bewohnten Halligen zum nachhaltigen Wirtschaften verpflichtet.

Für die unbewohnten Halligen gibt es noch deutlich strengere Auflagen: Die kleinste Hallig, Habel, darf gar nicht betreten werden. Auf die "Vogelhallig" Norderoog können Besuchergruppen von Hooge aus mit einem Wattführer wandern, allerdings nur außerhalb der Brutzeit.

Ebenfalls nur zu Fuß über den Meeresboden ist Süderoog zu erreichen, eine fast unbewohnte Hallig, auf der nur ein Ehepaar mit seinen Kindern das ganze Jahr über lebt. Pro Tide sind die Besuchergruppen hier auf 50 Personen begrenzt.

Eine zahlenmäßige Beschränkung für Besucher gilt auch für Südfall, das nur im Sommer von einem Ehepaar bewohnt und bewirtschaftet wird. Dorthin können Touristen aber auch mit einem Ausflugsschiff oder per Pferdekutsche gelangen. Einzig die Hamburger Hallig können Besucher unbegleitet erkunden, gegen Gebühr sogar mit dem Pkw.

Ein Schwarm von Nonnengänsen fliegt über die Hamburger Hallig.

Nonnengänse über der Hamburger Hallig

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 16.03.2021)

Quelle: WDR

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