Poster mit Mao Zedong vor der aufgehenden Sonne

Diktatoren

Mao Zedong

Mao Zedong wird bis heute in China wie ein Heiliger verehrt. Doch seine Herrschaft war gekennzeichnet durch Gewalt, Terror und Rechtlosigkeit. Der "Große Vorsitzende" brachte das Reich der Mitte an den Rand des Abgrunds.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Armenhaus China

Als Mao 1893 geboren wurde, war China ein Armenhaus. Die im Reich der Mitte herrschende Dynastie der späten Kaiserzeit war inkompetent und korrupt. Die Folge: Landesweit verelendete die chinesische Bevölkerung.

Von innen heraus schlecht geführt und völlig bankrott, wurde China von außen durch Kolonialmächte bedrängt und geknechtet – vom Deutschen Reich, Italien, den USA, vor allem aber von Japan.

Die Chinesen selbst wurden im eigenen Land ausgebeutet und wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Besonders die Japaner richteten entsetzliche Massaker unter der Zivilbevölkerung an.

Maos Eltern waren nur Bauern, hatten aber halbwegs ein Auskommen. Mao wurde nicht in verelendete Verhältnisse hineingeboren, er lernte beispielsweise lesen und schreiben. Doch wie alle bäuerlichen Existenzen wurde auch Mao mit Entbehrungen, Hunger und Not konfrontiert.

Mao Zedong, chinesischer Politiker (Todestag 09.09.1976)

WDR ZeitZeichen 09.09.2016 14:25 Min. Verfügbar bis 04.09.2096 WDR 5


Download

Mao wird Kommunist

Viele Chinesen, die unter den politischen und sozialen Missständen des frühen 20. Jahrhunderts schwer leiden mussten, fühlten sich zum Kommunismus hingezogen. Der Kommunismus schien die einzige Möglichkeit, die bestehenden ungerechten Verhältnisse umzukehren und aus der Verelendung herauszukommen.

Das Gesellschaftssystem des Kapitalismus war ideologisch durch die ausländischen Mächte besetzt, die China ausbeuteten. Als 1917 die Oktoberrevolution in Russland ausbrach, hofften viele Chinesen, dass sich auch das Reich der Mitte durch die Lehren des Marxismus-Leninismus von den Unterdrückern würde befreien können.

Die ersten Kommunisten waren also unzufriedene Idealisten. Genauso war Mao, ein junger Idealist, der die bestehenden Zustände ändern wollte. Wer in den 1920er-Jahren in China Kommunist wurde, hatte aber kaum etwas zu gewinnen und viel zu verlieren. Denn die damals herrschende Volkspartei Kuomintang regierte unter ihrem Vorsitzenden Chiang Kai-shek mit aller Härte, die Kommunisten wurden systematisch verfolgt.

Gründung der Kuomintang in China (am 25.08.1912)

WDR ZeitZeichen 25.08.2012 14:36 Min. Verfügbar bis 23.08.2052 WDR 5


Download

Wer damals Kommunist war, war es also aus echter Überzeugung. Unzählige Kommunisten wurden verfolgt und hingerichtet. Mao gelang es den brutalen Verfolgungswellen zu entkommen. Auf dem "Langen Marsch" konnte er im kommunistischen Lager die Führung übernehmen.

Schwarzweiß-Porträt des jungen Mao

Ein idealistischer Kommunist

Mao und der "Lange Marsch"

Auf der Flucht vor Chiang Kai-sheks Truppen mussten sich die Kommunisten unter schweren Verlusten aus dem Süden des Landes zurückziehen und nach Nordchina ausweichen. Es begann der sogenannte, legendär gewordene "Lange Marsch" von 1934/35, der in Wirklichkeit eine lange Flucht war.

Der Fluchtweg der Kommunisten erstreckte sich über eine Länge von 12.000 Kilometern. Von ursprünglich 100.000 bis 120.000 Kommunisten, die sich auf den Weg machten, überlebten nur etwa 10.000 die Entbehrungen und Strapazen der Irrfahrt.

Mitten auf dem "Langen Marsch" gab es Flügelkämpfe zwischen den Moskau-treuen Kommunisten und dem chinesischen Flügel mit Mao als Vorstand. Durch Seilschaften, Intrigen und taktisches Geschick putschte sich Mao ganz nach oben. Mao machte sich zur Nummer Eins in der Kommunistischen Partei Chinas.

Schwarzweiß-Foto: Mit einer Fahne in der Hand spricht Mao zu einer Menschenmenge

Während des "Langen Marsches" setzte sich Mao an die Spitze der Kommunisten

Chinas Nummer 1

Noch bis 1949 währten die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen der Kommunisten mit den Truppen Chiang Kai-sheks. Doch die Kommunisten gewannen die Oberhand, sie übernahmen das Ruder in China.

Mao war ganz oben angekommen: Am 1. Oktober 1949 proklamierte der "Große Vorsitzende" Mao Zedong in Peking auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" (Tienanmen-Platz) die Volksrepublik China. Doch diese Volksrepublik zeigte schon bald ihr wahres Gesicht: das einer kommunistischen Diktatur.

Zu Beginn der Machtübernahme durch die Kommunisten wurde Mao vom chinesischen Volk begeistert gefeiert. Er verstand es, den Chinesen etwas Entscheidendes zurückzugeben: Selbstwertgefühl und Vertrauen in die Zukunft.

Mao versprach das Ende der Unterdrückung und propagierte die glorreiche Wiederauferstehung des Reichs der Mitte – Balsam für die geschundene chinesische Seele. Und er versprach eine gerechtere Gesellschaft, eine radikale Umverteilung.

Auf diese Weise richtete Mao gleich zu Anfang seiner Herrschaft die Identität der Chinesen wieder auf und einte das Land mit einem neuen Nationalgefühl. Im Gegenzug ließ Mao sich mit einem monströsen Personenkult beweihräuchern, der in der Kulturrevolution der 1960er-Jahre perverse Ausmaße annehmen sollte.

Mao 1969 während der Feiern zum zwanzigjährigen Bestehen der Volksrepublik China. Er trägt eine Uniform. Auf der Mütze prangt ein roter Stern. Er klatscht in die Hände.

Ein Vierteljahrhundert lang war Mao an der Macht

Ein "kommunistischer Kaiser"

Mehr als ein Vierteljahrhundert lang bestimmte Mao die Geschicke seines Landes und zwang dem chinesischen Volk seinen Willen auf. Zu Anfang war Mao sicher ein innerlich überzeugter Kommunist. Doch dann war er in erster Linie seinem Machterhalt verpflichtet. In den Jahren 1949 bis 1959, auf der Höhe seiner Macht, sah sich der "Große Vorsitzende" der Kommunisten ausgerechnet in der Tradition der chinesischen Kaiser.

Maos Vorbild: Qin Shihuangdi, der erste Kaiser von China und ein besonders grausamer Herrscher, der im Jahr 221 nach Christus das Reich der Mitte mit äußerster Brutalität einte. Mao – im Krieg sozialisiert – war ein ausgesprochener Gewaltmensch, dessen Weltanschauung von den Kategorien Macht, Terror, und Menschenverachtung bestimmt war.

Porträt des chinesischen Kaisers Qin Shihuangdi.

Maos Vorbild: Qin Shihuangdi – der erste Kaiser von China

Dekadent und unbarmherzig

Mao war kein großer Theoretiker, kein Intellektueller, kein Denker. Die theoretischen Schriften des Marxismus-Leninismus interessierten ihn nie. Wenngleich Mao seine eigenen literarischen Ergüsse millionenfach unter das Volk brachte und als Pflichtlektüre verordnete – und daran vorzüglich verdiente –, ging er doch nicht als kommunistischer Theoretiker in die Literaturgeschichte ein.

Maos damals frenetisch gefeierte Phrasen wie "Der Revolutionär muss sich im Volk bewegen wie im Wasser" zeugen von eher bescheidenem literarischem Talent. Inzwischen gehen etliche Historiker sogar davon aus, dass die meisten seiner Schriften nicht einmal aus Maos eigenen Feder stammen.

Mao war darüber hinaus des Hochchinesischen nicht mächtig, sondern sprach ausschließlich den Dialekt seiner Heimatprovinz Hunan. Mao genoss ungeheure Privilegien und verstieß gegen alle Sittlichkeitsvorstellungen, alle Zwänge und Entbehrungen, die er seinem leidgeprüften Volk auferlegte. Millionenfach starben die Chinesen in der großen Hungersnot zu Beginn der 1960er-Jahre.

Mao dagegen aß und trank im Überfluss. Er führte ein ausschweifendes Sexualleben und ließ sich zahlreiche junge Mädchen zuführen, da er fest an die lebensverlängernden Praktiken der taoistischen Tradition glaubte. Er besaß Luxusautos, Villen und Schwimmbäder, auf Sonderkonten verfügte er über enorme Summen, auf die nur er Zugriff hatte.

Schwarzweiß-Foto: Mao am Strand

1960: Während sein Volk verhungert, macht Mao Urlaub am Strand

Von der Macht korrumpiert

Mit äußerster Brutalität und Menschenverachtung unterdrückte Mao jede Opposition im Land und überzog China mit einem Netz aus Terror und Misswirtschaft. Er war schlau, gerissen und instinktsicher, und besonders in späteren Jahren nur sich und seinen Interessen verpflichtet, ausgestattet mit einem absoluten Willen zur Macht.

Mao war beratungsresistent und tolerierte weder Kritik noch andere Meinungen. Durch diese unbegrenzte Macht bis ins Mark korrumpiert, bestimmte schließlich tiefes Misstrauen den Umgang selbst mit seiner engsten Umgebung. Mao schottete sich am Ende gegen alles und jeden ab und vertraute nur noch sich selbst. Er verlor den Bezug zur Realität, zu seinem eigenen Volk. Er starb am 9. September 1976, im Alter von 82 Jahren, an den Folgen seines dritten Herzinfarkts.

Propagandaplakat der 1960er Jahre

Personenkult während der Kulturrevolution 1969

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 30.06.2021)

Quelle: WDR

Darstellung: