Tiere im Winterschlaf

Planet Wissen 02.02.2024 03:14 Min. UT Verfügbar bis 04.03.2027 WDR

Phänologie

Wie Tiere überwintern

Im Winter ist es in Deutschland oft klirrend kalt. Deshalb schützen sich viele Tiere mit einem dichten Fell oder verstecken sich in Erdlöchern oder Baumhöhlen. Fische bleiben tief unter dem Eis. Und manche Insekten benutzen physikalische Tricks.

Von Eva Prost und Anette Kiefer

Eichhörnchen: Meister der Isolation

Das Eichhörnchen etwa ist ein Experte in Sachen Isolation. Sein Markenzeichen ist der plüschige, rotbraune Pelz. Der kleine Nager hält keinen Winterschlaf, sondern nur Winterruhe. Er rollt sich in seinem weich gepolsterten Baumnest, dem Kobel, zusammen und benutzt den Schwanz als kuschelige Bettdecke.

Hin und wieder wacht das Eichhörnchen auf, um draußen nach versteckten Nüssen und Tannenzapfen zu graben. Bei diesen Ausflügen in die Kälte muss es seine normale Körpertemperatur von etwa 38 Grad Celsius aufrechterhalten. Dabei hilft ihm sein Pelz.

Physikalisch betrachtet ist ein Pelz ein besonders schlechter Wärmeleiter, kurz ein Isolator. Es mag überraschen, doch das Wichtigste sind nicht die vielen Haare im Fell des Eichhörnchens. Viel wichtiger ist die Luft, die zwischen den Härchen eingeschlossen wird.

Ein Eichhörnchen hat eine Nuss im Mund und sitzt im Schnee

Die Luft zwischen seinen Fellhaaren hält das Eichhörnchen warm

Luft ist nämlich ein ganz besonders guter Isolator. Anders als etwa Metalle leiten Gase Wärme äußerst schlecht weiter. Beim Eichhörnchen schließen die Fellhaare die warme Luft ein und verhindern, dass sie von der Haut des Eichhörnchens wegströmt und es auskühlt. So bleibt es auch im kalten Winter schön warm.

Auch Menschen benutzen eingeschlossene Luft als Isolator. Daunenjacken und Wollpullis wärmen unseren Körper im Winter. Und mit lufthaltigen Materialien wie Schaumstoff, Styropor oder Glaswolle können wir unsere Häuser isolieren.

Igel: Winterschlaf im Energiesparmodus

Auch der Igel kennt sich mit Isolation aus – und mit dem Energiesparen. Der Igel ist Winterschläfer. Zum Herbst frisst er sich eine Fettschicht an und zieht sich zum Schlafen in einen Laubhaufen zurück. Dabei schaltet der Igel auf Sparflamme: Die Körpertemperatur sinkt auf fünf Grad Celsius, das Herz schlägt langsam, das Tier verbrennt wenig Fett.

Wie die Pelztiere setzt auch der Igel auf Isolation. Dabei verwendet er jedoch keine Luft, denn seine Stacheln können diese nicht festhalten. Der Igel verlässt sich stattdessen auf seinen Bauchspeck.

Seine Körpertemperatur von 35 Grad Celsius könnte der Igel im Winter nicht aufrechterhalten. Dafür reicht die Energie des Winterspecks nicht. Der Igel senkt deshalb seine Körpertemperatur um ganze 30 Grad Celsius. Und spart dadurch gleich doppelt Energie: Zum einen verbraucht er weniger Heizenergie, zum anderen verlangsamt sich durch die Abkühlung sein Stoffwechsel.

Schlafende Igel in einem Nest aus Blättern.

Igel schlafen gern den ganzen Winter lang

So benötigt er pro Tag weniger Energie für Atmung und Herzschlag. In der Naturwissenschaft gibt es dafür die so genannte Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel (RGT-Regel). Sie besagt, dass eine Reaktion umso langsamer verläuft, je kälter es ist. Das gilt für chemische Experimente ebenso wie für biologische Prozesse. Glück für den Igel, denn so reichen seine Fettreserven für den ganzen Winter.

Fische: Überleben im "unnormalen" Wasser

Die Fische im See tauchen bei Frost in die Tiefe hinab. Sie wissen: Hier unten friert es zuletzt. Denn Wasser, die wichtigste Flüssigkeit unseres Planeten, hat physikalisch so ungewöhnliche Eigenschaften, dass Wissenschaftler sogar von der "Anomalie des Wassers" sprechen.

Die meisten Stoffe ziehen sich beim Abkühlen und Erstarren zusammen. Wasser dagegen gefriert zuerst an der Oberfläche. Eis wird auch nicht schwerer als flüssiges Wasser und sinkt deshalb nicht auf den Boden. Statt dessen dehnt Wasser sich beim Gefrieren aus. Es wird also leichter und schwimmt auf der Oberfläche.

So bildet sich eine geschlossene Eisdecke auf dem See. Sie isoliert das darunter liegende Wasser, so dass ein See nur selten bis auf den Grund zufriert.

Die Fische bevorzugen deshalb im Winter die tieferen Wasserschichten, wo das Wasser am wärmsten ist. Exakt vier Grad Celsius herrschen hier, denn bei dieser Temperatur hat das Wasser sein maximales Gewicht erreicht. Die Fische können hier auf das Tauwetter warten. Sie wissen nicht, wie ungewöhnlich das eigentlich ist.

Begegnung eines Tauchers mit Brachsen beim Eistauchen

Fische wissen: Am Boden des Sees friert es zuletzt

Marienkäfer: Frostschutzmittel im Blut

Insekten haben im Lauf der Evolution eigene Strategien entwickelt, um mit der Kälte klarzukommen. Einige Arten produzieren ein körpereigenes Frostschutzmittel – zum Beispiel der Marienkäfer. Erwachsene Marienkäfer überwintern in großen Gruppen unter Baumrinden oder in Felsritzen. Mit Einbruch der Kälte fallen sie in Winterstarre und kühlen aus. Ihre Körpertemperatur kann sogar unter null Grad Celsius sinken. Das Glycerin in ihrem Körper schützt sie vor dem Kältetod.

Physikalisch betrachtet senkt Glycerin den Gefrierpunkt von Wasser. Die zähe, farblose Flüssigkeit stört den Gefrierprozess, so dass ein Gemisch aus Glycerin und Wasser erst unterhalb von Null Grad Celsius erstarrt.

So gefriert die Körperflüssigkeit des Marienkäfers bei leichten Minusgraden noch nicht. Dies ist überlebenswichtig. Denn wenn Wasser in den Körperzellen gefriert, dann zerstören Eiskristalle das Gewebe. Stirbt das Tier nicht an der Kälte, so würde es an den inneren Verletzungen zugrunde gehen.

Außer Glycerin können auch Traubenzucker und Harnstoff als körpereigene Frostschutzmittel wirken. Besonders beliebt sind solche Stoffe auch in der biologischen und medizinischen Forschung. Wissenschaftler lagern Bakterienkulturen oder Organproben bei minus 80 Grad Celsius. Damit Eiskristalle die Zellen dabei nicht schädigen, verwenden auch sie häufig Glycerin oder verwandte Chemikalien.

Ein Asiatischer Marienkäfer sitzt an einem Pflanzenstängel

Marienkäfer haben Glycerin im Körper

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 03.03.2022)

Quelle: WDR

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