Gartenkultur

Gärten als Spiegelbild des Zeitgeistes

Politische oder religiöse Anschauungen spiegelten sich oft in der Gartengestaltung. Die Heiterkeit der Renaissance, der Prunk des Barock oder die Natürlichkeit der Aufklärung: Der Zeitgeist einer Epoche spiegelt sich auch in ihren Grünflächen wider.

Von Sabine Kaufmann

Renaissance-Gärten: Ästhetik für die Außenwelt

Im 15. Jahrhundert setzte sich in Italien die philosophische Anschauung des Humanismus durch. Das Individuum mit seinem Denken und seinen Bedürfnissen wurde entdeckt, eine leichte, heitere und nach außen hin geöffnete Ästhetik bahnte sich an.

Das neue Kunstverständnis der Renaissance spiegelte sich auch in der Gartengestaltung wider. Der Garten wurde als das Entreé des Hauses betrachtet und war zur Außenwelt hin geöffnet.

Im Gegensatz zu den abgeschotteten Klostergärten befanden sich in den Renaissance-Gärten nur noch kleine eingefriedete Teile, in denen Haine gepflanzt sowie Lauben und Grotten angelegt wurden.

Typisch für die Gärten dieser Zeit waren gerade Wegachsen, terrassenförmige Anlagen, Buchsbaum-Ornamente, heitere Blumenbeete und vor allem viele Fontänen und Wasserspiele.

Villa d'Este – Italienische Gartenkunst

Einer der berühmtesten italienischen Renaissancegärten ist der der Villa d'Este, der im 16. Jahrhundert in Tivoli, östlich von Rom, angelegt wurde.

Der Gartengrundriss des Kardinals Este hat eine besondere Dreidimensionalität, die sich aus der exponierten Lage der Villa und ihrer Terrassenanlage ergibt. Alle Wege, Haupt- und Querachsen laufen auf das Gebäude zu, das inzwischen zum Weltkulturerbe der Unesco gehört.

Die Konzeption sieht außerdem vor, dass man beim Durchschreiten des Gartens von dunklen feuchten Arrangements wie den Grotten in das gleißende Sonnenlicht tritt. Auf diese Weise folgen ganz unmittelbar die vier Elemente Wasser, Erde, Feuer und Luft aufeinander.

Beeindruckend ist die Vielzahl der Wasserspiele und Fontänen, die selbst in der Trockenzeit des Hochsommers nicht versiegen. Das liegt an einem schier unerschöpflichen Wasserreichtum, der dem Baumeister zur Verfügung stand: Ein Teil des Flusses Anio wurde in die Gartenanlage geleitet.

Die Villa d'Este ist Weltkulturerbe | Bildquelle: akg

Pompöse Parkanlagen des Barock

Der französische Barock-Garten ist eine Weiterentwicklung und Steigerung des Renaissancegartens. Wichtige Merkmale waren weite symmetrische Sichtachsen und geometrische Formen. Alle Blumenarrangements und gärtnerischen Gestaltungselemente mussten dem Gesamtensemble untergeordnet werden.

Der französische Garten, der mit seiner üppigen barocken Gestaltung Einfluss auf ganz Europa hatte, ist eine Schöpfung, wie sie von der Epoche Ludwigs XIV. geprägt wurde.

In seiner Vollkommenheit war der barocke Garten Ausdruck des königlichen Absolutismus. Hier erreichte die Gartenkunst zum ersten Mal eine Gleichsetzung mit anderen Kunstgattungen.

André le Nôtre war der Urheber des typischen französischen Gartens. Im Auftrag des französischen Finanzministers Nicolas Fouquet legte er ab 1650 um dessen Schloss Vaux-le-Vicomte einen Garten an. Dieser sollte kein abgeschiedener Privatgarten werden, sondern ein repräsentativer Ort, der den glanzvollen Rahmen für luxuriöse Feste bot.

Der ganze Garten sollte in seiner Ausdehnung und Gestaltung auf einen Blick erfassbar sein und wurde deshalb in seiner Form lang und schmal angelegt. So sollte man von der obersten Terrasse den Blick in die Ferne schweifen lassen können, ohne dass er von den Seiten abgelenkt würde.

Gärtnerei als Zeichen der Macht | Bildquelle: dpa

Versailles – Inbegriff barocker Gartenkunst

Der Sonnenkönig Ludwig XIV. schaute voller Neid auf den Garten des Finanzministers. Er verlangte, dass seine Parkanlage rund um das Schloss Versailles dem Garten von Vaux-le-Vicomte in nichts nachstand.

So wurde der Park von Versailles zum Inbegriff des barocken Gartens. Er ist vollkommen geometrisch angelegt, weite Blickachsen bestimmen das Gesamtensemble. Um zu zeigen, dass man die Natur völlig beherrschte, wurden die Sümpfe trockengelegt und der Geometrie des Gartens untergeordnet.

So wie der absolutistische Herrscher Ludwig XIV. sich als Zentrum der politischen Macht empfand, so war auch der Garten von Versailles ganz auf den Sonnenkönig hin ausgerichtet.

Nach dessen Tod im Jahr 1715 ging das Interesse an den Anlagen allerdings verloren. Niemand in Frankreich war bereit, die riesigen Gärten zu unterhalten und zu pflegen. Außerdem war der französische Garten schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Kritik von Vertretern des englischen Landschaftsgartens ausgesetzt.

Versailles: Inbegriff der barocken Protzerei | Bildquelle: dpa

Zurück zur Natur: der englische Landschaftsgarten

"Die Natur verabscheut gerade Linien." Diese Aussage des englischen Gartenbauarchitekten William Kent bringt die Philosophie des englischen Landschaftsgartens auf den Punkt.

Die englischen Gartengestalter wie Lancelot Brown und Humphrey Repton distanzierten sich bewusst von den strengen Sichtachsen, den geometrisch angelegten Beeten und gezirkelten Buchsbäumchen des französischen Barockgartens.

Diese Ablehnung entsprang dem philosophischen Denken der Aufklärung, das in der "Unnatur" der absolutistischen Barockgärten ein Pendant zur Unterdrückung des Menschen sah.

Der Garten der freiheitsliebenden Aufklärung wurde nun ganz natürlich wie eine Landschaft angelegt. Die Natur wurde nicht mehr beherrscht und unter bestimmte Regeln gezwungen, sondern sollte sich entfalten können.

Durch viele abwechslungsreiche Elemente wie angelegte, aber natürlich wirkende Teiche und Seen, verschlungene Wege oder weite Rasenflächen sollte sich der Spaziergänger besonders intensiv mit der Natur verbunden fühlen.

Der Natur wurde ihr freier Lauf gelassen, Bäume nicht mehr beschnitten und Böden absichtlich uneben oder als Hügel angelegt. Parallelen zur Malerei wurden dabei bewusst gesucht, so dass der englische Landschaftsgarten die Perfektion eines Naturgemäldes ausstrahlen sollte.

Zur Abrundung der Harmonie legten die Gartenarchitekten oftmals, wie in Stowe Landscape Gardens – fünf Kilometer von Buckingham entfernt – kleine Denkmäler, griechische Tempel oder Brücken an.

Doch keines der Bauwerke war, wie William Kent beteuerte, nur reine Dekoration. Vielmehr sollten sie "Symbole für die Höhepunkte englischer Geschichte" sein.

Perfektion eines Naturgemäldes | Bildquelle: akg