Reptilien und Amphibien

Schildkröten

Seit mehr als 200 Millionen Jahren bevölkern Schildkröten unseren Planeten. Sie gehören damit zu den ältesten Wirbeltieren. Schildkröten sind beliebte Haustiere. Ihre gutmütige, behäbige Art und die großen Augen lassen Schildkröten niedlich erscheinen. Doch es sind und bleiben Reptilien. Feinde haben sie kaum. Nur den Menschen müssen sie fürchten, da er ihnen immer mehr Lebensraum nimmt.

Von Christiane Gorse

Älter als die Dinosaurier

Schildkröten zählen zusammen mit anderen Reptilien zu den ältesten, höher entwickelten Tierarten auf unserem Planeten. Meeresschildkröten existieren seit 150 Millionen Jahren, Landschildkröten sogar vermutlich seit 250 Millionen Jahren.

Sie haben im Laufe der Erdgeschichte alle Widrigkeiten überstanden. Weder Naturkatastrophen noch die Eiszeiten konnten ihnen etwas anhaben – im Gegensatz zu den Dinosauriern. Schildkröten sind anpassungsfähig.

Sind die Witterungsbedingungen schlecht, kann sich der Schlupf der Nachkommen auch einmal hinauszögern und so mehr Nachkommen das Überleben sichern. Während der Eiszeit besiedelten sie die wärmeren Zonen der Erde und eroberten sich später verloren gegangenes Terrain zurück.

Nicht zuletzt haben Schildkröten kaum natürliche Feinde. Sind sie erst einmal ausgewachsen, schützt sie ein mächtiger Panzer, sodass nur wenige Großtierarten ihnen etwas anhaben können.

Der größte archäologische Fund eines Schildkrötenfossils ist an die 70 Millionen Jahre alt. Das Skelett einer urzeitlichen Wasserschildkröte ist vier Meter lang und stammt aus South Dakota/USA. Anschauen kann man es sich im Naturhistorischen Museum in Wien.

Halswender und Halsberger

Grundsätzlich werden Schildkröten in zwei Unterordnungen eingeteilt: in Halswender und Halsberger. Die Schildkrötenarten unterscheiden sich grob durch die Art und Weise, wie sie ihren Kopf einziehen.

Die Halswender krümmen ihren Hals S-förmig und legen so den Kopf waagerecht unter den Panzer. Halswender leben vor allem im Süßwasser und auf der südlichen Erdhalbkugel.

Die Halsberger dagegen ziehen den Kopf in den Panzer hinein und krümmen ihn erst dort S-förmig, aber senkrecht. Halsberger-Schildkröten leben eher auf der nördlichen Halbkugel. Alle europäischen Arten sind Halsberger-Schildkröten.

Schutz ist alles – der Panzer

Reptilien wie Schlangen schützen sich vor dem Austrocknen in heißen Gebieten durch Schuppen. Diese Aufgabe übernimmt bei den Schildkröten der Panzer. Außerdem schützt er vor Feinden, denn die meisten Schildkröten können Kopf und Beine einziehen.

Der Panzer besteht aus einer Knochenschicht, die mit Hornplatten (manchmal auch einer Lederhaut) überzogen ist. Auch der Bauch ist verknöchert. Anders als bei Schnecken ist der Panzer bei der Schildkröte fest mit dem Skelett verbunden und wächst mit.

Orientierung im Lebensraum – die Sinne

Schildkröten sehen sehr gut. Sie können Farben sogar besser unterscheiden als Menschen. Sie haben wie alle Reptilien vier verschiedene Farbrezeptoren und können daher auch Infrarot- und Ultraviolett-Strahlung wahrnehmen.

Schildkröten können auch sehr gut riechen. Wasserschildkröten nehmen Duftstoffe über kauend-pumpende Bewegungen des Unterkiefers und Halses wahr. Ihre Geruchsrezeptoren befinden sich im Rachen. Über den Duft erkennen Schildkröten nicht nur ihr Fressen, sondern auch ihre Partner.

Und sie nutzen den "Duft" der Umgebung auch zur Orientierung. Berühmt sind die weiten Wanderungen der Meeresschildkröten. Sie legen oft Tausende von Kilometern in den Ozeanen zurück, ehe sie wieder den Strand ihrer Geburt aufsuchen, um dort Eier abzulegen.

Offenbar können sie sich am Magnetfeld der Erde orientieren, aber sie scheinen ihre Reiseroute sozusagen auch zu "erriechen" – typische Duftspuren in den Ozeanen weisen ihnen den Weg.

Hören können Schildkröten dagegen nicht so gut. Sie nehmen vor allem tiefe Schallfrequenzen wahr, Vibrationen in der Umgebung, wie zum Beispiel Fußtritte.

Schildkröten sehen und riechen erstaunlich gut | Bildquelle: WDR/Mauritius/Flirt

Fortpflanzung und Nachkommen

Männchen und Weibchen gehen meist getrennte Wege. Nur zur Paarungszeit suchen die Männchen die Weibchen. Zur Fortpflanzung setzt das Männchen beim Weibchen auf. In der Regel ist beim Männchen deshalb die Panzerunterseite nach innen gewölbt, damit es sich besser anschmiegen kann.

Bei manchen Schildkrötenarten können die Weibchen die Samen speichern, sodass sie über Jahre ihre Eier befruchten können. Das Weibchen sucht zur Eiablage einen geeigneten Ort. Er sollte etwas erhöht und sicher vor Wasser sein. Die meisten Schildkrötenarten vergraben ihre Eier – insbesondere die Meeresschildkröten. Das Ausbrüten der Eier übernimmt die Sonne.

Bei den meisten Schildkrötenarten (wie bei vielen Reptilien übrigens auch) entwickelt sich das Geschlecht in Abhängigkeit von der Temperatur während der Brutzeit. Ein Gelege in der prallen Sonne wird eher Schildkrötenweibchen produzieren, ein Gelege im Schatten eher Männchen. Auch diese Eigenschaft kann das Überleben der Art sichern helfen.

Durch die zunehmende Erderwärmung gerät das Geschlechtergefüge immer stärker aus dem Gleichgewicht. Da es immer heißer wird, dominieren zunehmend die Weibchen (bei Krokodilen ist es umgekehrt: Hier sind die Nachkommen durch die höheren Temperaturen immer öfter männlich).

Die meisten Schildkrötenarten vergraben ihre Eier | Bildquelle: dpa/WILDLIFE

Meeres- und Wasserschildkröten

Wasserschildkröten sind die Jäger unter den Schildkröten, denn in ihrem Element können sie beachtliche Geschwindigkeiten erreichen. Ihr Panzer ist flacher und stromlinienförmiger als der der Landschildkröten, ihre Füße sind flossenartig beziehungsweise haben Schwimmhäute zwischen den Krallen (zum Beispiel Sumpfschildkröte).

Manche Meeresschildkröten können mehrere Hundert Meter tief tauchen, stundenlang ohne neuen Sauerstoff auskommen. Möglich wird dies durch die Verlangsamung ihres Herzschlages. Alle Arten sind exzellente und schnelle Schwimmer.

Auch ihre Augen sind an das Lebenselement Wasser angepasst: Die Augenlinse gleicht den Brechungswinkel des Wassers aus, sodass Schildkröten auch unter Wasser scharf sehen können.

Auch Meeresschildkröten legen ihre Eier an Land ab, meistens immer wieder am Ort ihrer Geburt. Dazu schwimmen sie oft viele Tausend Kilometer weit. Zu den bekanntesten Meeresschildkröten gehören die "Echte Karrettschildkröte", oft gejagt wegen ihres schönen Panzers, sowie die Suppenschildkröte, die gerne verspeist wird.

Bemerkenswert ist auch die Lederschildkröte. Sie ist die größte noch lebende Wasserschildkröte. Eine Lederschildkröte, die 1988 in einem Fischernetz ertrank und in Wales an Land gespült wurde, wog 752 Kilogramm.

Einige Wasserschildkröten haben besonders raffinierte Fangmethoden. Die Geierschildkröte beispielsweise besitzt einen kleinen roten Zungenfortsatz, der einem Wurm ähnelt. Unter Wasser sperrt sie ihr Maul weit auf und bewegt leicht ihre Zunge. Nähert sich ein Fisch der vermeintlichen "Wurm-Beute", schnappt die Geierschildkröte schnell zu.

Auch die Fransenschildkröte hat eine einmalige Taktik: Sie lebt gut getarnt – von grünen Algen bewachsen – am Grund. Schwimmt ein Fisch vorbei, reißt sie ihren riesigen, tief gespaltenen Rachen urplötzlich weit auf. Dadurch entsteht ein gewaltiger Sog, der das Opfer in den Schlund reißt.

Der Panzer der Meeresschildkröten ist flacher und stromlinienförmiger | Bildquelle: WDR/Imago

Landschildkröten

Landschildkröten sind meist Pflanzen- oder Aasfresser. Daher reicht es, wenn sie gemütlich von einer Pflanze zur nächsten laufen können. Schnell sein müssen sie als Vegetarier nicht. Landschildkröten haben Füße mit Krallen, um Hindernisse besser bewältigen zu können. Und ihr Panzer ist eher hoch gewölbt, weniger stromlinienförmig, dafür härter als der von Wasserschildkröten.

Landschildkröten haben sich den klimatischen Bedingungen ihrer Umgebung und auch den wechselnden Jahreszeiten sehr gut angepasst. Die Arten, die in nördlichen Gefilden wohnen, verfallen in eine Kältestarre oder Winterruhe, wenn es im Herbst kalt wird.

Zu den bekanntesten Landschildkröten gehören die Riesenschildkröten. Sie können bis zu 250 Kilo schwer werden. Ihre Heimat sind die Galapagos-Inseln und die Seychellen. Früher gab es sie in großer Zahl, heute sind sie fast ausgestorben stehen unter Artenschutz.

Bekannt sind auch die "Maurischen" und "Griechischen Landschildkröten". Sie sind die häufigsten Schildkrötenarten, die privat gehalten werden.

Manche Landschildkröten können ein biblisches Alter erreichen. 2006 starb mit "Harriet", die noch Charles Darwin dem Zoo in Brisbane/USA schenkte, die wohl älteste Riesenschildkröte der Welt. Sie wurde 176 Jahre alt.

Als Vegetarier müssen Landschildkröten nicht gerade schnell sein | Bildquelle: dpa/Felix Kästle

Stark gepanzert und doch bedroht

Etliche Schildkrötenarten gehören zu den bedrohtesten Wirbeltieren der Erde. Die Echte Karrettschildkröte ist wegen ihres schönen Panzers auch heute noch sehr begehrt. Der Panzer lässt sich zu Schmuck oder Handtaschen weiterverarbeiten.

Ein großes Problem für die "Echte Karettschildkröte" sind außerdem die immer seltener werdenden Eiablagemöglichkeiten. Viele ihrer Heimatstrände werden mittlerweile vom Tourismus heimgesucht.

Traditionelle "Schildkröten-Strände" fallen Hotelanlagen und anderen Neubauten zum Opfer. Außerdem gelten in manchen Ländern die Eier vieler Schildkröten als Delikatesse. Noch während die Schildkröte Eier legt, werden die ersten schon eingesammelt und zum Verkauf abtransportiert.

Auch die Riesenschildkröte ist bedroht. Früher wurde sie massenhaft als lebender Fleischvorrat mit auf See genommen. Gleiches gilt für die Suppenschildkröte, die noch heute in asiatischen Ländern gerne gegessen wird. Insbesondere in China, aber auch in anderen südostasiatischen Staaten, gelten Schildkrötengerichte als Statussymbol.

Traditionell war in China Schildkrötenfleisch eine Speise, die dem Kaiser vorbehalten war. Heute serviert jeder, der etwas auf sich hält, Schildkrötengerichte. Hinzu kommen traditionelle Vorstellungen, nach denen man durch den Fleischverzehr ebenso alt und fruchtbar werden kann wie eine Schildkröte.

Ihr wunderschöner Panzer wurde der Echten Karettschildkröte zum Verhängnis | Bildquelle: WDR/Interfoto/Reinhard Dirscherl

(Erstveröffentlichung 2007, letzte Aktualisierung 06.11.2017)