Eisschollen und Schiff auf der Oder.

Oder

Schifffahrt auf der Oder

Die Oder ist ein launischer Fluss: Manchmal führt sie über Monate so wenig Wasser, dass die Schifffahrt komplett zusammenbricht. Und im Winter kann es zu gefährlichem Eisstau kommen. Ein Fall für die Oder-Eisbrecher!

Von Alexandra Trudslev

Die Kapitäne klagen seit Jahrhunderten

Die Oder stellt die Kapitäne und ihre Schiffe seit Jahrhunderten vor harte Bewährungsproben: Oft sind die Fahrrinnen so niedrig, dass nur speziell angefertigte Frachter auf dem Strom verkehren können. Die ersten urkundlichen Erwähnungen der Oder-Schifffahrt gehen auf das Jahr 1211 zurück. Erst im Jahre 1856 konnte der erste Dampfer bergwärts von Stettin bis Breslau geschleppt werden.

"Ebenso alt wie die Schifffahrt sind auch die Klagen über die schlechte Fahrstraße", heißt es in einer Dokumentation des Wasser- und Schifffahrtsamtes Eberswalde. So hätten die ersten Kapitäne, die Leubuser Mönche, ganze Heerscharen an berittenen Knechten vor ihre Schiffe geschickt, damit diese das beste Fahrwasser suchten und mit Strohwischen absteckten.

Bis 1969 befuhren Schleppkähne die Oder. Erst danach wurde per Erlass durchgesetzt, dass die Waren nur noch mit Motorgüterschiffen transportiert werden durften.

Wenn das Packeis zupackt

Im Vergleich zum Rhein oder zur Elbe war die Oder-Schifffahrt verhältnismäßig unbedeutend. Der Fluss berührt zu wenige wirtschaftliche Ballungsräume – und tückisch ist diese Wasserstraße immer noch: Neben den häufigen Niedrigwasserständen, die in einigen Monaten die Schifffahrt zum Erliegen bringen können, gefährden regelmäßig Packeis und plötzlich auftretender Eisstau Schiff und Mensch.

Die Oder ist einer der wenigen Flüsse in Mitteleuropa, die immer wieder komplett zufrieren. Im Kampf gegen die gefährlichen Eisdecken setzen die polnischen und deutschen Schifffahrtsämter gemeinsam bis zu 14 Eisbrecher ein.

Im Januar 2003 waren diese speziellen Schiffe ganze elf Tage lang im Großeinsatz auf der Oder und brachen dabei eine Eisdecke von etwa 150 Kilometern Länge auf. Damit konnten sie womöglich eine Wiederholung des bis dahin schlimmsten Eisstaus von 1947 verhindern.

In jenem Jahr hatte ein besonders strenger Winter die gesamte Oderregion fest im Griff. Dicke Packeisschollen schoben sich übereinander und verursachten so einen Deichbruch bei Reitwein. Eine fatale Stelle, denn das Eiswasser überflutete das dicht besiedelte Oderbruch. Zahlreiche Menschen und Tiere starben. Damals waren Eisbrecher Mangelware, der Schaden belief sich auf umgerechnet 15 Millionen Euro.

Blick über einen Eisstau vom deutschen Ufer der Oder in Küstrin-Kietz (Brandenburg)

Durch Eisstau steigt auch der Wasserpegel

Der Kampf gegen Katastrophen

Heute gehört der Katastrophenschutz zu den wichtigsten Aufgaben der Schifffahrtsämter. Sie beurteilen die Gefahrenlage, verständigen ihre ausländischen Kollegen und entscheiden, welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Einige Schiffe der zuständigen Eisbrecher-Flotte stammen allerdings noch aus den 1950er-Jahren. Modernere Exemplare werden dringend benötigt und nach und nach in Auftrag gegeben.

Und so ein moderner Brecher hat es wahrlich in sich: Bis zu 800 PS schlummern im Inneren, damit kann er etwa 18 Kilometer pro Stunde im Eis zurück legen. Natürlich darf er auf keinen Fall zu tief im Wasser liegen. Für die Oder gilt: Mehr als 1,50 Meter Tiefgang darf ein Eisbrecher nicht haben. Die Konstruktionen dieser speziellen Schiffe werden mittlerweile europaweit ausgeschrieben.

Auf der Oder fahren im Hintergrund. Im Vordergrund sieht man eine Eisscholle

Eiszeit auf der Oder

(Erstveröffentlichung: 2005. Letzte Aktualisierung: 18.06.2019)

Quelle: WDR

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