Illustration: Flussbarsch (Perca fluviatilis)

Fische

Die Sinne der Fische

Wasser stellt andere Anforderungen an die Sinnesorgane als Luft. Deshalb haben Fische spezialisierte Mechanismen entwickelt, um sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden.

Von Pia Grzesiak

Sprechende Fische

Unter Wasser wird heftig gegrunzt, gequakt und geknurrt. Weil Töne aus dem Wasser nur selten an ein menschliches Ohr gelangen, nehmen wir häufig an, die Unterwasserwelt sei stumm. Weit gefehlt.

Fische geben Laute von sich, um mit anderen Fischen zu kommunizieren. Sie knirschen mit den Zähnen, stoßen blubbernd Wasser aus oder erzeugen Töne, indem sie gezielt Luft aus der Schwimmblase entlassen.

Der Knurrhahn erzeugt zum Beispiel sein namensgebendes Knurren auf diese Art. Manche Schwarmfische verständigen sich durch "Rufe", der Seeteufel kann sogar quieken wie eine Maus.

Fische haben ihre Ohren überall

Man sieht sie nicht, aber Fische haben Ohren: kleine flüssigkeitsgefüllte Röhrchen hinter den Augen, die in ihrer Funktionsweise dem Innenohr der Landwirbeltiere gleichen. Auftreffende Schallwellen versetzen kleine, in der Flüssigkeit schwimmende Gehörsteinchen aus Kalk in Schwingung.

Diese Bewegung wiederum erregt feine Sinneszellen, die ihre Informationen ans Gehirn weiterleiten. Bei einigen Fischarten ist das Innenohr mit der Schwimmblase verbunden, sodass Schwingungen der Blase auf das Ohr übertragen werden.

Damit aber nicht genug. Fische haben noch ein weiteres hoch spezialisiertes Organ, um Druckwellen aus der Umgebung wahrzunehmen. Ein "normales" Ohr reicht unter Wasser nämlich nicht aus, um die genaue Richtung des Schalls zu orten.

Ein Mensch an Land weiß, aus welcher Richtung ein Geräusch kommt, weil die Welle das der Schallquelle zugewandete Ohr etwas schneller erreicht als das abgewandte Ohr.

Unter Wasser breiten sich Schallwellen aber viermal schneller aus als in der Luft. Die zeitliche Differenz, mit der Schall die Ohren erreicht, genügt nicht mehr, um die Quelle zu orten. Ein sensibleres Organ muss her.

Nahaufnahme von zwei Tauchern. Ein Taucher gibt dem anderen ein Zeichen mit dem Zeigefinger.

Menschliche Ohren funktionieren unter Wasser schlechter als an der Luft

Spürsinn und Ohr in einem

Das Hauptsinnesorgan der Fische ist das Seitenliniensystem: ein hochsensibler Ferntastsinn, mit dem die Tiere Erschütterungen, Strömungen und Töne im Wasser wahrnehmen können – und deren Ursprungsort.

Seitlich am Fischkörper unter der Haut verläuft eine mit Schleim gefüllte Röhre, die durch feine Poren mit der Außenwelt verbunden ist. Äußerlich ist die Seitenlinie als feiner Längsstreifen zu erkennen.

Wie beim Ohr des Fisches befinden sich in der mit Flüssigkeit gefüllten Röhre feine Haarsinneszellen, die von auftreffenden Druckwellen erregt werden. Der schwimmende Fisch schiebt eine Wassersäule vor sich her. Trifft diese auf ein Hindernis wie einen Stein, einen Beutefisch oder einen Feind, wird die Druckwelle zurückgeworfen und trifft auf das Seitenlinienorgan des Fisches auf.

Nahaufnahme der Schuppen eines Pazifischen Rotfeuerfischs

Die Seitenlinie ist auch äußerlich erkennbar

Stärke und Richtung der Welle informieren den Fisch über Entfernung, Form und Größe des Hindernisses. Mit der Seitenlinie kann ein Fisch den Ursprungsort der Druckwelle viel genauer orten als mit dem Ohr.

Die dichte und weiträumige Packung der Haarsinneszellen lässt eine feinere zeitliche Auflösung zu. Das Seitenlinienorgan trägt auch dazu bei, dass Fische im Schwarm nicht zusammenstoßen.

Von Natur aus kurzsichtig

Die meisten Fische sind von Natur aus kurzsichtig. Sie sehen nur bis zu einem Meter entfernte Objekte scharf. Im Wesentlichen funktioniert ein Fischauge zwar wie das eines Menschen, aber die Linse ist kugelig und starr. Sie kann nicht wie bei anderen Wirbeltieren ihre Form verändern, um Objekte in unterschiedlicher Entfernung zu fokussieren.

Um ihr Augenmerk auf weiter entfernte Gegenstände zu richten, ziehen Fische mithilfe eines speziellen Muskels einfach die gesamte Linse weiter ins Auge zurück. Mit mehr oder weniger scharfem Ergebnis.

Da die Sichtweite unter Wasser geringer ist als an Land, ist es für Fische nicht so wichtig, ihre Augen auf sehr unterschiedliche Entfernungen umstellen zu können. Einige Tiefseefische haben riesige Augen, um das wenige Restlicht besser ausnutzen zu können.

Nahaufnahme eines Fischauges

Die Linse eines Fischauges kann nicht ihre Form verändern

Die Umwelt schmecken

Im Wasser werden Gerüche zu Geschmack. Bei Fischen sind Geruchs- und Geschmackssinn ein und dasselbe. Wasser ist eine Suppe aus Tausenden gelösten chemischen Substanzen. Es macht Sinn, sie zur Orientierung zu nutzen.

Der Geschmackssinn ist nicht nur auf das Maul begrenzt. Beim Wels zum Beispiel sind Sinnesknospen überall auf der Haut verteilt. Er kann damit auch geringste Konzentrationen an Duftmolekülen wahrnehmen.

In der Nähe der Augen befinden sich bei Fischen vier kleine Nasenlöcher, die mit einem Ein- und Auslassventil verschlossen sind. Dahinter liegt eine Geruchskammer, die mit einem Zellteppich aus mehr als einer Million Nervenenden pro Quadratzentimeter ausgekleidet ist. Die Information der Nervenzellen wird im Geruchslappen des Gehirns verarbeitet.

Beim Lachs nimmt dieser Bereich mehr als die Hälfte des Gehirnvolumens ein. Verständlich, denn die Wanderfische orientieren sich auf ihrer langen Reise mit Hilfe des Geruches. Der Geruchs- und Geschmackssinn der Forelle ist beispielsweise mehr als eine Million Mal feiner als der des Menschen. Ein Aal könnte sogar einen einzigen im Bodensee versenkten Zuckerwürfel riechen.

Quelle: SWR | Stand: 30.09.2019, 12:42 Uhr

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