Sinti und Roma hocken im Konzentrationslager Belzec auf dem Boden, um 1942.

Sinti und Roma in Deutschland

Der Völkermord an den Sinti und Roma

Direkt nach der Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten mit der Verfolgung der Sinti und Roma. Sie wurden entrechtet, verfolgt und schließlich systematisch ermordet. Dem Völkermord fielen rund eine halbe Million Sinti und Roma zum Opfer.

Von Martina Frietsch

Rassepolitik der NS-Zeit

Bereits 1933 erließen die Nationalsozialisten unter Führung von Adolf Hitler das so genannte "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses". Es gehörte zu der Idee der radikalen "Rassenlehre" der Nationalsozialisten, wonach es verschiedene Menschenrassen gebe und eine davon zum Herrschen bestimmt sei.

Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" bildete später die Grundlage für Zwangssterilisationen von Sinti und Roma. 1935 folgten die Nürnberger Gesetze, unter die sowohl die Juden als auch die Sinti und Roma fielen.

Mit diesen Gesetzen sorgte die NS-Regierung dafür, dass die betroffenen Bevölkerungsgruppen fortan als "Menschen minderen Rechts" galten. Ihnen wurde beispielsweise die Eheschließung mit "deutschblütigen Personen" verboten, auch verloren sie die deutsche Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht.

Im gleichen Jahr wurden in vielen Städten Internierungslager eingerichtet, in die Sinti und Roma zwangsweise verschleppt wurden. So wurden kurz vor den Olympischen Spielen von 1936 rund 600 Sinti- und Roma-Familien verhaftet und in ein Lager gebracht.

In den nächsten Jahren folgten starke Einschränkungen im Berufsleben. Die Kinder von Sinti und Roma wurden vom Schulunterricht ausgeschlossen. Zur gleichen Zeit waren der NS-Regierung die erwachsenen Sinti und Roma jedoch als Soldaten willkommen: Die Männer wurden noch bis 1941 zur Wehrmacht eingezogen.

Deportation von Sinti und Roma 1938

Deportation von Sinti und Roma 1938

Das "Rassenhygieneinstitut"

1936 wurde die "Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle" unter Leitung des Psychiaters Dr. Robert Ritter eingerichtet. Die Stelle hatte die Aufgabe, alle Sinti und Roma in Deutschland zu erfassen und so genannte "Rassegutachten" zu erstellen.

Robert Ritter, seine Stellvertreterin Eva Justin und seine Mitarbeiter verfassten rund 24.000 solcher Gutachten, die später die Grundlage für die Deportation und Ermordung bildeten. Nach dem Ende des Nazi-Regimes arbeiteten Robert Ritter und Eva Justin im Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main. Gegen beide wurden später Verfahren eröffnet und wieder eingestellt.

Eine weitere Mitarbeiterin des "Rassenhygieneinstituts", die Anthropologin Sophie Erhardt, war bis 1981 Professorin an der Universität Tübingen, wo sie ihre Arbeit zum Thema "Zigeuner" fortsetzte.

Karteikarte mit erkennungsdienstlichen Fotos und Eintragungen personentypischer Merkmale eines "Zigeuners".

"Rassegutachten" wurden erstellt

Systematische Verfolgung und Deportation

1938 richteten die Nationalsozialisten die "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" ein. Alle Sinti und Roma sollten dort erfasst werden. Sie mussten sich ab 1939 bei der örtlichen Polizei melden und durften ihren Wohnort nicht mehr verlassen. Jeder erhielt einen "Rasseausweis", der mit einem "Z" (Zigeuner) gekennzeichnet war.

Wenig später begann die systematische Deportation, vor allem in die polnisch besetzten Gebiete. Die Menschen wurden von Sammellagern aus mit Zügen in Konzentrationslager, Ghettos und Dörfer gebracht, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten.

1942 folgte der Erlass Heinrich Himmlers, der zu dieser Zeit "Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums" war: Alle Sinti und Roma sollen "ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad" in Konzentrationslager gebracht werden.

Ermordung in Auschwitz

Anfang 1943 wurden auf Befehl Himmlers reichsweit Tausende Sinti und Roma verhaftet und ins Konzentrationslager Auschwitz gebracht. Erklärtes Ziel war die "Vernichtung durch Arbeit". Im sogenannten "Zigeunerlager" wurden etwa 23.000 Sinti und Roma eingesperrt. Mehr als zwei Drittel starben an Hunger, Krankheit und Misshandlung. Manche wurden für medizinische Experimente missbraucht, darunter viele Kinder.

Im Frühling 1944 wurden diejenigen, die noch arbeitsfähig waren, in andere Konzentrationslager gebracht. Die knapp 3000 Sinti und Roma, die in Auschwitz überlebt hatten, wurden in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 in den Gaskammern ermordet. Viele derjenigen, die sich in anderen Konzentrationslagern befanden, starben wenig später bei den sogenannten "Todesmärschen".

Andere erlebten zwar noch die Befreiung der Lager durch die Alliierten, starben aber wenig später an Unterernährung, Krankheiten oder Entkräftung. Die Nationalsozialisten ermordeten etwa 500.000 Sinti und Roma, 25.000 von ihnen aus Deutschland und Österreich.

Ehemaliges Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau: Blick auf die Schienen der Rampe, an der die Häftlinge ausgeladen wurden, im Hintergrund das Eingangsgebäude

Etwa 500.000 Sinti und Roma wurden in Auschwitz ermordet

Quelle: SWR | Stand: 13.09.2019, 14:42 Uhr

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