Wörterbuch Plattdeutsch und Liedertexte Plattdeutsch

Geschichte der Dialekte

Niederdeutsch / Plattdeutsch

Zur Zeit der Hanse im Mittelalter war "Plattdeutsch" in Norddeutschland nicht nur die wichtigste Sprechsprache, sondern auch eine angesehene Schriftsprache. Aber man sollte "Plattdeutsch" nicht mit "Platt" verwechseln.

Von Sabine Kaufmann

Was ist "Platt"?

Es ist falsch zu glauben, dass sich die Dialektbezeichnung "Platt" vom flachen Land ableitet. Zum ersten Mal tauchte der Begriff in den Niederlanden im 16. Jahrhundert auf und bedeutete so viel wie "verständlich", "vertraut", "deutlich", "rund heraus".

"Platt" oder auch "gutes plattes Deutsch" war der Gegenbegriff zu der in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht verständlichen lateinischen Gelehrtensprache. Zunächst bezeichnete der Begriff "Platt" das "gemeine Deutsch", also die Sprache, die vom einfachen Volk gesprochen wurde.

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich eine neue Bedeutung des Wortes "Platt": Es bezeichnete nun auch die Regionalsprachen in Norddeutschland. Zu dieser Zeit haftete dem Wort "Platt" ein negativer Beigeschmack an. Vielerorts wurde "Platt" auch als sozial niedrig missdeutet.

Erst ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hat das Wort "Platt" die Funktion, die Dialekte in Westmittel- und Norddeutschland zu beschreiben. In Verbindung mit einem Ort kann "Platt" die genaue Mundart beschreiben. So gibt es etwa "Eifler Platt", "Öcher (Aachener) Platt", "Kölner Platt", "Dithmarscher Platt", "Westfälisches Platt".

Auf dem Weg zur Standardsprache

Als Niederdeutsch beziehungsweise Plattdeutsch gelten jene Dialekte nördlich der "Benrather Linie", einer sprachlichen Grenze, die bei Benrath am Rhein beginnt und über Göttingen bis Frankfurt/Oder verläuft.

Die norddeutschen Dialekte haben die "Zweite Lautverschiebung" beziehungsweise "Hochdeutsche Lautverschiebung" im 7./8. Jahrhundert nicht vollzogen, die vor allem eine Veränderung der Konsonanten "p", "t", "k" zu "pf" oder "f", "s", "ch" betraf.

Im Mittelalter, zur Zeit der Hanse, war Plattdeutsch nicht nur der gesprochene Dialekt, sondern auch eine eigene geschätzte Schriftsprache. Die Hansekaufleute waren wohlhabend, reisten viel umher und machten an allen Orten Geschäfte in ihrer Sprache. Das stärkte das Niederdeutsch so sehr, dass man sogar eine niederdeutsche Bibelübersetzung anfertigte.

Die Hanse Kogge (Deutschland) mit dem Bremer Stadtwappen auf dem Segel

Die Hansekaufleute verbreiteten das Niederdeutsche

Über fast vier Jahrhunderte hatte das sogenannte Mittelniederdeutsch als gesprochene und geschriebene Sprache eine dominierende Stellung in Norddeutschland. Plattdeutsch war auf dem Weg, sich vom sprachlichen Raum Deutschlands zu lösen und sich als eigenständige Standardsprache zu entwickeln, ähnlich dem Niederländischen.

Mit dem Niedergang der Hanse brach auch der Stellenwert des Niederdeutschen in sich zusammen. Der Prestigeverlust war groß. Plattdeutsch blieb eine Alltagssprache der Menschen auf dem Lande. Gerade gebildete Kreise wechselten sprachlich zunehmend ins Hochdeutsche. Als Schriftsprache verlor das Plattdeutsch gänzlich an Bedeutung.

Das beste Hochdeutsch sprechen die Norddeutschen

Die niederdeutsche Regionalsprache unterscheidet sich in Schrift und Sprache stark von den hochdeutschen Dialekten in Mittel- und Süddeutschland.

Im 16. Jahrhundert vollzog sich in Norddeutschland auf dem Gebiet der Hanse der fundamentale Wechsel von der geschriebenen und gesprochenen niederdeutschen Sprache hin zu der auf dem Hochdeutschen basierenden Schriftsprache.

Im Norden begann man die hochdeutsche Schriftsprache wie eine Fremdsprache zu sprechen und orientierte sich dabei nahe an den Lauten der Buchstaben. So kam es, dass die norddeutsche Aussprache heute als die "beste" oder "reinste" Ausspracheform der hochdeutschen Schriftsprache angesehen wird.

Quelle: SWR | Stand: 09.06.2020, 10:15 Uhr

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