Altes Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert in Ulm, Baden-Württemberg

Handwerk

Fachwerkhäuser

Die ältesten Fachwerkhäuser in Deutschland stammen aus dem 14. Jahrhundert. Denn im Mittelalter wuchs die Bevölkerung und damit auch der Bedarf an kostengünstigen Häusern.

Von Ermengard Hlawitschka-Roth

Baustoffe mit Geschichte

Seit der Jungsteinzeit gehörten in ganz Mitteleuropa Lehm, Holz und Stroh zu den Grundbaustoffen: Aus Holz bestanden die Gebäudekonstruktionen und das Dach, Lehm wurde für den Aufbau der Wände benutzt und Stroh zur Dacheindeckung.

Die ältesten Fachwerkhäuser in Deutschland stammen aus dem 14. Jahrhundert. Während aus dieser Zeit nur noch wenige Gebäude stehen, sind aus dem 18. und 19. Jahrhundert noch viele Häuser erhalten geblieben. Dabei sind sowohl ärmliche Hirtenhäuschen als auch reiche Bürger- und Herrenhäuser aus Fachwerk zu entdecken.

Fachwerkhäuser in Monschau in der Eifel

Fachwerkhäuser in Monschau in der Eifel

Seit dem 15. Jahrhundert wurden Fachwerkhäuser häufig mit gemauerten Erdgeschossen errichtet, sozusagen als Fundament für die hölzernen Obergeschosse. Das hatte einen entscheidenden Vorteil: Die Holzkonstruktion blieb vor aufsteigender Feuchtigkeit geschützt.

Der Fachwerkbauweise war damit ein langes Leben beschieden. Selbst fürstliche Schlösser wie in Gießen und Coburg wurden noch im 16. und 17. Jahrhundert in dieser Weise erbaut.

Auf dem Land war das Fachwerk sogar bis ins 19. Jahrhundert hinein die vorherrschende Baumethode. In vielen Städten wurde sie allerdings im Laufe der Zeit von Steinbauten verdrängt, da diese als eleganter galten und auch als weniger brandgefährdet.

Holz mit tragender Funktion

Fast jede Region hat ihre eigene Besonderheit beim Fachwerk, das Grundkonzept war aber überall gleich. Die Bearbeitung und Verbindung der Hölzer untereinander erfolgte immer nach dem System der Gerüstbauweise.

Dafür errichteten die Handwerker zunächst ein dreidimensionales Gitterwerk aus senkrecht in die Höhe führenden Ständern sowie waagerecht und schräg dazwischen eingespannten Hölzern – sogenannte Riegel und Streben.

Die so entstandenen Zwischenräume, die Gefache, wurden dann mit Flechtwerk aus dünnen Ästen stabilisiert und mit einem Gemisch aus Stroh und Lehm ausgeputzt.

Modernes Fachwerkhaus, bei dem nur das Gerüst steht

Das Grundgerüst des Fachwerkbaus besteht aus Holz

Anstelle des Flechtwerks konnten aber auch Stickscheite (gespaltene Hölzer) oder Bohlen (dicke Bretter) in die Gefache geklemmt und mit Lehm verstrichen werden. Auch Gefachfüllungen aus Bruch- oder Backsteinen wurden von den Handwerkern verbaut.

Stabilität bekam diese Leichtbauwand aber erst durch eine hölzerne Bodenschwelle. Das war ein Holzrahmen, der auf dem Boden oder einer Mauer auflag und in den alle Pfosten eingespannt wurden.

Auf diese Weise konnten die mittelalterlichen Häuser nun auch in die Höhe wachsen: Jedes Stockwerk fußte auf einer eigenen Schwelle, war also eine in sich abgeschlossene Einheit. So konnten bis zu fünf Stockwerke übereinandergesetzt werden – jeweils durch die Schwelle stabilisiert.

Lehm – ein "dreckiger" Baustoff

Lehm ist eine Mischung aus den unterschiedlichen groben Sedimentgesteinen Ton, Schluff und Sand sowie Wasser. Je nachdem, welche Mineralien in einer Region im Boden vorkommen, hat die Mischung eine andere Färbung. So bewirkt ein hoher Eisen- und Kupferanteil eine Rot-Braun-Färbung des Lehms, Zink und Magnesium färben ihn ocker.

Für eine optimale Bindekraft darf der Lehm nicht zu "fett" sein, das heißt: Der Tonanteil sollte nicht mehr als zehn Prozent betragen. Andernfalls würden Wände und Böden reißen und die Stabilität des Hauses gefährden.

Aus diesem Grund wurden immer Stroh oder Sand mit in den Lehm gemischt. Damit war zugleich auch das Gewicht des Baustoffs deutlich verringert.

Ausschlaggebend für die bevorzugte Verwendung von Lehm im mittelalterlichen Hausbau war die leichte Verfügbarkeit dieses Baustoffes. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatte fast jedes Dorf seine eigene Lehmgrube.

Meist direkt unter der Humusschicht gelegen, konnte Lehm leicht im Tagebau gewonnen und aufbereitet werden. Als Baustoff wurde er sehr vielfältig eingesetzt: für Böden, Decken, Wände, als Putz, aber auch im Ofenbau und für die Dacheindeckung.

Großaufnahme von Lehm.

Lehm war im Mittelalter leicht verfügbar

Mit Lehm zu bauen, galt aber nicht immer als eine besonders feine Bauweise. Da der Rohstoff billig, leicht zu verarbeiten und von jedermann anwendbar war, hatte das erdige Material einen schlechten Ruf.

Um nicht als arm zu gelten, versuchte man daher häufig, seine Verwendung zu kaschieren – zum Beispiel durch Putze und farbige Hausanstriche, unter denen die Fachwerkbauweise verschwand. Dabei wurden oft auch Quader aufgemalt, um einen Steinbau vorzutäuschen.

Heute weiß man, dass Lehm ein optimaler und zugleich ökologisch sehr wertvoller Baustoff ist. Er ist frostbeständig und schwer entzündbar, trägt zur Feuchtigkeitsregulierung der Innenräume bei und ist dank des hohen Strohanteils ein hervorragender Wärme- und Trittschalldämmer. Außerdem steht er im Ruf, Schädlingsbefall am Fachwerkgerüst zu verhindern.

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 06.12.2019)

Quelle: SWR

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