Afd, Kathrin Oertel und Lutz Bachmann

Rechtspopulismus

Rechtspopulismus: Wie er funktioniert

Rechtspopulistische Parteien unterscheiden sich zwar im Ländervergleich und verfolgen selten ein und dieselbe Weltanschauung. Trotzdem gibt es wiederkehrende Elemente, die die meisten rechtspopulistischen Bewegungen teilen. Hier ein Überblick.

Von Thies Marsen

Eine einheitliche Definition von Rechtspopulismus gibt es nicht. Denn rechtspopulistische Organisationen sind von Land zu Land höchst unterschiedlich. Die verschiedenen Bewegungen und Parteien weisen nur selten eine stringente Ideologie auf.

Das Spektrum des Rechtspopulismus reicht von Parteien, die ihre Wurzeln im Rechtsextremismus haben, bis zu solchen, deren Ursprung eher wirtschaftsliberal oder konservativ ist. Populismus ist keine Doktrin, sondern ein Syndrom, stellte der englische Ökonom Peter Wiles schon Ende der 1960er-Jahre fest.

Der Begriff des Rechtspopulismus, betont der Sozialwissenschaftler Alexander Häusler, helfe trotzdem zur Beschreibung und zum Verständnis verbindender Merkmale und Wirkungen der unterschiedlichen Strömungen.

Folgende ideologische Kernelemente kennzeichnen einen Großteil des rechtspopulistischen Spektrums und sind bei den meisten rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen zu finden.

Elemente des Rechtspopulismus

  • Polarisieren und Moralisieren: Der kleinste gemeinsame Nenner populistischer Bewegungen ist die Polarisierung und Moralisierung von Politik. Das heißt: Statt Gemeinsamkeiten herauszustellen und ein gesellschaftliches Miteinander zu fördern, wird ganz gezielt versucht, die Gesellschaft zu spalten – besonders durch die Ausgrenzung bestimmter Minderheiten. Ein meist ethnisch, kulturell oder religiös definiertes "Wir" wird gegen "die Anderen" in Stellung gebracht. Zugleich wird der gesellschaftliche Diskurs moralisch aufgeladen, indem Untergangsszenarien beschworen und politische Gegner dämonisiert werden.
  • "Volk" gegen "Elite": Ein weiteres zentrales Kennzeichen rechtspopulistischer Bewegungen: Sie konstruieren und beschwören einen Gegensatz zwischen "Volk" und "Elite", wobei sie sich selbst als Alleinvertreter eines imaginierten homogenen "Volkes" mit einem einheitlichen "Volksinteresse" gerieren. Beispielhaft steht dafür die Wahlkampfparole des inzwischen verstorbenen FPÖ-Politikers Jörg Haider: "Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist." Dabei scheint es weder die Agitatoren noch ihre Anhänger zu stören, dass viele rechtspopulistische Führungsfiguren genau aus jenem Milieu stammen, das sie selbst als "Elite" bezeichnen. Als Feinde, gegen die das Volk mobilisiert werden soll, dienen einerseits Minderheiten wie Flüchtlinge oder Muslime, anderseits das "Establishment", welches angeblich die "nationalen Interessen" verkauft habe. Wobei die Vorstellungen darüber, an wen diese "Interessen" verkauft worden sein sollen, höchst unterschiedlich ausfallen: An die Europäische Union, an den Islam, an die USA oder gleich an die US-amerikanische Ostküste – eine moderne Version der altbekannten "jüdischen Weltverschwörung".
  • Islamfeindlichkeit: Die Vorläufer rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien entstanden in den 1970er-Jahren in Skandinavien. Für sie spielte die Agitation gegen den Islam kaum eine Rolle. Das hat sich insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geändert. Im Gegensatz zum klassischen Rassismus, der bestimmte Menschen oder "Rassen" für höher- oder minderwertiger als andere hält, ist die Islamfeindlichkeit der Rechtspopulisten eher kulturell begründet. Nicht Rassen oder Menschengruppen werden als minderwertig klassifiziert, sondern eine bestimmte Kultur beziehungsweise Religion. So wird der Islam per se als rückständig, frauenfeindlich, als nicht "zu uns passend" bezeichnet. Der holländische Rechtspopulist Pim Fortuyn spitzte es zu, indem er einerseits den Islam kritisierte, andererseits aber erklärte, dass er nichts gegen Muslime habe: "Ich gehe sogar mit ihnen ins Bett!" Oftmals ist die kulturalistische Argumentation allerdings nur vorgeschoben, dahinter schlummert der altbekannte Rassismus.
  • Hass auf Medien – die "Lügenpresse": Nicht umsonst ist "Lügenpresse" eines der Schlagwörter der Rechtspopulisten und wird auf deutsch inzwischen selbst in den USA gebraucht, um bestimmte Medien zu verunglimpfen. Dass Medien besondere Hassobjekte sind, liegt daran, dass sie kritisch über Rechtspopulisten berichten und aufklären. Außerdem gehört es zur Strategie der Rechtspopulisten, einen Kampf um die Sprache zu führen. Insbesondere gegen angeblich vorherrschende "Denkverbote" und gegen eine "political correctness". Rechte Vordenker propagieren seit Jahren, dass zunächst der "vorpolitische Raum" zu erobern sei – also Medien, Universitäten und so weiter –, um die gesellschaftliche Debatte zu bestimmen. Das sei die Voraussetzung für eine spätere Machtübernahme.
  • Feindbild EU: Europaweit haben sich einige rechtspopulistische Parteien explizit als Anti-EU-Parteien gegründet. Auch bei anderen Gruppen ist die Ablehnung der Europäischen Union und des Euro zentraler Bestandteil ihrer Politik. Dabei werden reale und imaginierte Defizite der europäischen Einigung gegen die EU in Stellung gebracht wie etwa Bürokratie, Demokratiedefizit und die EU-Schuldenkrise. Die Regierungen der europäischen Nationalstaaten werden beschuldigt, nationale Interessen an eine vermeintlich "volksfeindliche" Europäische Union verkauft zu haben.
  • Nationalismus: Passend zur Forderung nach einem Austritt aus der EU gehört zu den Kernelementen praktisch aller rechtspopulistischen Parteien in Europa auch die Forderung nach einer "Rückerlangung staatlicher Souveränität". Anstelle der EU soll wieder ein "Europa der Nationalstaaten" entstehen. Einheimischen eines Landes ("autochthone" Bewohner) soll Vorrang eingeräumt werden gegenüber Migranten oder Flüchtlingen. Die heimische Wirtschaft soll bevorzugt und nach außen abgeschottet werden. Die Politik der Regierung soll sich noch mehr an "nationalen Interessen" orientieren. Die Rechtspopulisten wollen internationalen Organisationen (wie etwa der Nato) den Rücken kehren und dafür die nationalen Armeen aufrüsten.
  • Autoritäre Ordnung: Zwar propagieren viele rechtspopulistische Parteien vermeintlich "mehr Demokratie", indem sie etwa Volksabstimmungen fordern. Zugleich aber wollen sie bestimmte Bevölkerungsgruppen eines Landes wie Migranten, Flüchtlinge, Muslime und andere ausgrenzen und zentraler Rechte berauben. Sie wollen die Religionsfreiheit einschränken. Etwa durch das Verbot von Moscheen, von Minaretten oder auch von (männlichen) Beschneidungen. Sie wollen Grundrechte wie das Asylrecht oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit einschränken (Schießbefehl an der Grenze).

Quelle: BR | Stand: 17.04.2020, 10:15 Uhr

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