Ausnahmesportler
"Apnoe" bedeutet Atemstillstand. Ohne Druckluftflasche tauchen die Sportler in Tiefen von mehr als 200 Metern. Eine unvorstellbare Leistung, die medizinisch nicht zu erklären ist – denn normalerweise ist der Mensch ohne Hilfsmittel in solchen Tiefen nicht überlebensfähig.
Und auch die Fähigkeit, mehr als sieben oder acht Minuten ohne Sauerstoff auszukommen, grenzt an ein Wunder. Dieses spezielle Können der Freitaucher hat dem Apnoe-Tauchen den Nimbus des Mystischen verliehen.
Doch wie schaffen es die Extremsportler zu überleben? Hochtrainierte Ausnahmeathleten haben einen sehr niedrigen Ruhepuls von etwa sechs bis sieben Schlägen pro Minute. Herz und Lunge sind vergrößert und versorgen den Körper auch bei anhaltender Belastung ausreichend mit Sauerstoff. Damit lässt sich der sogenannte "breath-hold breaking point" hinauszögern.
Damit ist der Punkt gemeint, an dem der Körper den Atemreiz nicht mehr unterdrücken kann. Auch wenn man die Luft anhält, werden die Organe und das Gehirn noch eine gewisse Zeit mit dem im Blut verbliebenen Sauerstoff versorgt. Gleichzeitig steigt aber der Kohlendioxydspiegel, da das Gas nicht abgeatmet wird.
Rezeptoren im Körper registrieren sowohl den Sauerstoffgehalt als auch den Anteil an Kohlendioxyd (CO2). Übersteigt der CO2-Spiegel einen bestimmten Wert, schaltet der Körper ein Notfallprogramm ein. Der Atemreiz lässt sich dann nicht mehr willentlich unterdrücken.
Spezielle Techniken
Ein ernstes Problem beim Abtauchen ist der Druckausgleich, denn bereits in 30 Meter Tiefe beträgt das Lungenvolumen nur noch ein Viertel der normalen Größe. Damit ist die maximale Ausatmungskapazität erreicht. Im Rachenraum kann kein Druck zum Ausgleich aufgebaut werden. Durch Druck der Zunge gegen den Gaumen gelingt es Tauchern wie Pellizzari, den Druckausgleich durchzuführen.
Um die Kapazität ihrer Lunge zu vergrößern, praktizieren Spitzentaucher außerdem spezielle Atem- und Yogaübungen. Jacques Mayol, der als erster Freitaucher die 100-Meter-Grenze erreichte, war auch der Erste, der solche Techniken einsetzte.
Trainiert werden Stoß- und Lungenseitenatmung, aber auch die Zwerchfellatmung. Damit lässt sich die Kapazität der Lunge erhöhen, und der Taucher hat mehr Luft zum Einatmen zur Verfügung. Das Zwerchfell bleibt elastischer, und das erleichtert den Druckausgleich auch in großen Tiefen.
Um zu ergründen, wie sich die Lunge in solche Tiefen verhält, führten Mediziner mit Jacques Mayol interessante Versuche durch. Dabei fanden sie heraus, dass es nicht nur bei Walen und Delfinen das Phänomen des "Bloodshift" gibt, sondern auch beim Menschen: Um die lebenswichtigen Organe mit Sauerstoff zu versorgen und zu vermeiden, dass die Lunge unter dem Wasserdruck zusammenfällt, strömt Blut aus Armen und Beinen in Richtung Körpermitte.
Die Lungenbläschen schwellen an, und dadurch verkleinert sich der Hohlraum. In sehr großen Tiefen strömen Plasma und Blut direkt in die Lunge, um den Hohlraum zu erhalten. Dies gelingt jedoch nur bei trainierten Lungenflügeln. Beim Aufsteigen strömt die Flüssigkeit dann wieder aus der Lunge. Passiert dies nicht, droht der Erstickungstod.
Gefährlicher Extremsport
Tödliche Unfälle bringen dem Apnoe-Sport immer wieder Negativschlagzeilen ein. So erlitt der Deutsche Benjamin Franz während eines Rekordversuchs einen schweren Schlaganfall.
Für Audrey Mestre-Ferraras endete ein Weltrekord-Versuch 2002 tödlich. Die 28-jährige Französin wollte 171 Meter tief tauchen. Neun Minuten nach Beginn ihres Tauchgangs im Osten der Dominikanischen Republik konnte sie nur noch tot geborgen werden. Und der Extremtaucher Loïc Leferme kam 2007 beim Training ums Leben, weil sich seine Führungsleine verhakt hatte.
Quelle: SWR | Stand: 13.07.2020, 15:15 Uhr