In Schlafsäcke gehüllt oder nur mit einer Jacke bedeckt schlafen Obdachlose im Bahnhof Frankfurt Hauptwache.

Armut in Deutschland

Hilfe für Wohnungs- und Obdachlose

Wohnungsräumung, Jobverlust, eine lange Krankheitsgeschichte oder ein schwerer Schicksalsschlag – Gründe, warum Menschen ihr Dach über dem Kopf verlieren, gibt es viele.

Von Andrea Wieland

Wohnungslos ist nicht dasselbe wie obdachlos

Den "typischen" Wohnungslosen gibt es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, wohnungslos zu werden, wird jedoch umso größer, je mehr Risikofaktoren zusammentreffen. In jedem Fall braucht es Hilfsangebote, die schnell und unkompliziert die größte Not lindern. Welche Angebote gibt es – und wer übernimmt die Kosten?

Obdachlos sind Menschen, die "Platte machen", also ohne jede Unterkunft auf der Straße leben. Sie übernachten in Parks, in der Fußgängerzone oder in U-Bahnstationen.

Als wohnungslos werden Menschen bezeichnet, die keinen vertraglich abgesicherten Wohnraum haben. Sie leben in Heimen, Notübernachtungen, Asylen, Frauenhäusern oder sind vorübergehend bei Verwandten oder Freunden untergekommen. Wohnungslose Menschen bemühen sich oft, nicht als solche erkannt zu werden. Daher ist Wohnungslosigkeit im Straßenbild oft unsichtbar.

Wie viele Menschen in Deutschland keine Wohnung haben, wird offiziell nicht erfasst. Es gibt nur Schätzungen, wie etwa die der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W). Demnach waren im Jahr 2016 etwa 860.000 Menschen wohnungslos – ein Anstieg um 150 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

Und die Entwicklung geht weiter. Beobachter erwarten künftig noch größere Ausmaße. Schwierig wird es, wenn die Betroffenen nicht in der Lage sind, die ihnen zustehende Hilfe anzunehmen. Oder wenn das Hilfesystem keine passenden Hilfen anbietet, notwendige Hilfe verweigert oder im Einzelfall ungeeignete Hilfe aufgedrängt wird.

Welche Hilfe braucht es?

Es fängt bei den Grundbedürfnissen an: Hunger, Durst und Bedürfnis nach Wärme lassen sich ohne eigene Wohnung schwer stillen. Hinzu kommt, dass Verarmung und soziale Isolation krank machen und mitunter die Flucht in Alkohol und andere Drogen zur Folge haben. Fehlende Hygiene und ein erschwerter Zugang zur medizinischen Versorgung beeinträchtigen das Leben.

Darüber hinaus behindern oft bürokratische Hürden die Rückkehr in die Gesellschaft: Eine Wohnung gibt es nur bei geregeltem Einkommen und einen Job nur bei festem Wohnsitz. Ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.

Wer auf der Straße lebt, muss täglich dafür Sorge tragen, abends einen Schlafplatz zu haben. Es gibt Notübernachtungen, die kostenlos und ganzjährig geöffnet sind. Betroffene haben ein Recht darauf, in einer Notunterkunft unterzukommen, stellt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe ( BAG W) in einem Gutachten klar.

In der Praxis erfüllen Kommunen diese Pflichtaufgabe oft nicht oder nur unzureichend, kritisiert die BAG W. Zudem sind die Notübernachtungen meist überfüllt. Und immer wieder berichten Obdachlose, dass in den Mehrbettzimmern Diebstahl und Gewalt an der Tagesordnung sind.

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Für längere Zeit unterkommen

Voraussetzung für die Aufnahme in einer Einrichtung ist die Wohnungslosigkeit oder eine prekäre Wohnsituation wie beispielsweise eine anstehende Zwangsräumung. Der Antrag wird beim jeweiligen Sozialamt gestellt, anschließend wird – je nach Fall – Harz IV oder eine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt.

In manchen Fällen kommt auch beides zusammen. Die Wohnheimleiter müssen die Anträge alle sechs Monate neu stellen – für ältere Bewohner über 60 Jahre im jährlichen Turnus.

Es gibt einen Anspruch, aber keinen Zwang zur Unterbringung. In der Einrichtung ist für Hilfen die Kommune zuständig, in der der Wohnungslose seinen Aufenthaltsort hat oder sich zwei Monate vor der Aufnahme aufhielt.

Schwierig gestaltet sich das, wenn ein Mensch sich entschlossen hat, als Nomade durchs Land zu ziehen. Den gewöhnlichen Aufenthaltsort gibt es dann nicht mehr. In dem Fall ist für die Hilfegewährung das Land als überörtlicher Träger der Sozialhilfe zuständig.

Finanzielle Unterstützung

Grundsätzlich haben wohnungslose und obdachlose Menschen die gleichen Leistungsansprüche wie andere Menschen auch. Wenn sie arbeitslos werden, können sie Arbeitslosengeld beziehen. Läuft das aus und der Betroffene ist erwerbsfähig, hat dieser Anspruch auf Hartz IV – das Geld wird mancherorts in Tagessätzen ausgezahlt.

Wer nicht arbeiten kann, hat Anspruch auf Sozialhilfe. Personen, die nicht erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, sowie bedürftige Personen über 65 Jahre haben einen gesetzlichen Anspruch auf Sozialhilfe.

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"Hilfe zur Überwindung besonderer Schwierigkeiten", laut Sozialgesetzbuch XII, soll den Betroffenen durch Beratung und persönliche Unterstützung gegeben werden. Wenn "besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten" verbunden sind – beispielsweise nach einer Haftentlassung – soll eine gezielte Hilfestellung zur Überwindung dieser Schwierigkeiten gewährt und eine Eingliederung in das gesellschaftliche Leben ermöglicht werden. Ziel der Hilfe ist aber auch, zu verhindern, dass sich die Situation verschlimmert.

Zu den Leistungen zählen laut Diakonie Deutschland:

  • persönliche Betreuung
  • Beratung
  • Hilfen bei der Beschaffung und dem Erhalt einer Wohnung
  • Unterstützung beim Einstieg ins Arbeitsleben oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz

Lösungsansatz: Zuerst ein Dach über dem Kopf

Das Konzept "housing first" geht noch einen Schritt weiter. Statt den Menschen auf der Straße mit Beratung und Betreuung notdürftig zu helfen, bekommen die Wohnungslosen zuerst eine Wohnung – und dann sieht man weiter. Eine Wohnung mit eigenem Schlüssel und einer Tür, die man hinter sich zumachen kann.  

Die Idee kommt aus Amerika. In Berlin, Köln und Düsseldorf gibt es hierzulande erste Modellprojekte. Ziel ist es, die Menschen dauerhaft von der Straße zu holen und somit auch die Zahl der Notunterkünfte zu reduzieren. Auf dieser neu geschaffenen, stabilen Basis werden dann die anderen Probleme wie Drogensucht oder Arbeitslosigkeit angegangen.

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Quelle: SWR | Stand: 06.08.2019, 15:00 Uhr

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