Schwimmendes Haus

Zukunft des Wohnens

Schwimmende Häuser

"Allen Völkern hat Gott ein Land gegeben, den Holländern aber wies er ein Land zu, das sie sich selbst erst schaffen mussten." Dieses Sprichwort beschreibt sehr gut den Einfallsreichtum der Niederländer, um mit ihrer ständigen Bedrohung durch das Wasser umzugehen.

Von Almuth Roehrl und Tobias Aufmkolk

Eine kreative Wohnform

Mehr als ein Viertel der Niederlande liegt unter dem Meeresspiegel. Die stetige Hochwassergefahr ruft immer wieder den Erfindungsgeist von Architekten und Bauingenieuren hervor.

Hausboote in Grachten sind schon lange ein bekanntes Bild in den niederländischen Städten. Vor allem in Amsterdam, das von den kleinen Kanälen durchzogen ist, zieht es die Menschen mitsamt ihren Häusern aufs Wasser.

Eine moderne Weiterentwicklung dieser Siedlungsform ist der Bau von Floating Homes, von schwimmenden Häusern, die sich kaum von ihren "Verwandten" auf dem Land unterscheiden. Ganze Siedlungen davon sind schon in den Niederlanden entstanden.

Kein Land setzt solche Maßstäbe in der Entwicklung amphibischer Architektur wie unser kleiner Nachbarstaat. Die Entwicklung der Floating Homes läuft schnell und sehr erfolgreich. Weltweit gibt es zahlreiche Interessenten, die die innovative Bautechnik der Niederländer übernehmen wollen.

Ein Hausboot in einer Amsterdamer Gracht

Die Urform des schwimmenden Hauses: ein Hausboot in Amsterdam

In den Niederlanden liegen Hausboote im Trend

Während Deutschland in der Entwicklung neuer Wohntypen eher konservativ ist, sind die Niederlande Trendsetter. Sie zeigen sich kreativ, indem sie technische Möglichkeiten ausloten und neue Wohnformen ausprobieren. Beispiel ist Maasbommel bei Arnheim, eine Art Mustersiedlung für schwimmende Häuser.

Der Plan für diese Siedlung entstand, als 1995 die Flüsse Vaal und Maas über die Ufer traten und 65.000 Menschen ihre überschwemmten Dörfer verlassen mussten.

Als kostspielige Konsequenz könnte man die Deiche, die vor Überflutungen schützen sollen, noch höher bauen. Doch findige Architekten hatte eine ganz andere Idee: Warum nicht eine Siedlung bauen, die auch einem Hochwasser trotzen kann?

Und so entstanden mehr als 40 Häuser, die statt unter dem Meeresspiegel direkt auf dem Meeresspiegel gebaut wurden.

Floating Homes wie die in Maasbommel oder in einer anderen Siedlung in Leeuwarden stehen entweder auf festem Boden und schwimmen, wenn das Hochwasser kommt, oder sie sind bereits auf der Seeseite eines Deichs gebaut und liegen auf dem Wasser.

Wohnkonzept der Zukunft?

Entscheidend ist der Schwimmkörper, der das Haus tragen muss. In den Häusern von Maasbommel besteht der Schwimmkörper aus einer wasserdichten Betonwanne, die innen hohl ist. Auf dieser Betonwanne wurden dann in Leichtbauweise zwei Geschosse errichtet. Bei Niedrigwasser ruht das Haus auf dem Fundament.

Steigt der Meeresspiegel an, gleitet das gesamte Haus an zwei Stahlpfeilern bis zu 5,5 Meter hoch. Alle Leitungen des Hauses sind für diesen Höhenunterschied ausgelegt, sie "wachsen" praktisch mit. Eine weitere Möglichkeit, Häuser schwimmfähig zu machen, sind Fundamente aus Styropor.

Dabei werden mehrere Lagen dieses leichten Baustoffs übereinander geschichtet und die Hohlräume anschließend mit Spezialbeton ausgegossen. Das Fundament kann so immer noch auf dem Wasser schwimmen. Der große Vorteil dieser Fundamentart besteht darin, dass die Blöcke vorgegossen werden können und beim Bau beliebig zurecht zu sägen sind.

Obwohl mit vielen neuen Baustoffen wie Styropor oder Spezialbeton experimentiert wird, sollen sich die Kosten für ein schwimmendes Haus nicht wesentlich von herkömmlichen Häusern auf dem Land unterscheiden.

Schwimmendes Haus im Hafen von Hamburg

Schwimmendes Haus im Hafen von Hamburg

Es spielen sogar ähnliche Faktoren für den Preis eine Rolle: Lage, Größe und Ausstattung des Hauses. Und da es vermeintlich keinen großen Kostenunterschied gibt, werden in den Niederlanden weitere Großprojekte gebaut und geplant.

So ist im Amsterdamer Stadtteil Ijburg ein ganzes Viertel aus schwimmenden Häusern entstanden, die untereinander mit Stegen verbunden sind. In die Stege wurde auch das gesamte Leitungssystem eingebaut.

Und es soll noch größer werden: In der Nähe des Amsterdamer Flughafens Schiphol könnte einmal eine ganze schwimmende Stadt mit Schulen, Supermärkten und 12.000 Wohnungen entstehen. Manche Vordenker träumen sogar von einem holländischen Venedig auf dem Ijsselmeer.

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Quelle: SWR/WDR | Stand: 18.06.2019, 14:06 Uhr

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