Familientreffen und Partnerbörse
Wer heute an Kirmes denkt, hat den Geruch von Popcorn, gebrannten Mandeln und Backfisch in der Nase. Alles ist bunt, überall blinken Lichter und Schausteller machen lautstark auf sich aufmerksam.
Ursprünglich war die Kirmes aber ein Fest zum Gedenken an die Einweihung der Dorfkirche. Das ganze Dorf kam an diesen Tagen auf dem Dorfplatz zusammen, um ausgelassen zu feiern, zu tanzen und gemeisam zu essen. Niemand arbeitete während der Kirchmess, für viele Bauern waren es die einzigen freien Tage im Jahr.
Es war ein Fest für die ganze Familie. Die Verwandtschaft kündigte sich an, die Stuben wurden herausgeputzt und im 18. Jahrhundert war es sogar üblich, ganze Häuserfassaden zu streichen. Für junge, heiratswillige Menschen war die Kirmes eine willkommene Gelegenheit, einen geeigneten Partner kennenzulernen.
Das Schaustellergewerbe
Im Lauf der Jahrhunderte gab es auch viele schaustellerische Darbietungen. So traten unter anderem Artisten und Jongleure auf, es wurden außergewöhnliche Menschen, Tiere oder Objekte ausgestellt und Theaterstücke aufgeführt.
Oft übernahmen die Schausteller auch eine pädagogische Aufgabe, indem sie der breiten Öffentlichkeit die neuesten technologischen Erfindungen präsentierten. So gab es bereits 1896 auf Jahrmärkten die ersten Kinovorführungen.
Zunächst waren die Kirmesbesucher nur passive Zuschauer und folgten gebannt den Darbietungen an den Schaubuden. Im 19. Jahrhundert begann die aktive Teilnahme am Geschehen. Karussells, Schaukeln, Wurfbuden und Schießstände gehörten zu den ersten Kirmesbeschäftigungen, später kamen noch Belustigungsgeschäfte wie die Geisterbahn dazu.

Rummelplatz im Jahr 1844
Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland eine blühende Karussellindustrie. 1885 gab es die erste transportable Rutschbahn, aus der sich 1909 die erste Achterbahn entwickelte. Aus der ehemaligen russischen Schaukel wurde das Riesenrad. 1926 kam der erste Autoscooter aus Amerika auf die deutschen Jahrmärkte.
Kirmes heute
"Fliegende Bauten" werden die Geschäfte genannt, die die Schausteller heute, meist im Familienbund, betreiben. Der gesamte Betrieb ist mobil. So können die Schausteller ihre Geschäfte bequem von Kirmes zu Kirmes transportieren. Während der Kirmessaison von Frühjahr bis Herbst leben die Schausteller und ihre Angestellten in Wohnwagen.
Immer größer, höher, schneller hieß die Devise des 20. Jahrhunderts. Während sich die Neuheiten des Fahrgeschäftsektors überschlugen, werden die klassischen Schaustellungen immer rarer. Varieté-Theater, Flohzirkus, Steilwandfahren und ähnliches gibt es heute, wenn überhaupt, nur noch auf größeren Plätzen.
Wirtschaftlich haben die vielen Kirmessen, Jahrmärkte und Volksfeste in Deutschland eine große Bedeutung. So ergab eine Studie, die im Auftrag des Deutschen Schaustellerbundes durchgeführt wurde, dass die Volksfeste hierzulande jährlich rund 178 Millionen Besuche verzeichnen. Durchschnittlich geben die Besucher dabei rund 22 Euro aus.

Ein traditionelles Fahrgeschäft – das Kettenkarussell
(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 15.07.2020)
Quelle: WDR