Nebliger Fichtenwald mit bemoosten Felsblöcken.

Harz

Nationalpark Harz

Wer viel Glück hat, kann in den Wäldern des Harzer Nationalparks einen Luchs erspähen. Doch nicht nur die seltene Wildkatze macht das Naturschutzgebiet so besonders.

Von Inka Reichert

Ost-West-Grenze schützte die Natur

Der Nationalpark im Harz ist mit einer Fläche von knapp 247 Quadratkilometern einer der größten Waldnationalparks Deutschlands. Sein höchster Berg, der Brocken, ragt bis über die Schneefallgrenze hinaus.

Hochmoore und seltene Blumen zieren die Landschaft des Brockenplateaus. Die Natur hat sich in dieser Region durch ihre ganz besondere Geschichte frei entfalten können: Einst verlief quer durch den heutigen Nationalpark die innerdeutsche Grenze.

Schon zu Zeiten der DDR stand fest: Das Gebiet rund um den Brocken ist überaus schützenswert. "Nur Privilegierte durften zu DDR-Zeiten Urlaub am Brocken machen", erinnert sich der Biologe Gunter Karste. Weil Menschen das Gebiet also kaum betreten durften, ist die Natur an vielen Orten im Grenzgebiet weitgehend unberührt geblieben.

Gunter Karste, heute wissenschaftlicher Leiter des Brockengartens, wurde bereits vor der Wiedervereinigung in den Aufbaustab des Nationalparks Hochharz berufen. Dieses Teilgebiet umfasste damals den östlichen Hochharz rund um den Brocken zwischen Eckertalsperre, Hohnekamm und Schierke.

Am 1. Oktober 1990 verabschiedete der Ministerrat der DDR-Regierung das Nationalparkprogramm auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt. Dies war die Geburtsstunde des Nationalparks Hochharz.

Der niedersächsische Teil wurde erst nach vierjähriger Vorbereitung im Januar 1994 zum Nationalpark gemacht. Obwohl man schon seit der Wende von einem gemeinsamen Projekt der Länder Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sprach, dauerte es noch weitere zwölf Jahre bis zur Umsetzung. 2006 war es geschafft: Der länderübergreifende Nationalpark Harz entstand.

Moorlandschaft mit Gräsern und Bergen im Hintergrund.

Der Harzer Nationalpark ist für seine Hochmoore berühmt

Mit der Buche zurück zur Natur

Wenn er auch offiziell von der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) bereits als Nationalpark bezeichnet wird, ist der Harzer Park noch im Entwicklungsstadium. Um nach den IUCN-Richtlinien auf Dauer als Nationalpark zu gelten, müssen 75 Prozent seiner Fläche der Natur vollständig selbst überlassen werden.

"Wir haben noch bis zum Jahr 2022 Zeit, diese Vorgabe zu erfüllen", sagt Gunter Karste. Dabei seien rund 50 Prozent der Parkfläche schon vollständig der Natur überlassen. "Wir haben aber auf großer Fläche eine Baumart, die natürlicherweise dort nicht hingehört", sagt Karste. Vom Harzrand bis in Höhenlagen von 600 bis 700 Metern wäre eigentlich die Rotbuche die dominierende Baumart, hätte sie nicht der Mensch durch die Fichte ersetzt.

Der Austausch der Baumarten liegt schon lange zurück: Da der Harz im 18. Jahrhundert durch den Erzbergbau teilweise entwaldet war, forstete der Gräfliche Oberforstmeister Hans Dietrich von Zanthier die Region mit schnellwüchsigen Fichten auf. Bis heute bestehen 55 Prozent der Parkfläche aus Fichtenforsten.

Und das nicht ohne Folgen: Anders als die Harzfichte, die natürlicherweise ab einer Höhe von 750 Metern wächst, kommen die aus anderen Regionen stammenden angepflanzten Fichten weniger gut mit der Schnee- und Eisbelastung im Harz zurecht.

"Diese gestressten Fichten sind wesentlich anfälliger für Borkenkäfer", erklärt Gunter Karste. Hinzu kommt, dass sich der Borkenkäfer durch das milde Wetter in den unteren Lagen auch besser vermehren kann. Es kam in der Vergangenheit bereits zu regelrechten Käferplagen im Nationalpark, die auch die an den Park angrenzenden Nutzfichtenwälder bedrohen.

Um dem Borkenkäferbefall entgegenzuwirken, aber auch, um die Natur wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuführen, wird mit forstlichen Maßnahmen gearbeitet. "In dieser Naturentwicklungszone des Parks bringen wir die Rotbuche ein, die Baumart, die natürlicherweise dort auch hingehört", erklärt der Biologe Karste.

Das Ziel: Bis zum Fristjahr 2022 soll sich die Buche wieder selbstständig ausbreiten. Langfristig sollen Buchenwälder entstehen, die der Naturdynamik überlassen werden können.

Mann mit Hund sitzt zwischen Fichtenbäumen.

Gunter Karste sorgt dafür, dass wieder mehr Rotbuchen auf dem Brocken wachsen

Subalpines Klima im Brockengarten

Waldfrei und daher vom Borkenkäfer gänzlich verschont ist der Gipfel des Brockens. Mit einer Höhe von 1141 Metern überragt er alle anderen Berge des Harzes. Dabei verschaffte ihm sein spezielles Klima eine Ausnahmestellung: Die Mischung aus Nebel, niedrigen Temperaturen und kräftigem Wind entspricht klimatisch einer Alpenhöhenlage von 2000 Metern.

Dass hier deshalb eine ganz besondere Flora vorzufinden ist, erkannte bereits Albert Peter, damaliger Direktor des Botanischen Gartens Göttingen. Er gründete im Jahr 1890 den Brockengarten.

"In unserem Garten wachsen Pflanzen, die auf dem Brockenplateau ihr Zuhause haben. Die Brocken-Anemone beispielsweise kommt in der freien Natur nirgends sonst in Deutschland vor", sagt Gunter Karste, Leiter des Brockengartens. Einzigartig auch das Brocken-Habichtskraut: Weltweit hat es seinen Naturstandort nur auf der Brockenkuppe.

Insgesamt beherbergt der rund 1000 Quadratmeter große Schaugarten aber nicht nur heimische Brockenpflanzen, sondern auch 1500 Hochgebirgsarten aus den Gebirgen der Welt. "Alleine das Brockengebiet lockt ein bis zwei Millionen Besucher jährlich in den Nationalpark", sagt Karste. Seit den 1990er-Jahren seien diese hohen Besucherzahlen weitgehend unverändert geblieben.

Die Blume Brockenanemone erblüht mit weißen Blüten.

Die Brockenanemone ist einzigartig in Deutschland

Luchse in freier Wildnis

Doch nicht nur die Pflanzen-, auch die Tierwelt des Nationalparks Harz fasziniert seine Besucher. Neben Rot- und Rehwild sind hier auch Waschbären oder vereinzelt Marderhunde anzutreffen. Und wer ganz besonders viel Glück hat, entdeckt in der Abenddämmerung vielleicht sogar einen umherstreunenden Luchs.

Dabei galt der Luchs seit dem frühen 19. Jahrhundert in der Harzer Gegend als ausgerottet. Ein letzter Bericht über eine erfolgreiche Luchsjagd stammt aus dem Jahre 1818. In einer elftägigen Jagd wurde bei Lautenthal der letzte männliche Luchs erlegt.

Bereits in den 1970er-Jahren verstärkten sich die Bestrebungen, der vom Aussterben bedrohten Wildkatze auch in Deutschland wieder eine Heimat zu bieten. Im Nationalpark Harz wurde bundesweit das erste Auswilderungsprojekt gestartet: Zwischen Sommer 2000 und Herbst 2006 entließ man insgesamt 24 Luchse – neun Männchen und 15 Weibchen – in die Freiheit. Alle ausgewilderten Tiere stammten aus europäischen Wildparks.

"Wie viele der ausgesetzten Luchse bis heute überlebt haben, wissen wir nicht", sagt Lilli Middelhoff. Das Resümee der wissenschaftlichen Mitarbeiterin im Luchsprojekt Harz ist jedoch positiv: "Unser Monitoring zeigt, dass die Luchse sich hier im Harz vermehren." Dabei sei neben Infektionskrankheiten die größte Gefahr der Straßenverkehr.

Umgekehrt stelle die Wildkatze für die Besucher des Nationalparks jedoch kein Risiko dar, versichert Middelhoff. Ängstlichen Besuchern antwortet sie: "Wer das nachtaktive Tier überhaupt zu Gesicht bekommt, kann froh sein."

(Erstveröffentlichung: 2015. Letzte Aktualisierung: 29.04.2020)

Quelle: WDR

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