Ein Mann performt auf der Bühne bei der WM im Luftgitarre spielen in Oulu

Finnland

Skurrile Weltmeisterschaften in Finnland

Sie messen sich im Handy- und Gummistiefel-Weitwurf, sie schwitzen in der Sauna um die Wette und küren den Meister der Luftgitarre. Finnlands Weltmeisterschaften sind an Skurrilität kaum zu überbieten.

Von Martina Frietsch

Der besondere finnische Humor ist schuld

Rund 40 Weltmeisterschaften (WMs) der etwas anderen Art gibt es im Land, schätzt die finnische Tourismuszentrale. Und schon wieder sind die Finnen Weltmeister: in der Kategorie der Jux-WMs.

Wer bisher glaubte, nur die Briten seien mit einem ganz besonderen Humor ausgestattet, der hat sich noch nicht mit Finnlands ausgeprägter Spaßkultur beschäftigt. Im Sommer wie im Winter finden im ganzen Land höchst ausgefallene Wettbewerbe statt, die die Finnen denn auch gleich zur Weltmeisterschaft erheben.

Doch so ernsthaft wie es klingt, ist es nicht gemeint – es geht vor allem ums Vergnügen. So fließt beim Weitwurf von Mobiltelefonen in die Bewertung nicht nur die Strecke ein, die das Telefon fliegt, sondern auch die Erheiterung des Publikums. Und im Reglement der WM im Frauentragen ist festgeschrieben: "Alle Teilnehmer müssen Spaß haben." Ob das immer der Fall ist, darf aber beispielsweise bei der WM im Dauersitzen auf einem Ameisenhaufen angezweifelt werden.

Handy-Weitwurf

Eine der bekanntesten finnischen Weltmeisterschaften ist der Weitwurf von Handys. Jedes Jahr treffen sich Ende August in Savonlinna Teilnehmer und Medienvertreter aus aller Welt zu dem Spektakel, das seit 2000 veranstaltet wird. Geworfen werden echte Handys mit Akku, denn die fliegen besser. Es gibt Einzelwurf, Gruppenwurf und Freestyle. Der Rekord im Einzelwurf der Männer liegt mittlerweile bei mehr als 100 Metern.

Die Lust am Handy-Werfen erklärt Christine Lund, Erfinderin der WM mit dem Verhältnis der Finnen zu ihren Mobiltelefon: Erstens wollten die Finnen immer die neuesten Modelle haben und haben dann ihr altes Gerät übrig, zweitens sei ihnen manchmal eben danach, das Telefon aus Frust wegzuschleudern. Bei der WM haben sie dazu Gelegenheit.

Gummistiefel-Weitwurf

Internationaler Beliebtheit erfreut sich eine weitere Wurfdisziplin: die Weltmeisterschaft im Gummistiefel-Weitwurf. Die Ursprünge dieses Sports sind heute nicht mehr eindeutig feststellbar, sollen aber bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen – also in jene Zeit, als in der Stadt Nokia die Produktion von Gummistiefeln begann.

1992 gab es dann die erste Weltmeisterschaft. Anders als bei den Handys wird bei der Gummistiefel-WM nichts Gebrauchtes geworfen. Die Stiefel sind speziell für diesen Zweck angefertigt: Männer werfen mit Größe 43, Frauen mit 38. Nur die Besten schaffen es, das aerodynamisch etwas unglücklich geformte Geschoss mehr als 50 Meter weit zu schleudern.

Neben den Gummistiefel-Athleten kommt auch das Publikum auf seine Kosten: Zu bewundern gibt es beim Abwurf die schönsten Anläufe und Drehungen und so manch eine Galosche fliegt ihre ganz eigene Bahn und landet weit abgeschlagen in Feld, Wald und Wiese.

Der Finne Heikki Virolainen bei den Gummistiefelweitwurf-Weltmeisterschaften 2007 in Berlin

Männer werfen mit Größe 43

Frauentragen

Welche Frau die Teilnehmer bei der WM in der Nähe von Tampere tragen, ist egal: Das kann die eigene sein, die des Nachbarn oder eine anderweitig ausgeliehene. Ob sie Huckepack getragen, über die Schulter geworfen oder auf den Händen getragen wird, auch. Hauptsache eine Frau mit mindestens 49 Kilo Gewicht.

Über 250 Meter geht der Parcours – durch Sand und Wasser, über Gras und Asphalt. Wer seine Frau fallen lässt, bekommt Strafsekunden aufgebrummt, wer sie unterwegs absetzen muss, ebenso. Und der glückliche Gewinner? Der bekommt das Gewicht "seiner" Frau in Bier aufgewogen.

Zwei Männer beim Frauentragen

250 Meter durch Sand und Wasser, über Gras und Asphalt

Schlammfußball

Wer zu langsam ist, bleibt stecken: Schlammfußball wird in einem Sumpf in Hyrynsalmi gespielt, rund 600 Kilometer nordöstlich von Helsinki. Dabei stehen die Spieler im Zweifelsfall bis zu den Knien im Morast.

Jede Mannschaft hat sechs Spieler, sechs Auswechselspieler warten am Sumpfrand. Grundsätzlich funktioniert Schlammfußball wie normaler Fußball, doch mit ein paar Ausnahmen: Männer und Frauen dürfen zusammen in einer Mannschaft spielen.

Insgesamt dauert das Spiel nur 25 Minuten, denn das Laufen im Sumpf ist wesentlich anstrengender als auf dem Rasen. Von den Trikotfarben ist nach den ersten Stürzen und Kämpfen um den Ball nur noch wenig zu erkennen. Doch so ein bisschen Schlamm kann die Spieler offensichtlich nicht erschüttern: Jedes Jahr kommen mehrere Tausend Schlammkicker nach Finnland, um dort um den Weltmeistertitel zu spielen.

Torwart mit Gesicht und Ball im Schlamm

Die harte Variante der Sportart: Schlammfußball in Finnland

Luftgitarre spielen

Wenn im August das Oulu Music Video Festival in Oulu startet, zieht ein parallel dazu veranstaltetes Ereignis die wahren Besuchermassen an: die Weltmeisterschaft im Luftgitarrespielen. Auch bei dieser verrückten WM sind die Finnen längst nicht mehr unter sich, denn die Beteiligung ist international.

60 Sekunden lang stehen die Wettbewerber auf der Bühne und spielen möglichst überzeugend auf einer nicht vorhandenen Gitarre – welchen Song sie sich dafür aussuchen, bleibt jedem selbst überlassen. Nur auf eines kommt es an: auf den Superauftritt, der die Jury überzeugt. Alles muss stimmen – das Outfit, die Handbewegungen, die Originalität, eine mitreißende Show und "Airness" – eben die Kunst, auf Luft zu klampfen.

Mann beim Luftgitarre spielen

In 60 Sekunden alles raushauen, was die "Gitarre" hergibt

Mücken erschlagen

Stechmücken gehören zu Finnland wie die Seen. Und da die Finnen nunmal ganzjährig mit ihrer "Finnish Air Force" zurechtkommen müssen, haben sie die unterschiedlichsten Methoden, den Plagegeistern auf den Leib zu rücken. Sicher nicht sehr effektiv, dafür umso lustiger ist die Weltmeisterschaft im Mücken erschlagen.

Einmal im Jahr wird sie in Pelkosenniemi ausgetragen: Innerhalb von fünf Minuten muss jeder Teilnehmer so viele Stechmücken erschlagen, wie er kann. Regel: Hilfsmittel sind nicht erlaubt, es zählt nur die Handarbeit. Geradezu legendär wurde der Finne Henri Pellonpää, der im Jahr 1995 ganze 21 Mücken erschlug und es damit ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte.

Tote Mücke auf Fliegenklatsche

Müssen auch für eine WM herhalten: Finnlands lästige Steckmücken

Skurriles als Exportschlager

Spinnerte Weltmeisterschaften haben die Finnen noch viele: die WMs für schmutzige Sprüche, fürs Winterschwimmen, Beerenpflücken, Schemelwerfen, Nägeleinschlagen, Tretschlittenfahren oder fürs Aquajogging, um nur einige zu nennen.

Doch bei vielen WMs sind die Finnen nicht mehr allein: Die kuriosen Wettbewerbe ziehen Medien und Teilnehmer aus aller Welt an. Und so kommt es, dass auch in Deutschland Stiefel und Handys fliegen oder sich Schlammfußballer im Watt suhlen.

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Quelle: SWR | Stand: 27.05.2020, 13:50 Uhr

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