Blick auf den Saimaa-See mit einer roten Hütte am Ufer

Nordeuropa

Finnland

Die Finnen haben es nicht leicht mit ihren Nachbarn Schweden und Russland. 850 Jahre lang gehörte es mal dem einem, mal zum anderen – Gebiete wurden geteilt, abgetreten, wieder zurückgegeben. Mit der Staatsgründung 1917 war noch lange nicht Schluss.

Von Martina Frietsch

Die Besiedelung Finnlands

Wer die Finnen nun eigentlich sind, darum streiten sich die Historiker bis heute. Sicher ist nur: Die Besiedlung des Landes begann vor rund 9000 bis 10.000 Jahren, also nach der letzten Eiszeit. Vermutlich waren es Volksstämme aus der Arktis, aus dem sibirischen, baltischen und germanischen Raum, die sich im Lauf von Jahrtausenden ansiedelten.

Diese unterhielten rege Handelsbeziehungen zu den Nachbarn. Ein in sich gefestigtes politisches Gebilde war Finnland zu jener Zeit jedoch nicht. Und genau dies wurde der finnischen Bevölkerung zum Verhängnis.

Finnland wird schwedisch

Im Jahr 1155 brach der schwedische König Erik IX. zu einem Kreuzzug gegen Finnland auf und nahm das Land, das ihm nur wenig Widerstand entgegensetzte, in Besitz. Im Jahr 1284 wurde Finnland ein schwedisches Großherzogtum. Doch an Finnland bestanden nicht nur weltliche Interessen: Nach der Eroberung durch die Schweden begann die Christianisierung.

Zur gleichen Zeit breitete sich von Russland aus der orthodoxe Glaube vor allem im karelischen Grenzgebiet aus. 1229 gründeten die Schweden die Stadt Turku, 1293 auf karelischem Gebiet die Stadt Wyborg.

Durch die Expansionsgelüste der russischen und schwedischen Nachbarn kam es in Finnland ständig zu Kämpfen. Diesen wurde 1323 mit dem Friedensschluss ein vorläufiges Ende gesetzt, Karelien wurde geteilt.

Marktplatz von Turku

Die finnische Stadt Turku wurde von den Schweden gegründet

Finnland wird russisch

Doch zur Ruhe kam Finnland auch in den nächsten Jahrhunderten nicht: Ständig kam es zu schwedisch-russischen Konfrontationen, zweimal zu Kriegen, die mit der Besetzung durch Russland endeten (1700-1721 und 1741-1743). 1808 beendete der Finnische Krieg die schwedische Herrschaft endgültig. Ganz Finnland war fortan russisch, erhielt jedoch von Zar Alexander I. den Status eines autonomen Großfürstentums.

Das schwedische Recht blieb in dieser Zeit weiter in Kraft, auch Schwedisch als Landessprache der Finnen blieb bestehen. Erst 1892 kam Finnisch als zweite Amtssprache hinzu. Es gab einen Senat, dem nur Finnen angehörten, ab den 1860er-Jahren waren die Finnen auch bei der innenpolitischen Gesetzgebung autonom.

Die Freiheiten, die Russland den Finnen ließ, hingen vom jeweiligen Machthaber ab. Gab sich Alexander II. recht liberal, versuchten seine Nachfolger Alexander III. und Nikolai II., die Autonomie der Finnen einzuschränken. Auf erbitterten Widerstand stieß unter anderem der Versuch, 1899 Russisch als Amtssprache durchzusetzen.

Zar Alexander I. 1814

Unter Zar Alexander I. wird Finnland ein autonomes Großfürstentum

Finnland wird finnisch

Schon zuvor hatte sich Finnlands intellektuelle und politische Elite für Reformen und ein nationales Selbstbewusstsein der Finnen stark gemacht. Das Jahr 1905 gab den Finnen die Chance, sich gegen die zunehmende russische Unterdrückung zu wehren.

Während Russland durch die erste russische Revolution im eigenen Land geschwächt war, traten die Finnen in Generalstreik. Ihr Widerstand hatte Erfolg. Ein Jahr später war die alte Autonomie wieder hergestellt, Finnland erhielt ein Einkammerparlament, und die finnischen Frauen waren die ersten Europäerinnen, denen das allgemeine Wahlrecht zugestanden wurde.

Doch auch jetzt blieb Finnland nicht frei von russischer Einflussnahme. Die Chance, endlich unabhängig zu werden, bot sich 1917 nach der russischen Oktoberrevolution. Der Zar war gestürzt und damit fehlte auch Finnland sein offizielles Staatsoberhaupt. Am 6. Dezember 1917 war es endlich so weit: Finnland proklamierte seine Unabhängigkeit.

Helsinki, Hafen /1905

Die Finnen wehrten sich gegen die russische Unterdrückung

Ein schwerer Start

Unabhängig war Finnland nun, aber im Inneren kehrte noch lange keine Ruhe ein. Konservative und reformerische Kräfte lieferten sich harte Auseinandersetzungen, die im Januar 1918 den finnischen Bürgerkrieg auslösten. Die Linken, genannt die "Roten", wollten eine Revolution nach russischem Vorbild und wurden von Russland mit Soldaten und Waffen unterstützt. Sie eroberten den Süden Finnlands.

Die "Weißen", Finnlands patriotisch ausgerichtete Konservative, erhielten Unterstützung aus Deutschland. Die Weißen, auf deren Seite die Regierungstruppen kämpften, begannen ihren Kampf vom Nordwesten aus und siegten schließlich.

Der kurze, aber heftige Bürgerkrieg kostete mehr als 20.000 Menschen das Leben – ein düsteres Kapitel finnischer Geschichte, das das Land lange prägte und erst nach langer Zeit aufgearbeitet wurde. 1919 wurde die demokratische Verfassung der jungen Republik Finnland bestätigt, im August wählten die Finnen Kaarlo Juho Ståhlberg zum Präsidenten.

Der Zweite Weltkrieg

Zwar hatten Finnland und die Sowjetunion 1932 einen gegenseitigen Nicht-Angriffspakt geschlossen, doch mit Beginn des Zweiten Weltkriegs änderte sich Finnlands Lage dramatisch: Im November 1939 überfiel die Sowjetunion Finnland, der Winterkrieg begann. Er endete 1940 mit dem Verlust Kareliens.

Finnland schlug sich auf die Seite Deutschlands – einerseits aus Angst vor dem Nachbarn Sowjetunion, andererseits, um die verlorenen Gebiete zurückzuerobern.

Es kam jedoch anders: Im Friedensvertrag 1944 musste Finnland endgültig auf Karelien verzichten – 400.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Gleichzeitig musste das Land nun gegen seinen ehemaligen Verbündeten Deutschland vorgehen, dessen Truppen sich im Norden Finnlands befanden.

Finnische Truppen in Schneeuniformen gehen im sogenannten Winterkrieg an der Frontlinie in Stellung und greifen russische Positionen an

Im Winterkrieg versuchte Finnland, Karelien zurückzuerobern

Wiederaufbau

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Finnland nicht nur mit Reparationszahlungen zu kämpfen, auch der Aufbau des völlig verwüsteten Lappland beutelte das Land.

Politisch musste Finnland, das auf seiner Neutralität bestand, den Spagat zwischen Ost und West meistern: Mit dem mächtigen Nachbarn Sowjetunion wurde 1948 der "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Beistand" abgeschlossen.

Gleichzeitig entwickelten sich enge Beziehungen zu den skandinavischen Nachbarländern. 1955 wurde Finnland sowohl Mitglied der Vereinten Nationen als auch des Nordischen Rats, der innerhalb der nordischen Staaten (Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark und Island) freien Waren- und Arbeitskräfteverkehr ermöglicht.

Ein Meilenstein finnischer Politik auf internationalem Parkett war 1975 die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die in Helsinki abgehalten wurde.

Helmut Schmidt und Erich Honecker auf der KSZE (1975)

Helmut Schmidt und Erich Honecker auf der KSZE (1975)

Finnland orientiert sich neu

1994 wurden die Finnen zu einer überaus wichtigen Abstimmung gerufen: Sollte das Land Mitglied der Europäischen Union (EU) werden? 57 Prozent stimmten zu, auch wenn die Agrarpolitik der EU für viele Kontroversen sorgte.

Noch vor 1990 wäre diese eindeutige Hinwendung zum westlichen Europa undenkbar gewesen – doch die politischen Veränderungen, welche das Ende der Sowjetunion nach sich zog, hatten es möglich gemacht. 1992 schloss Finnland mit Russland einen Nachbarschaftsvertrag. 1995 trat das Land der EU bei und seit 2002 haben auch die Finnen als Zahlungsmittel den Euro.

Vorder- und Rückseite der finnischen Ein-Euro-Münze

2002 wurde der Euro finnisches Zahlungsmittel

Quelle: SWR | Stand: 27.05.2020, 15:08 Uhr

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