Rentierschnauze

Natur in Skandinavien

Elche und Rentiere

Majestätisches Geweih, schlanke Beine, kompakter Rumpf und dicke Nase, lebt im Norden und mag es kühl: das kann ein Elch sein – oder auch ein Rentier. Doch wie lassen sich die beiden vermeintlich so ähnlichen Huftiere unterscheiden?

Von Martina Frietsch

Elch oder Ren? Die Unterschiede

Der auffälligste Unterschied der beiden Hirscharten ist schlicht die Größe. Ein ausgewachsener männlicher Elch (lateinischer Name: Alces alces) kann eine Schulterhöhe von 2,30 Metern erreichen und bis zu 800 Kilogramm wiegen – so viel wie ein durchschnittlicher Kleinwagen. Das gilt allerdings mehr für den Zweig der amerikanischen Elche.

In Europa sind die Tiere etwas kleiner – Elchbullen können aber immerhin 500 Kilo auf die Waage bringen. Die Elchkuh ist grundsätzlich kleiner und entsprechend leichter. Dennoch ist sie in den meisten Fällen noch größer als ein Rentier (Rangifer tarandus): Rentiere werden nur bis zu 1,40 Meter hoch und bringen maximal 300 Kilogramm auf die Waage.

Doch wenn Elch und Ren nicht gerade nebeneinander stehen, ist dieser Vergleich schwierig. Auch das Fell macht die Sache nicht leichter: Elche sind grau- bis dunkelbraun, Rentiere hell- bis dunkelbraun. Allerdings haben zumindest die europäischen Elche auffällige Beine: Das Fell der Läufe ist eher hellgrau, was die Tiere "bestrumpft" aussehen lässt.

Am besten lassen sich Elche und Rentiere am Geweih auseinanderhalten – sofern sie es nicht gerade abgeworfen haben und erst ein neues wachsen muss. Männliche Elche tragen ein mächtiges Schaufelgeweih, das einen Durchmesser von bis zu zwei Metern erreichen kann. An den flachen Schaufeln befinden sich außen mehrere kleine Fortsätze. Die Elchkühe kommen – im Gegensatz zu den weiblichen Rentieren – ganz ohne Geweih aus.

Rentiere haben stangenförmige, weit verzweigte Geweihe, deren Formen sehr unregelmäßig sind. Ungewöhnlich für eine Hirschart: Die weiblichen Rentiere tragen ebenfalls ein Geweih, wenn auch mit 20 bis 50 Zentimetern ein deutlich kleineres als die Hirsche.

Ein Rentier (Rangifer tarandus) in Finnmark/Norwegen.

Elch oder Rentier? Rentier!

Nationaltier Schwedens: der Elch

Die großen Einzelgänger lieben den kühlen Norden und sumpfige Böden. Auf der Suche nach Nahrung durchstreifen sie die moorigen Gebiete der Taiga und der Waldtundra. Dabei sind sie meist allein oder in kleinen Familienverbänden unterwegs. Das Revier eines Elchs kann bis zu 500 Hektar umfassen – und dieses Revier wird sehr konsequent gegen Eindringlinge verteidigt.

Für ganze Herden würde die Vegetation wohl kaum ausreichen – die großen Tiere ernähren sich hauptsächlich von Trieben und Knospen von Holzpflanzen wie Weide, Erle, Kiefer und Birke, aber auch Rinde und Wasserpflanzen stehen auf dem Speiseplan.

Zum Leidwesen von Bauern und Einwohnern in Gegenden mit vielen Elchen machen sich die Tiere auch über Äcker und Gärten her. Da Elche eine ganz besondere Vorliebe für Äpfel haben, richten sie in manchen Gärten üble Verwüstungen an.

Nationaltier Schwedens hin oder her – von den geschätzten 300.000 bis 400.000 Tieren des Landes wird jedes Jahr rund ein Viertel geschossen, und das ganz legal. Nachdem die Elche im 19. Jahrhundert fast ausgestorben waren, hat sich ihr Bestand prächtig erholt – und sorgt prompt für Probleme.

Ein einzelner Elch

Elche sind meist Einzelgänger

Der Elch und seine Feinde

In freier Wildbahn können den Elchen vor allem Raubtiere wie Bären und Wölfe gefährlich werden. Der Elch hat zwar einige unschlagbare Vorteile: Er kann bis zu 60 Kilometer pro Stunde schnell laufen und mit seinen langen Beinen hervorragend durch hohen Schnee laufen oder Hindernisse überwinden, was eine Verfolgung erheblich erschwert. Geschwächte, kranke und alte Tiere jedoch haben gegen Raubtiere schlechte Chancen.

Der zweite tödliche Feind des Elchs ist der Mensch, zum einen durch die Jagd und zum anderen durch den Autoverkehr. Wenn die Tiere in der Dämmerung aktiv werden und dabei Straßen überqueren, kommt es allein in Schweden jedes Jahr zu tausenden, teils schweren Unfällen. Meist tauchen die Elche sehr plötzlich auf und sind aufgrund ihrer Fellfarbe in der Dämmerung nur schlecht zu erkennen.

Mit Warnschildern und Wildzäunen versucht die Regierung des Problems Herr zu werden. Faustregel: Wenn ein Elch plötzlich die Straße überquert, ist Vorsicht geboten, denn oft folgt ein weiterer, beispielsweise wenn Mutter und Kalb unterwegs sind. Es wird auch sehr empfohlen, die Elchwarnschilder zu beachten, die zum Leidwesen der Schweden übrigens ein beliebtes Sammelobjekt bei Touristen sind.

Verkehrsschild mit Tempolimit und Warnung vor Elchen

Schilder warnen vor besonderen Elchpassagen

Auge in Auge mit dem Elch

Wer nach Schweden reist, sollte unbedingt Elche sehen, aber nicht erwarten, dass er auch sofort einen trifft. Elche sind scheue Tiere, die beim Anblick von Menschen eher Reißaus nehmen. In der Brunftzeit können die Elche jedoch ausgesprochen aggressiv werden. Gleiches gilt für Elchkühe, die ihr Kalb beschützen wollen. Wer in der freien Natur auf Elchsuche geht oder zufällig auf einen Elch trifft, sollte also vorsichtig sein und gebührenden Abstand wahren.

Wer es lieber ungefährlich hat und Elch-Garantie möchte, dem sei der Besuch in einem von Schwedens vielen Elch-Parks empfohlen. In den Parks werden geführte Touren angeboten, in einigen ist es auch möglich, mal einen Elch zu kraulen.

Zwei Elchkühe knabbern im Winter an jungen Trieben

Elche in freier Wildbahn sind nicht ungefährlich

Rentiere

Rentiere sind ausgesprochen gesellig. Im Gegensatz zu ihren großen Verwandten, den Elchen, leben sie in riesigen Herden im Fjell, den Hochgebirgen und Hochflächen oberhalb der Waldgrenze. In diesem kühlen und kargen Lebensraum finden die Rentiere ihre Nahrung – Gräser, Flechten, Pilze, Laub und Rinde. Dabei legen sie auf der Suche nach Futter und auf dem Weg von ihren Sommer- zu den Winterweiden teils mehrere Tausend Kilometer zurück, wobei die guten Schwimmer auch Flüsse und sogar Meeresarme durchqueren können.

Wirkliche Wildrens gibt es in Skandinavien nur noch wenige: Die riesigen Renherden, die das Land durchziehen, sind meist domestizierte Tiere, von denen viele traditionell vom Volk der Samen gehalten werden. Nach wie vor ziehen auch die domestizierten Tiere in großen Herden frei umher – die Menschen folgen ihrem Rhythmus und ihren Routen.

Heute bedienen sich die Samen bei den ausgedehnten Wanderungen ihrer Herden allerdings auch moderner Hilfsmittel: Sie folgen den Rentieren mit Motorschlitten, und zur jährlichen Zählung werden die Tiere zusätzlich mittels Hubschrauber zusammengetrieben.

Eine Rentierherde

Rentiere sind sehr gesellige Tiere

Das Rentier als Wirtschaftsfaktor

Der Mensch nutzt die Rentiere bereits seit Jahrtausenden. Bis heute sind diese Tiere die einzige domestizierte Hirschart. Rentierprodukte sind vor allem die Milch, das Fell und das magere Fleisch, das recht hohe Preise erzielt.

Etwa ein Drittel der Tiere wird jedes Jahr zu diesem Zweck erlegt. Gefährdet sind die Rentiere dennoch nicht: Durch die Zucht bleibt die Herdenstärke erhalten. Weltweit gibt es in den subpolaren Zonen in Europa, Amerika und Asien noch geschätzte drei Millionen Tiere.

Rentiere in Gefahr

Planet Wissen 02.02.2024 02:09 Min. UT Verfügbar bis 04.03.2027 WDR

Quelle: SWR | Stand: 08.01.2020, 09:26 Uhr

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