Kanus am Amazonas

Amazonien

Flusstypen Amazoniens

Weiß, schwarz, klar – in Amazonien treffen überall unterschiedliche Gewässertypen aufeinander.

Von Dieter Engelmann

Sollten Sie einmal mit dem Flugzeug zur Dschungelmetropole Manaus reisen, buchen Sie sich unbedingt einen Fensterplatz. Beim Landeanflug bietet sich einem ein unglaublicher Anblick.

Wenige Kilometer südlich von Manaus treffen die dunklen Fluten des Rio Negro auf das milchkaffeebraune Wasser des Rio Solimões. Aus der Vogelperspektive eröffnet sich das überwältigende Schauspiel in seinen ganzen, beeindruckenden Ausmaßen.

Über zig Kilometer fließen die unterschiedlichen Wassermassen im gleichen Flussbett nebeneinander und haben fortan nur noch einen Namen: Amazonas. "Encontrão das águas", das Treffen der Wasser, wird es von den Einheimischen genannt.

Luftbild vom Amazonas bei Manaus

Bei Manaus ist das Wasser zweifarbig

Weißwasser-Flüsse (Agua branca)

Die Weißwasser-Flüsse, wie etwa der Rio Solimões, der Rio Madeira oder der Rio Branco, haben ihre Quellen in den Anden. Sie entwässern also vor allem das westliche Einzugsgebiet Amazoniens. Durch das starke Gefälle im Gebirge ergibt sich eine hohe Fließgeschwindigkeit und damit verbunden eine starke Erosion.

Das Wasser reißt daher große Mengen an Gesteinsmaterial mit sich mit, wobei vor allem die feinen Schwebstoffe bis zur Mündung in den Atlantik getragen werden. Diese Schwebstoffe geben dem Wasser die typisch lehmgelbe bis kaffeebraune Färbung und verringern die Sichttiefe auf gerade einmal zehn bis 50 Zentimeter.

Doch die trüben Fluten sind ein wahrer Segen für die Bewohner Amazoniens, denn die Schwebstoffe sind reich an Nährstoffen. Kein Wunder also, dass die begehrtesten Siedlungsflächen Amazoniens im Überschwemmungsbereich der Weißwasser-Flüsse liegen.

Dieser Bereich, die sogenannte Vàrzea, wird durch das Hochwasser in der Regenzeit regelrecht gedüngt und bringt den Bauern entsprechend gute Erträge.

Aber auch die vom Menschen unberührten Vàrzea-Wälder sind deutlich üppiger und zeigen einen ganz anderen Aufbau, als beispielsweise die Wälder im nährstoffarmen Überschwemmungsbereich der Schwarzwasser-Flüsse.

Auch für das Leben im Wasser bieten die nährstoffreichen Schwebstoffe optimale Lebensbedingungen. Weißwasser-Flüsse sind daher meist deutlich fischreicher, als die anderen Gewässer.

Leider kommen im chemisch neutralen Weißwasser auch besonders viele Insekten- und Mückenlarven vor. In Weißwasser-Gebieten treten daher Erkrankungen, wie etwa die Malaria, besonders häufig auf.

An manchen Uferstrecken sind die stechenden, saugenden und beißenden Quälgeister so zahlreich, dass sich Menschen dort nicht dauerhaft niederlassen können.

Dicht bewaldetes Ufer des Rio Solimões

Der Rio Solimões ist sehr nährstoffreich

Schwarzwasser-Flüsse (Agua prêta)

Die Schwarzwasser-Flüsse treten vorwiegend im Norden Amazoniens auf, im Bereich des Guyana-Schildes, einem uralten Gesteinsbereich, der schon vor über 500 Millionen Jahren entstand und stark verwitterte, sandige Böden aufweist. Der bekannteste Vertreter dieses Gewässertyps ist der Rio Negro.

Schwarzwasser-Flüsse haben eine oliv- bis dunkelbraune, zum Teil sogar rotbraune Farbe, die von den im Wasser gelösten Huminstoffen stammt.

Diese Huminstoffe fallen bei der Zersetzung von pflanzlichem Material an und sind für den extrem sauren pH-Wert des Schwarzwassers verantwortlich. Da das dunkle Wasser so gut wie keine Schwebstoffe enthält, ist die Sichttiefe recht gut und kann bis zu 2,5 Meter erreichen.

Für Touristen sind die Schwarzwasser-Gebiete äußerst angenehm zu bereisen. In dem extrem sauren Wasser können Insektenlarven nicht überleben und es gibt daher keine Mücken. Aber auch für das restliche Leben im Wasser stellt das saure Milieu eine große Herausforderung dar und es gibt hier meist deutlich weniger Fische.

Die Igapò-Wälder im Überschwemmungsbereich der Schwarzwasser-Flüsse wachsen auf extrem nährstoffarmen und unfruchtbaren Böden. Zwar bilden sie trotzdem eine scheinbar üppige Vegetation, doch eine landwirtschaftliche Nutzung ist kaum möglich. Die Ufer der Schwarzwasserflüsse sind daher kaum oder gar nicht besiedelt.

Ein weiterer Unterschied der Gewässertypen zeigt sich dem Badenden recht deutlich. Das Weißwasser ist mit rund 29 Grad Celsius gegenüber dem Schwarzwasser (bis 31 Grad Celsius) kühler.

Der Temperaturunterschied und die damit verbundene unterschiedliche Dichte sorgen unter anderem dafür, dass der Rio Solimões und der Rio Negro so lange unvermischt nebeneinander herfließen.

Hausboot auf dem Rio Negro.

Hausboot auf dem Rio Negro

Klarwasser-Flüsse (Agua clara)

Klarwasser-Flüsse, zu deren bedeutendsten Vertretern der Rio Tapajóz und der Rio Xingú gehören, haben ihre Quellen vorwiegend im brasilianischen Bergland im Süden Amazoniens.

Das Gefälle ist hier nur sanft, so dass Schwebstoffe, wenn überhaupt, nur in äußerst geringen Mengen mitgetragen werden. Das Wasser ist gelb- bis olivgrün und noch deutlich transparenter als Schwarzwasser. Klarwasser erreicht Sichttiefen bis über vier Meter. Für Taucher ein beeindruckendes Erlebnis.

Klarwasser-Flüsse sind eine Besonderheit der Fließgewässer Amazoniens. Sie sind chemisch neutral bis leicht sauer und teilweise ist das Wasser so rein, dass es fast destilliertem Wasser entspricht.

Doch trotz des extremen Nährstoffmangels hat sich auch im Klarwasser-Bereich eine vielfältige und unglaubliche Lebenswelt entwickelt, die sich der Forschung erst nach und nach erschließt.

Flussufer mit Steinen, Sandstrand und Regenwald

Der Rio Tapajos ist ein Klarwasser-Fluss

Quelle: SWR | Stand: 28.10.2019, 13:44 Uhr

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