Eine tätowierte und gepiercte Frau

Haut des Menschen

Körperkunst – Tattoos, Piercing & Co

Nasenringe und Tattoos waren in den 1980ern Zeichen für Protestkultur. Punker und Rocker grenzten sich mit diesem Körperschmuck von der Gesellschaft und deren Werten ab. Inzwischen sind mystische Bodypaintings weit verbreitet.

Von Andrea Lützenkirchen

Vom Außenseiter-Schmuck zur Modeerscheinung

Vom "Hautzeichen der Außenseiter" wandelten sich Tätowierungen und Piercings zum modisch-erotischen Hautschmuck, der die Persönlichkeit des Trägers zum Ausdruck bringen soll. Dabei sind schmerzhafte Torturen nicht unbedingt nötig.

Indische Mehndis, also traditionelle Henna-Ornamente, die eine Botschaft übermitteln, werden zum Beispiel nur auf die Haut aufgemalt und verschwinden nach zwei oder drei Wochen wieder. Nachteil: Henna kann allergische Reaktionen auslösen.

Auch die Prozedur des Tätowierens selbst schmerzt heute weit weniger. Beim Tätowieren werden mit Nadeln Farbpartikel in die Lederhaut gebracht. Heute erledigen diese mühsame Arbeit elektrische Tätowierapparate, die ihre Nadeln bis zu 3000 Mal pro Minute auf und ab bewegen.

Tätowierungen erzählen Geschichten

Der Wunsch, den eigenen Körper zu verändern und zu schmücken, ist schon sehr alt. Vermutlich bemalten die Urmenschen nicht nur ihre Höhlen, sondern auch ihre Haut. Körperbemalungen und Tätowierungen waren und sind auf der ganzen Welt verbreitet und haben unterschiedliche Bedeutungen. Stammeskrieger malten sich vor dem Kampf an, um ihre Gegner mit Furcht erregenden Fratzen einzuschüchtern.

Ornamente und Motive stellten Gruppenzugehörigkeit und Rang dar, demonstrierten Trauer und hatten magische Bedeutung. In vielen Völkern Afrikas gehörte und gehört die Tätowierung zum sogenannten Übergangsritual, wie zum Beispiel beim Übergang vom Jugendlichen- in das Erwachsenenalter.

Dabei kennzeichnet nicht nur das Zeichen an sich den Erwachsenen. Erst das Ritual mit den damit verbundenen Schmerzen lassen das Kind zum Mann oder zur Frau werden.

Ein Mann mit Piercings und Tätowierungen im Gesicht

Kunst am Körper drückt die individuelle Persönlichkeit aus

Ötzi war der Erste

Erste Belege für Tätowierungen finden sich in Afrika, Polynesien und Asien aus der Zeit von ungefähr 500 vor Christus. Auch im vorchristlichen Europa war die Kunst des Tätowierens verbreitet. Mit Beginn des Christentums wurden die Zeichen auf der Haut dann meist verboten: "Und ihr dürft euch keine Zeichen einritzen lassen" heißt es in der Bibel (Lev 19, 28).

Der älteste Europäer mit Nadellinien unter der Haut, von dem wir wissen, war Ötzi. In die Haut der etwa 5300 Jahre alten Eismumie vom Hauslabjoch sind Linien, Streifen und ein Kreuz eingeritzt.

Nahmen die Forscher anfänglich an, dass es sich dabei um reine Schmucktätowierungen handelte, vermutet man heute, dass die Hautmale das Arthrose-Leiden des Gletschermannes lindern sollten. Für diese Annahme spricht, dass die Tätowierungen sich genau an den klassischen Akupunktur-Punkten für diese Krankheit befinden.

Körperkunst in Europa

Unser Wort "Tätowierung" entstammt dem polynesischen "tatau" (Zeichen). Bekannt wurden das Wort und seine Bedeutung durch die Aufzeichnungen des britischen Entdeckers und Erforschers der Pazifik-Inseln James Cook (1728-1779).

Cook war es auch, der den polynesischen "edlen Wilden" Omai nach England brachte. Auf Jahrmärkten wurden die Tätowierungen des tahitischen Prinzen vorgeführt, bestaunt und bewundert. Unter seinen Leidensgenossen, die als lebendige Ausstellungsobjekte gezeigt wurden, war Omai der bekannteste und einer der wenigen, die zurück in ihre Heimat reisen durften.

Im 18. Jahrhundert galten die in die Haut gestochenen und eingefärbten Ornamente und Bilder als der Inbegriff der Exotik und des Primitiven. Im 19. Jahrhundert wurden Tätowierungen dann zum Zeichen des "Milieus".

Randgruppen wie Zuchthäusler, Matrosen, Prostituierte und Fremdenlegionäre grenzten sich mit "barbarischem" Körperschmuck von der Scheinmoral der guten Gesellschaft ab. Gut ein Jahrhundert später ließen die Punker diese Tradition wieder aufleben.

(Erstveröffentlichung: 2003. Letzte Aktualisierung: 16.07.2020)

Quelle: WDR

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