Weinbergschnecken (Helix Pomatia) bei der Fortpflanzung

Tierwelt

Sex im Tierreich

Das Liebesleben der Tiere umfasst alles, was wir Menschen auch kennen – und noch viel mehr. Wenn man tierischen Sex genauer unter die Lupe nimmt, wird klar, dass es sich dabei keineswegs um langweiligen "Blümchensex" handelt. Sex im Tierreich ist aufregend und spannend, manchmal aber auch eigenartig und bizarr.

Von Lena Ganschow

Aufwendige Partnersuche

Die Suche der Tiere nach dem perfekten Sexualpartner erscheint uns Menschen oft als sehr aufwendig: Vögel trällern komplizierte Lieder oder präsentieren wie der Pfau stolz ihr prächtiges Federkleid. Hirsche schwenken eindrucksvoll ihr mächtiges Geweih, Schmetterlinge schlagen Rad, Libellen tanzen. Keine Frage, ohne die Partnersuche der Tiere wäre unsere Natur wohl um viele ihrer schönsten Exemplare ärmer.

Doch das aufwendige Werben hat auch seinen Sinn: Im Tierreich herrscht nämlich meist Damenwahl, und so muss das Männchen schon heftig flirten, um Eindruck zu machen. Indem es aufwendig balzt, signalisiert es dem Weibchen: "Ich bin eine gute Partie, denn trotz meines auffälligen Erscheinungsbildes konnte ich mich erfolgreich gegen Fressfeinde durchsetzen. Nimm mich, ich trage gutes Erbmaterial in mir."

Balzende Birkhähne

Die Männchen müssen sich mächtig ins Zeug legen

Die Gene geben den Takt an

Die Fortpflanzung der Tiere wird vielfach durch das Erbmaterial bestimmt. Bei den kleinen Fruchtfliegen zum Beispiel, wo sich die Männchen mit aufwendigen Tänzen um die Gunst ihrer Weibchen bemühen, ist offenbar ein einziges Gen für die gesamte Choreografie zuständig. Schaltet man diesen bei Weibchen normalerweise ausgeschalteten Abschnitt des Erbmaterials nachträglich künstlich an, fangen auch sie an zu balzen.

Die Gene beeinflussen auch die Fortpflanzungsstrategien der Tiere. Diese sind bei den Geschlechtern häufig unterschiedlich. Bei vielen Arten geht es den Männchen in erster Linie darum, sich mit möglichst vielen Weibchen zu paaren, während diese hingegen sehr wählerisch sind.

Der Grund: Die Weibchen legen Wert auf gute Gene, damit ihr Nachwuchs groß und stark wird. Die Männchen dagegen wollen ihre Gene möglichst breit streuen. Erstaunlich, dass die Geschlechter bei so unterschiedlichen Vorstellungen trotzdem immer wieder auf einen Nenner kommen.

Nahaufnahme einer Fruchtfliege

Der Paartanz der Fruchtfliegen wird von einem Gen bestimmt

Tierische Sexpraktiken

Haben sich im Tierreich zwei Geschlechtspartner gefunden, umfasst ihr Liebesleben alles, was wir Menschen auch kennen. Zusätzlich gibt es jedoch bestimmte Sexpraktiken, die uns fremd erscheinen. Weinbergschnecken zum Beispiel schießen ihren Partnern zur sexuellen Stimulation einen sogenannten Liebespfeil in den Körper.

Um Nebenbuhlern den Fortpflanzungserfolg zu verbauen, legen männliche Maulwürfe ihren Weibchen biologische Keuschheitsgürtel an, indem sie nach dem Akt die Geschlechtsöffnungen der Weibchen mit einem Pfropf verschließen.

Weibliche Spinnen und Insekten fordern dagegen häufig Blutzoll, sodass viele ihrer Männchen den Akt nicht lebend überstehen. Warum tierischer Sex manchmal auch brutal ist, ist in den meisten Fällen nicht klar.

Homosexualität

Neben den sexuellen Begegnungen zwischen Männchen und Weibchen tauschen im Tierreich auch gleichgeschlechtliche Partner Zärtlichkeiten aus.

Ob Humboldt-Pinguine, Delfine oder Bonobos: Bisher haben Forscher bei mehreren hundert Arten homosexuelle Beziehungen entdeckt. Teilweise scheinen sie einfach Ausdruck der Spielfreude und Lust zu sein, manchmal stärken sie aber auch die Verbindungen innerhalb einer Gruppe.

Bei Albatrossen konnte man zudem feststellen, dass sich Weibchen häufig dann zu einem Paar zusammenfinden, wenn es nicht genügend Männer gibt. Die Weibchen lassen sich in so einem Fall von einem Männchen befruchten, das bereits eine Partnerin hat, und ziehen den Nachwuchs dann mit einem zweiten Albatrosweibchen auf, das ebenfalls allein ist. Als gleichgeschlechtliches Pärchen tragen sie so mehr zum Erhalt der Kolonie bei, als wenn sie Single blieben.

Zwei Wanderalbatrosse an einer Küste

Bei Albatrossen gibt es weibliche "Paare" bei der Aufzucht

Die Rolle der Eltern

Für die Aufzucht des Nachwuchses ist im Reich der Tiere meist das Weibchen zuständig, allerdings nicht immer. Bei vielen Vogelarten zum Beispiel kümmern sich beide Elternteile gleichberechtigt. Als "Rabeneltern" gelten in diesem Zusammenhang viele Insekten, Amphibien, Reptilien oder Fische, da sie ihre Nachkommen direkt nach der Eiablage sich selbst überlassen.

Auf der anderen Seite gibt es gerade bei diesen Arten Beispiele für einen modernen Rollentausch zwischen Mann und Frau. Bei den Seepferdchen etwa ist nicht sie für die Brutpflege zuständig, sondern er.

Das Weibchen übergibt dem Männchen lediglich die Eier, die dieser dann in seiner Bruttasche austrägt und rund einen Monat später unter großen Anstrengungen zur Welt bringt. Eine absolute Regelung in Sachen Nachwuchs gibt es bei den Tieren also nicht.

Das Mutter- und das Vatertier gleiten durch ein Wasserbecken

Männliches Seepferdchen (rechts) mit seiner Brusttasche

Es geht auch ohne Sex

Einigen Arten sind Sex und seine Folgen schlichtweg zu aufwendig. Sie haben daher einen Weg gefunden, sich auch ohne Partner fortzupflanzen.

Einzeller etwa verdoppeln einfach ihr gesamtes Erbmaterial und verteilen es im Anschluss auf zwei neue Organismen – aus eins macht zwei. Die Nachkommen sind damit identische Kopien der Elternzelle, was ein Nachteil sein kann, da sie sich so möglicherweise nicht schnell genug an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen können.

Auf der anderen Seite ist diese Art der Fortpflanzung kraft- und zeitsparend. Dieses Beispiel zeigt: Sex im Tierreich ist keineswegs ein Muss.

(Erstveröffentlichung 2008, letzte Aktualisierung 20.06.2017)

Quelle: SWR

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