Der fruchtbare Lössboden

Planet Wissen 29.01.2024 01:40 Min. UT Verfügbar bis 29.11.2028 WDR Von Felicitas Graßl, Claudio Como

Umwelt

Lebendiger Boden

Wir Menschen sind Oberflächen-Chauvinisten und treten das Leben oft mit Füßen, etwa bei einem Waldspaziergang. Dabei tobt unter unseren Sohlen ein fantastisches Leben. Ein Leben von solchen Ausmaßen, dass man vor Ehrfurcht schweben möchte.

Von Dieter Engelmann

Entstehung und Entwicklung

Allein unter der Fläche der eigenen Sohlen existieren mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt. Und so winzig die meisten auch sind, ohne ihr Wirken gäbe es kein Leben über der Erde.

Bis ein solch lebendiger Boden entsteht, vergehen viele Jahrtausende. Am Anfang steht das nackte Gestein, aus dem die Erdkruste aufgebaut ist. Regen und Sauerstoff lassen das Gestein mit der Zeit verwittern. Hitze und Kälte zermürben es zusätzlich. Wasser und Wind mahlen und schleifen selbst den härtesten Granit zu immer kleiner werdenden Steinen und Körnern.

Aber erst durch das Leben wird aus der verwitterten Gesteinskruste der Boden. Die eigentliche Bodenbildung beginnt daher erst mit der Besiedelung durch Mikroorganismen, dann durch Flechten, die aus einem Pilz- und einem Algenpartner bestehen.

Die hochspezialisierten Flechten wachsen teilweise direkt auf den kahlen Felsen. Sie sind in der Lage Säuren auszuscheiden, die das Gestein zersetzen und die darin enthaltenen Nährstoffe freisetzen. Nährstoffe, die über die Luft und das Regenwasser nicht zur Verfügung stehen.

Per Anhalter kommen Milben und Springschwänze im Gefieder von Vögeln angereist. Sie besiedeln als erste Bodentiere die Flechten, fressen Pilz- und Algenreste und scheiden diese als Kot wieder aus.

Zusammen mit dem Gesteinsmehl sammelt sich der Kot in Ritzen und Spalten und bietet dann auch Moosen und höheren Pflanzen eine Lebensgrundlage. So bildet sich über lange Zeiträume aus einzelnen winzigen Oasen schließlich eine zusammenhängende Vegetationsdecke, unter der sich ein wachsender Boden entwickelt.

Böden können sich dabei deutlich in ihrem Aufbau und in ihrer Mächtigkeit unterscheiden. Häufig bestehen sie aus mehreren, allein durch die Farbe deutlich voneinander unterscheidbaren Schichten, die übereinander lagern (Bodenhorizonte).

Verantwortlich für die jeweilige Bodenentwicklung sind Faktoren wie Ausgangsgestein, Klima, Vegetation, Wassergehalt, der Zeitraum der Bodenentwicklung und die Lage (zum Beispiel an einem Hang oder in einem Flusstal).

Bodenkundler unterscheiden die Vielfalt in verschiedenen Klassifikationssystemen und sprechen vom sogenannten Bodentyp. Die Übergänge zwischen den Bodentypen sind sowohl räumlich als auch zeitlich fließend. In der Natur trifft man häufig auf relativ kleinem Raum verschiedene Bodentypen nebeneinander an.

Widertonmoos in Niedersachsen

Mit Moosen beginnt die Bodenbildung

Bedeutung des Humus

Der Humus hat eine essentielle Bedeutung für das Ökosystem Boden. Ohne ihn wäre der Boden kein Boden, sondern allenfalls Material für den Sandkasten oder für die Töpferei.

Humus schützt den Boden vor Erosion, sorgt für eine körnige Bodenstruktur, speichert Wasser und gleicht Temperaturschwankungen aus. Außerdem ist er ein beständiger Nährstofflieferant für das Bodenleben und die Pflanzen, die hier wachsen.

Die Humusbildung geht mit der Entwicklung und Besiedelung des Bodens durch Lebewesen Hand in Hand, denn ohne Bodenleben (Edaphon) gäbe es auch keinen Humus.

Eine ganze Armada von Lebewesen nutzt die anfallende organische Substanz, also die Reste von Pflanzen und Tieren, als Nahrung. Dabei verwandeln sie diese in Humus, in dem sie die organische Substanz zersetzen, fressen und wieder ausscheiden.

Bestandteile wie Kohlenhydrate, Fette und Eiweißstoffe werden von ihnen recht schnell zu Wasser, Kohlendioxid und Mineralsalzen abgebaut. Diese schnell abbaubare Fraktion der organischen Substanz wird als Nährhumus bezeichnet und überdauert meist nur wenige Wochen und Monate im Boden, bis sie vollständig abgebaut ist.

Andere Bestandteile der organischen Substanz, wie etwa Cellulose und Lignin aus den verholzten Pflanzenteilen, sind nur schwer zu knacken. Ausschließlich spezielle Nahrungsspezialisten können diese Stoffe verwerten. Sie liegen daher viel länger im Boden vor und überdauern teilweise Jahrhunderte.

Dieser sogenannte Dauerhumus stellt die Hauptmasse der organischen Substanz im Boden und ist für die typische dunkle Färbung der Erde verantwortlich. Durch den langsamen Abbau des Humus werden die Pflanzen beständig mit Stickstoff und Phosphor versorgt. Zwei Nährstoffe, die für das Pflanzenwachstum von grundlegender Bedeutung sind.

Humusschicht im Boden

Zusammensetzung des Bodens

Der Humusgehalt in einem Boden kann sehr unterschiedlich sein. So können Waldböden rund 20 Prozent, Wiesenböden fünf bis zehn Prozent und Ackerböden rund zwei Prozent Humusgehalt aufweisen.

Die restlichen Bestandteile im Boden sind die bei der Verwitterung des Gesteins entstandenen mineralischen Bodenteilchen (rund 45 Prozent), sowie Luft (Null bis 30 Prozent) und Wasser (20 bis 50 Prozent).

Denn der Boden besteht ungefähr zur Hälfte aus festen Bestandteilen, wie Mineralien und Humus, und zur anderen Hälfte aus Poren, die mit Luft und Wasser gefüllt sind. Gerade die Hohlräume ermöglichen erst größeren Organismen das Besiedeln des Bodens.

Neben den reinen Anteilen der verschiedenen Bodenbestandteilen, spielt ihre räumliche Anordnung, das sogenannte Bodengefüge, eine wichtige Rolle. In einem Sandstrand etwa liegen die Körner einfach einzeln aneinander – entsprechend spricht man von einem Einzelkorngefüge.

Doch mit dem Humus und dem Bodenleben verändert sich in der Regel das Gefüge. Denn der Humus wirkt wie ein Kitt, der die einzelnen Mineralkörner umgibt und sie zu größeren Krümeln verklebt (Krümelgefüge).

Pilzfäden durchdringen diese Schichten und von Mikroorganismen ausgeschiedene Schleimstoffe verkleben sie zusätzlich. So entstehen größere fest zusammenhängende Strukturen, zwischen denen entsprechend größere Poren vorliegen. Das Bodengefüge wird so insgesamt stabiler und die Wasser- und Sauerstoffversorgung entsprechend verbessert.

Auch die Bodenart ist von großer Bedeutung. Unter Bodenart versteht man die Zusammensetzung der mineralischen Bodenteilchen in Bezug auf ihre Größe. Diese schwankt nämlich über einen großen Bereich und reicht von Tonteilchen mit einem Durchmesser kleiner als zwei Mikrometern bis zu Sandkörnern, die mit rund zwei Millimetern 1000 mal größer sind.

Kies und Steine erreichen noch weit größere Dimensionen. Für den Landwirt ergeben sich daraus große Unterschiede. So können etwa Sandböden, die vor allem aus großen Bodenteilchen bestehen, relativ leicht bearbeitet werden. Allerdings sind sie meist wenig fruchtbar.

Bei Tonböden, also Böden, die vor allem aus den winzigen Tonteilchen bestehen, spricht man auch von "Minutenböden". Ein zu hoher Wassergehalt lässt sie aufquellen, wodurch der Boden äußerst druckempfindlich wird. Ist der Boden dagegen zu trocken, schrumpft er und wird steinhart.

Der Landwirt sollte also den Boden immer bei optimalen Wassergehalt bearbeiten. Und das kann je nach Wetter eben nur ein kurzer Zeitraum sein. Am besten für die Bearbeitung sind die sogenannten Lehmböden, also Böden in denen die verschiedenen Größen der Mineralteilchen in ungefähr gleichen Anteilen vorliegen.

Ein Landwirt pflügt mit dem Traktor seinen Acker

Ackerböden können einen Humusgehalt von rund zwei Prozent aufweisen

Grundlage des Pflanzenwachstums

Seit mehr als 450 Millionen Jahren leben Landpflanzen gemeinsam mit Mikroorganismen und Insekten auf der Erde. Ein gigantischer Zeitraum, in dem sich entsprechend komplexe Lebensgemeinschaften entwickelt haben. Lebensgemeinschaften und Beziehungen, die nur teilweise erforscht und bekannt sind.

Wie etwa die Mykorrhoza und auch die Knöllchenbakterien, beides Symbiosen zwischen Mikroorganismen und Pflanzen, die es der Pflanze ermöglichen an Nährstoffe zu kommen, die sie sich selbst nicht erschließen kann. Im Austausch erhalten die Pilze beziehungsweise Bakterien Nahrung von der Pflanze, die diese dank ihrer Fähigkeit zur Photosynthese zum Tausch anbieten kann.

Doch Pflanzen kooperieren nicht nur mit Partnern, die einen direkten Vorteil bringen. Es gibt auch Beziehungen, die sich erst um mehrere Ecken erschließen. So geben Pflanzen über ihre Wurzeln bis zu 30 Prozent ihrer Kohlenstoffverbindungen (wie etwa Zucker und andere Kohlenhydrate) direkt in den Boden ab.

Das wirkt auf den ersten Blick wie die reine Verschwendung, hat aber erstaunliche Vorteile. Die Pflanze stellt damit bestimmten, "nützlichen" Bakterien und Pilzen Nahrung zur Verfügung und lockt diese damit regelrecht zu ihren Wurzeln. Für die Pflanze ergeben sich daraus mehrere Vorteile.

Die angelockten und rings um die Wurzel wachsenden Mikroorganismen schützen die Wurzeln vor Krankheitserregern. Außerdem speichern die Organismen Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe. Dabei können sie viel schneller auf größere Mengen anfallender Nährstoffe reagieren, als es die Pflanzenwurzeln selbst könnten.

Gerade die Landwirtschaft mit ihrem Düngereinsatz profitiert hier enorm von diesem Puffer im Boden. Ohne sie würde nämlich ein Großteil des Stickstoffs einfach durch den Boden ins Grundwasser gelangen.

Aber wie kommen die Pflanzen jetzt an die in den Mikroorganismen gespeicherten Nährstoffe? Im Boden lebt ein ganzes Nahrungsnetz und damit auch große Anzahl von Organismen, die sich von den Pilzen und Bakterien ernähren. Dazu gehören bestimmte Fadenwürmer (Nematoden), Geißeltierchen (Flagellaten), Wimperntierchen (Ciliaten), Amöben und Milben.

Sie alle leben von den Bakterien und Pilzen rund um die Pflanzenwurzeln und scheiden mit ihrem Kot Stickstoff aus. Über diese Räuber, die selbst wiederum von noch größeren Räubern gefressen werden, werden also beständig Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe im Boden freigesetzt.

Boden und Landwirtschaft

Rund 250 Jahre vergehen, bis sich in unseren Breiten ein Zentimeter Boden entwickelt hat. Der Mensch verbraucht im gleichen Zeitraum rund zehnmal soviel, wobei die Landwirtschaft dabei eine große Rolle spielt. Durch zu schwere Maschinen wird der Boden verdichtet. Wasser kann nur noch schwer im Boden versickern und fließt verstärkt an der Oberfläche ab.

Die Bodenerosion wird durch die ungeschützte nackte Erdoberfläche, etwa beim Wein- oder Maisanbau, verstärkt. Wertvoller Boden wird so vom Wasser weggeschwemmt. Aber auch der Wind kann auf freiliegenden und trockenen Ackerböden große Mengen der feinkörnigen und sehr fruchtbaren Bodenteilchen davonwehen.

Die Schäden sind sowohl für die Natur als auch für die Landwirtschaft enorm. Im Weinbau wird nun zunehmend zwischen den Rebstöcken eine Grünbepflanzung angelegt. Die Wurzeln der Pflanzen schützen den Boden bei starken Regenfällen und halten diesen fest. Die Bodenerosion ist dadurch deutlich verringert. Ackerflächen werden häufiger mit Gründüngung versehen.

Dadurch lässt sich nicht nur die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern, sondern die Erde ist generell besser vor Erosion geschützt und zusätzlich wird das Bodenleben mit Nahrung versorgt. Auch weiß man inzwischen, dass bepflanzter Boden weniger empfindlich auf das Befahren mit schweren Maschinen reagiert als brachliegender Boden oder frisch gepflügte Ackerflächen.

Über viele Jahrzehnte hat der Mensch den Boden aus den Augen verloren. Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel sorgten für wachsende Erträge und der Boden als Lebensraum schien nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Um bei ständig sinkenden Preise noch wirtschaftlich arbeiten zu können, investierten die Landwirte in ihren Maschinenpark. Denn immer größere und damit auch schwerere Maschinen ermöglichten immer weniger Menschen die Bearbeitung der Flächen.

Doch seit einigen Jahren findet bei den Landwirten in Deutschland ein Umdenken statt und der Boden wird wieder umfassender betrachtet. Die obersten 30 Zentimeter der Erde sind eben ein uralter Lebensraum für Pflanzen und zahllose Tiere, die in ihrem gemeinsamen Wirken bereits seit Jahrmillionen für das Leben auf der Erde sorgen.

Traktor verteilt Gülle auf einem Feld

Durch Dünger wurden die Erträge gesteigert

Quelle: SWR | Stand: 01.03.2022, 20:00 Uhr

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