Sprengstoff

Sprengstoffsuche mit Tieren und Technik

Wenn Sprengstoff zu explodieren droht, sind oft Menschenleben in Gefahr. Sprengstofffahnder wollen ihn daher schon vor einer Explosion finden. Aber allein ist der Mensch bei der Suche nach Sprengladungen hoffnungslos überfordert. Zum Glück gibt es verlässliche Helfer.

Von Marietta Arellano

Spürhunde – feine Nasen für mehr Sicherheit

Sind Sprengstoffe gut verborgen, ist ihre Entdeckung fast unmöglich. Außer man kann sie riechen – so wie es die Sprengstoffspürhunde können, die in Nordrhein-Westfalen im Polizeidienst stehen. Die Vierbeiner sind wahre Spezialisten. Nach einem 70-tägigen Lehrgang können sie den Geruch von Sprengstoffen identifizieren.

Was für Menschen nach harter Arbeit klingt, ist für Sprengstoffspürhunde eine wahre Freude. Denn die Suche nach Explosivstoffen lernen sie ganz spielerisch. Nach jeder erfolgreichen Übung dürfen sie mit ihren Herrchen durch Grünanlagen toben oder Stöckchen holen.

Denn die Hunde sollen merken: Erfolgreiches Suchen wird durch ausgelassenes Spielen belohnt. Vergessen dürfen die Sprengstoffspürhunde eines allerdings nie: Sobald sie Explosivstoffe wittern, müssen sie ruhig stehen bleiben. Denn bei jeder falschen Bewegung könnte die Ladung in die Luft gehen.

Ratten in humanitärer Mission

Unglaublich, aber wahr: Der Belgier Bart Weetjens bildet in Tansania Ratten für die Sprengstoffsuche aus. Allerdings eignet sich nicht jede Haus- und Wiesenratte. Ausgebildet werden hier lediglich die kaninchengroßen Gambia-Riesenhamsterratten, denn sie haben sich als ausgesprochen robust und lernfähig erwiesen. Das Ausbildungsziel der Nager: Sie sollen in Krisenregionen nach Landminen suchen.

Und so werden die Ratten auf ihre Aufgaben vorbereitet: In den ersten Trainingseinheiten bekommen sie Proben mit unterschiedlichen Substanzen vorgesetzt. Einige enthalten den Minen-Sprengstoff TNT, andere nicht. Kratzen die Tiere an der sprengstoffhaltigen Probe, werden sie mit Futter belohnt.

Diese Übung wiederholen die Tiere so oft, bis sie auch die kleinsten Sprengstoffspuren sicher orten können. Dann erst geht es zu den Trainingseinheiten ins freie Feld. Auf einer speziellen Versuchsparzelle beginnen die Ratten ihre Suche. Sobald sie eine Mine riechen, bleiben sie stehen und scharren im Sand. Die Mine ist gefunden.

Die Ausbilder der Minenratten sind zufrieden, denn tatsächlich erweist sich die Suche mit den Kleintieren als äußerst effizient. Ratten sind kaum anfällig für tropische Krankheiten, sie sind günstig in der Haltung und haben vor allem einen entscheidenden Vorteil gegenüber Sprengstoffspürhunden: Durch ihr geringes Gewicht besteht kaum Gefahr, dass sie die Minen durch eine falsche Bewegung auslösen und explodieren lassen.

Eine Gambia-Riesenhamsterratte | Bildquelle: imago/Anka Agency International

Sprengstoffsuche mit Bienen

Wissenschaftliche Studien beweisen, dass auch Bienen für die Suche nach Sprengstoff geeignet sind. Im August 2003 trainierten amerikanische Wissenschaftler erstmals mit den geruchsempfindlichen Tieren. Um die Bienen für die Sprengstoffsuche zu begeistern, wandten die Forscher einen einfachen Trick an.

Bei jeder Fütterung mit Zuckerwasser ließen sie gasförmiges TNT ausströmen. Schnell merkten sich die Tiere: Wo Sprengstoff ist, ist auch Nahrung. Dann entließen die Wissenschaftler die Bienen auf ein Versuchsfeld und die Insekten erledigten ihren Job schnell und gründlich. Nach kurzer Zeit hatten die Tiere 90 Prozent der versteckten Sprengkörper auf dem Versuchsfeld gefunden.

Damit Spezialkräfte die Minen bergen können, ist eine genaue Angabe des Fundorts erforderlich. Sind die Bienen mit einem Sensor ausgestattet, müssen die Wissenschaftler nur ermitteln, an welcher Stelle sich besonders viele von ihnen sammeln. Hier liegt dann die gesuchte Landmine.

Mittlerweile bildet auch das Zentrum für Minenräumung in Kroatien Sprengstoffbienen aus. Sie sollen die übriggebliebenen Landminen aus dem Krieg in den 1990er-Jahren aufspüren. Auch an einigen Flughäfen in den USA kommen die Insekten bei der Suche nach Sprengstoff zum Einsatz. Der Vorteil gegenüber Spürhunden: Die Bienen haben eine feinere Nase und werden nicht so schnell müde.

Der "riechende" Minendetektor

Was Hunde, Ratten und Bienen können, kann auch ein chemischer Sensor leisten. Der Vorteil einer künstlichen Nase liegt auf der Hand: Während jedes Lebewesen irgendwann einmal von Müdigkeit übermannt wird, funktionieren chemische und elektronische Sensoren immer und überall. Zudem reichen kleinste Mengen des zu erschnüffelnden Stoffs aus, um Alarm auszulösen.

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts forschen schon seit über einem Jahrzehnt an der Entwicklung künstlicher Detektoren für explosive Stoffe. 2002 entwickelten Mitarbeiter des "Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie" in Pfinztal bei Karlsruhe einen elektro-chemische Minendetektor.

Dieser ist in der Lage, auch kleinste TNT-Konzentrationen aufzuspüren. Das Gerät besteht aus drei Elektroden, an die eine elektrische Spannung angelegt wird. Ist TNT in der Luft, findet an den Elektroden eine chemische Reaktion statt. Dadurch wächst der Strom an einer der Elektroden und das Gerät schlägt aus. Ein eindeutiges Zeichen: Der Sensor hat TNT "gerochen". Die Forschung setzt auf eine Kombination aus Sensorennetzwerken und Lasererkennung.

Weltweit wird an der Entwicklung künstlicher Nasen geforscht. Besonders an Flughäfen könnte die Technologie zum Einsatz kommen, um rechtzeitig Sprengstoff im Gepäck aufzuspüren und Terroranschläge zu verhindern. In manchen Bereichen kommen die Riechsensoren sogar schon zum Einsatz, wie etwa in der Kaffeerösterei, beim Aufspüren von Gaslecks oder zur Erkennung bestimmter Krankheiten.

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 08.10.2019)